24.11.2024
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil15.05.2018

Lehrer haben Anspruch auf Bezahlung für "Bugwel­len­stunden"Mehrleistungen sind bei nicht möglicher Dienstbefreiung finanziell auszugleichen

Der Verwaltungs­gerichts­hof Baden-Württemberg hat Klagen zweier pensionierter Lehrer auf Bezahlung sogenannter Bugwel­len­stunden stattgegeben. Sie haben - ergänzend zu ihrer normalen Besoldung - Anspruch auf Bezahlung der zusätzlich zu ihrem regulären Deputat gehaltenen Unter­richts­s­tunden.

Grundsätzlich ist zur Abgeltung von Mehrleistungen dienstrechtlich ein Zeitausgleich vorzunehmen. Dieser kann im Schulbereich häufig nicht realisiert werden, so dass Lehrkräfte von Jahr zu Jahr nicht ausgeglichene Mehrleistungen wie eine "Bugwelle" vor sich herschieben. Im Schuljahr 2016/17 hatten diese Bugwel­len­stunden nach Angaben des Landes Baden-Württemberg einen Umfang von 861 Deputaten bei den allgemein bildenden Gymnasien und von 1.835 Deputaten bei den Beruflichen Schulen erreicht.

Land lehnt Vergütung von "Bugwel­len­stunden" ab

Einer der Kläger war bis zum Eintritt in den Ruhestand zum Ende des Schuljahrs 2013/2014 Lehrer im Amt eines Oberstu­di­enrates an einer Gewerbeschule. Seit dem Schuljahr 2005/2006 befand er sich in Altersteilzeit. Seine Unter­richts­ver­pflichtung betrug 12,5 Wochenstunden. Außerdem war er Mitglied des Bezirk­s­per­so­nalrats Berufliche Schulen und erhielt hierfür Freistellungen in wechselndem Umfang. Der Kläger leistete über sein Regelstundenmaß hinaus Unter­richts­s­tunden. Er machte geltend, dass ein Zeitausgleich hierfür zu keinem Zeitpunkt möglich gewesen sei. Seinen Antrag auf Vergütung lehnte das Land ab. "Bugwel­len­stunden" seien auf Basis der Verwal­tungs­vor­schrift "Arbeitszeit der Lehrer an öffentlichen Schulen in Baden-Württemberg, IV. Variabler Einsatz des Regel­stun­denmaßes" entstanden und damit von vergü­tungs­fähiger Mehrarbeit im Sinne des § 67 Abs. 3 LBG zu unterscheiden. Eine Vergütung von "Bugwel­len­stunden" sei im Landes­be­sol­dungs­gesetz (LBesG) nicht vorgesehen, weshalb sie nach § 3 LBesG auch nicht gewährt werden könne (Berufungs­ver­fahren 4 S 2029/17).

Der zweite Kläger stand als Lehrer Vollzeit im Landesdienst im Amt eines Studi­en­di­rektors. Im Schuljahr 2013/2014 erhielt er Anrechnungen auf sein Regelstundenmaß u.a. als Ausgleich für Mehrbelastung als Fachberater. Zum Zeitpunkt seiner Versetzung in den Ruhestand - nach dessen Hinausschieben um ein Jahr - zum Ende des Schuljahrs 2013/2014 hatte er die angesammelten "Bugwel­len­stunden" nicht vollständig abgebaut. Die von ihm beantragte Vergütung lehnte das Land ebenfalls ab (Berufungs­ver­fahren 4 S 2069/17).

VG: "Bugwel­len­stunden" stellen keine vergü­tungs­fähige Mehrarbeit dar

Das Verwal­tungs­gericht Freiburg wies mit Urteilen vom 11. April 2017 und 27. Juni 2017 beide Klagen ab. Bei den "Bugwel­len­stunden" handele es sich laut Verwal­tungs­gericht nicht um vergü­tungs­fähige Mehrarbeit, die nach dem Landes­be­sol­dungs­gesetz gesondert bezahlt werde. Den Beamtinnen und Beamten im Schuldienst werde im rechtlichen Sinne nicht angesonnen, über ihre regelmäßige Arbeitszeit hinaus Dienst zu leisten. Vielmehr gehe es nur um eine zeitweilige Veränderung des von ihnen konkret zu erbringenden Dienstes innerhalb ihrer regelmäßigen Arbeitszeit, die derzeit grundsätzlich 41 Stunden betrage.

VGH bejaht Anspruch auf Vergütung der Mehrarbeit

Die Berufungen der Kläger hatten in vollem Umfang Erfolg. Der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg änderte die Urteile des Verwal­tungs­ge­richts und verurteilte das Land antragsgemäß, an die Kläger 12.850,95 Euro (Verfahren 4 S 2029/17) bzw. 4.049,80 Euro (Verfahren 4 S 2069/17) zu zahlen. Zur Begründung führt das Gericht aus, dass die maßgebliche Regelung der Arbeitszeit für Lehrkräfte im Schuldienst die normativ festgelegte Stundenzahl der wöchentlichen Unter­richts­ver­pflichtung sei. Dementsprechend stellten Bugwel­len­stunden die durch­schnittliche regelmäßige Woche­n­a­r­beitszeit überschreitende Mehrleistungen dar. Grundsätzlich seien solche Mehrleistungen durch entsprechende Dienstbefreiung auszugleichen und könnten nur in besol­dungs­rechtlich ausdrücklich geregelten Fällen finanziell vergütet werden. Zwar hätten das Verwal­tungs­gericht und das Land zutreffend angenommen, dass die Voraussetzungen des § 65 LBesG für eine Mehra­r­beits­ver­gütung nicht vorlägen, da die zusätzlichen Unter­richts­s­tunden keine aufgrund "zwingender dienstlicher Verhältnisse" angeordnete Mehrarbeit im Sinne des § 67 Abs. 3 LBG seien. Die Bugwel­len­stunden seien jedoch vorgeleistete Arbeitszeit. Und hierfür könne ein finanzieller Ausgleich nach § 71 LBesG gewährt werden. Dessen Voraussetzungen seien hier auch gegeben. Denn die streitigen Bugwel­len­stunden seien Arbeits­zeit­guthaben aus einer langfristig angelegten, ungleichmäßigen Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit. In den vorliegenden Fällen hätten diese Guthaben wegen des Eintritts der Kläger in den Ruhestand nicht mehr im Wege der Dienstbefreiung ausgeglichen werden können. Den zeitlichen Ausgleich der Bugwellen rechtzeitig zu ermöglichen, obliege grundsätzlich dem beklagten Land. Im Falle der Kläger sei dieser jedoch weder durch bindende ministerielle Vorgaben noch in der Praxis des Regie­rungs­prä­sidiums Freiburg sichergestellt gewesen. Vielmehr sei der Ausgleich im Regie­rungs­bezirk Freiburg den Schulleitungen überlassen geblieben. Vor diesem Hintergrund gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger den fehlge­schlagenen Zeitausgleich selbst zu vertreten hätten.

Landesregierung muss Ausgleich für die Zukunft und auch rückwirkend regeln

Der Verwal­tungs­ge­richtshof wies darauf hin, dass die Landesregierung mit Zustimmung des Landtags einen solchen Ausgleich für die Zukunft und auch rückwirkend für bereits angelaufene Bugwel­len­stunden etwa im Sinne eines "Bugwel­len­modells" regeln sollte. Dies gelte auch hinsichtlich für bisher zu Unrecht als Mehrarbeitsstunden behandelte Mehrleistungen.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online

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