21.11.2024
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil17.07.2013

Wohnbe­rech­ti­gungs­schein für geduldete erfolglose Asylbewerberin bei dauerhaftem Abschie­bungs­verbot aus familiären GründenKlägerin erfüllt finanzielle Voraussetzungen für die Erteilung eines Wohnbe­rech­ti­gungs­scheines

Ein Wohnbe­rech­ti­gungs­schein für eine öffentlich geförderte Mietwohnung kann ausnahmsweise auch einer geduldeten abgelehnten Asylbewerberin erteilt werden, wenn diese zum Schutz ihres Familienlebens dauerhaft nicht abgeschoben werden darf. Das hat der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg (VGH) entschieden.

Dem vorzuliegenden Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin, eine abgelehnte Asylbewerberin aus Kamerun, lebt seit 2005 mit einer Duldung in Deutschland. Sie wohnt mit ihrer 8jährigen Tochter, über deren Asylantrag noch nicht entschieden ist, in einer Gemein­schafts­un­terkunft. Der Vater ihrer Tochter, ein Kongolese mit Nieder­las­sungs­er­laubnis, lebt getrennt von ihr, übt aber mit ihr die elterliche Sorge aus. Das Ausländeramt der Stadt Freiburg (Beklagte) befreite die Klägerin und ihre Tochter im Oktober 2010 von der Pflicht zur Wohnsitznahme in einer Gemein­schafts­un­terkunft. Das Sozialamt sicherte zu, die Kosten einer angemessenen Wohnung zu übernehmen. Den Antrag der Klägerin, einen Wohnberechtigungsschein zu erteilen, den sie für die Anmietung einer öffentlich geförderten Wohnung benötigt, lehnte das Amt für Wohnraum­ver­sorgung jedoch ab. Die Klägerin und ihre Tochter seien keine Wohnungs­su­chende im Sinne des Landes­wohn­raum­för­de­rungs­ge­setzes (LWoFG), weil sie ohne Aufenthaltstitel keinen dauerhaften Wohnsitz begründen könnten. Das Verwal­tungs­gericht Freiburg folgte dem nicht und verpflichtete die Beklagte zur Erteilung eines Wohnbe­rech­ti­gungs­scheins. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Beklagten blieb erfolglos.

Klägerin ist in der Lage, auf längere Dauer einen Wohnsitz als Mittelpunkt ihrer Lebens­be­zie­hungen zu begründen

Die Klägerin erfülle unstreitig die finanziellen Voraussetzungen für die Erteilung eines Wohnbe­rech­ti­gungs­scheines und sei auch Wohnungs­su­chende im Sinne des LWoFG. Sie halte sich seit mehr als acht Jahren und damit nicht nur vorübergehend in Baden-Württemberg auf und sei tatsächlich wie rechtlich in der Lage, für sich und ihre Tochter auf längere Dauer einen Wohnsitz als Mittelpunkt ihrer Lebens­be­zie­hungen zu begründen und dabei einen selbstständigen Haushalt zu führen. Dem stehe nicht entgegen, dass sie nur eine Duldung und keinen Aufent­halt­stitel nach dem Aufent­halts­gesetz besitze. Auch geduldete Ausländer könnten ausnahmsweise wohnungssuchend im Sinne des LWoFG sein. Eine solche Ausnahme liege hier vor, weil die Klägerin nicht zur Wohnsitznahme in einer Gemein­schafts­un­terkunft verpflichtet sei, aus familiären Gründen dauerhaft nicht abgeschoben werden dürfe und das Sozialamt ihr zugesichert habe, die angemessenen Kosten für eine private Unterkunft zu übernehmen.

Klägerin gehört zum förde­rungs­würdigen Personenkreis

Das LWoFG verlange für Ausländer nicht den Besitz eines Aufent­halt­s­titels. Allerdings folge aus den Begriffen "Wohnsitz" und "längere Dauer", dass Geduldete im Regelfall nicht als wohnungssuchend angesehen werden könnten. Diese Regel gelte aber nicht im Ausnahmefall der Klägerin. Denn sie dürfe, wie auch die Beklagte nicht bezweifle, zum Schutz ihrer Grund- und Menschenrechte auf Achtung des Familienlebens dauerhaft nicht abgeschoben werden. Daher könne sie auch auf längere Dauer einen Wohnsitz im Bundesgebiet begründen. Hierfür spreche auch die mit dem LWoFG bezweckte Famili­en­för­derung. Ausländer, deren Abschiebung aus familiären Gründen dauerhaft unmöglich sei, gehörten daher typischerweise zum förde­rungs­würdigen Personenkreis. Schließlich sei zu bedenken, dass das Sozialamt die angemessenen Kosten einer privaten Unterkunft für geduldete abgelehnte Asylbewerber nur unter engen Voraussetzungen übernehme. Seien diese Voraussetzungen - wie im Falle der Klägerin - erfüllt, wäre es ein Wertungs­wi­der­spruch, wenn man sich auf den Standpunkt stellte, ihr geduldeter Aufenthalt dürfe nicht durch Zubilligung einer mietver­bil­ligten Sozialwohnung gefördert werden. Vielmehr spreche gerade die Zusicherung des Sozialamtes dafür, die Klägerin und ihre Tochter zum anspruchs­be­rech­tigten Personenkreis zu rechnen.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online

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