21.11.2024
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Sie sehen den Auspuff eines Autos.
ergänzende Informationen

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil18.06.2012

1,6 Promille Blutalkohol spricht für Alkohol­miss­brauchFahrerlaubnis kann nur nach medizinisch-psychologischer Begutachtung zurückerteilt werden

Eine Bluta­l­ko­hol­kon­zen­tration von 1,6 Promille 35 Minuten nach einer Trunken­heitsfahrt spricht für Alkohol­miss­brauch und kann im Verfahren über die Neuerteilung der vom Strafgericht entzogenen Fahrerlaubnis Zweifel an der Fahreignung begründen. Die Zweifel sind nur durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer amtlich anerkannten Begut­ach­tungs­stelle auszuräumen, das der Fahrer­laub­nis­be­werber auf Anordnung der Fahrer­laub­nis­behörde beibringt. Die Behörde muss die zu untersuchenden Fragen konkret festlegen und dem Fahrer­laub­nis­be­werber mitteilen. Dies geht aus einer Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richtshofs Baden-Württemberg hervor.

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls führte im Dezember 2005 unter Alkoholeinfluss einen Pkw. Eine 35 Minuten später entnommene Blutprobe ergab 1,6 Promille Bluta­l­ko­hol­kon­zen­tration. Das Amtsgericht verurteilte ihn zu einer Geldstrafe, entzog ihm die Fahrerlaubnis und bestimmte eine elfmonatige Sperrfrist für deren Neuerteilung; dabei ging es zu seinen Gunsten von 1,58 Promille Bluta­l­ko­hol­kon­zen­tration zur Tatzeit aus. Im Verfahren über die Neuerteilung der Fahrerlaubnis ordnete das Landratsamt Ortenaukreis (Beklagter) an, dass der Kläger ein medizinisch-psychologischen Gutachten beizubringen habe. Der Kläger folgte dem nicht, weil er die Anordnung für rechtswidrig hielt. Daraufhin lehnte die Behörde seinen Antrag ab. Mit seiner Klage begehrte der Kläger, den Beklagten zur Erteilung der Fahrerlaubnis zu verpflichten; er verwies auf die Einmaligkeit des Vorfalls und machte geltend, keinen Alkohol mehr zu trinken. Das Verwal­tungs­gericht Freiburg wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers verpflichtete der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg den Beklagten, über den Fahrer­laub­ni­s­antrag unter Beachtung der Rechts­auf­fassung des Gerichts erneut zu entscheiden; im Übrigen blieb die Berufung erfolglos.

Anordnung des Landratsamts formell rechtswidrig

Zwar könne aus der Weigerung eines Fahrer­laub­nis­be­werbers, ein rechtmäßig angeordnetes medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, auf seine Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeugs geschlossen werden. Die Anordnung des Landratsamts sei aber formell rechtswidrig. Denn sie lege nicht fest, welche konkreten Fragen zur Fahreignung des Klägers zu untersuchen seien; auch seien solche Fragen dem Kläger nicht mitgeteilt worden.

Verant­wor­tungs­be­wusste Trennung zwischen Alkoholkonsum und Führen eines Fahrzeugs bei Kläger nicht erkennbar

Der Beklagte sei derzeit gleichwohl nicht zur Erteilung der Fahrerlaubnis verpflichtet. Denn Eignungszweifel wegen einer Alkohol­pro­blematik erforderten eine medizinisch-psychologische Begutachtung des Klägers. Sie ergäben sich zwar nicht allein aus der Bluta­l­ko­hol­kon­zen­tration zur Tatzeit. Das sei nach der Fahrer­laub­nis­ver­ordnung erst ab 1,6 Promille der Fall, hier aber zur Zeit der Trunken­heitsfahrt nicht nachzuweisen. Die kurz darauf erreichte Bluta­l­ko­hol­kon­zen­tration von 1,6 Promille spreche aber für Alkoholmissbrauch. Sie belege eine weit überdurch­schnittliche Alkohol­ge­wöhnung. Einem durch­schnittlich alkohol­ge­wöhnten Menschen sei es unmöglich, diesen Wert durch eigenes Handeln zu erreichen. Auch ein einmaliges Ereignis sei bei einer so hohen Bluta­l­ko­hol­kon­zen­tration nicht glaubhaft. Beides sei wissen­schaftlich belegt. Die hohe Alkohol­ge­wöhnung wirke sich beim Kläger auch auf den Straßenverkehr aus, wie die Trunken­heitsfahrt zeige. Der Kläger habe dabei nicht zwischen einem die Fahrsicherheit ausschließenden Alkoholkonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs getrennt. Zudem habe er bei dieser Fahrt eine Alkoholmenge im Körper gehabt, die später zu 1,6 Promille Bluta­l­ko­hol­kon­zen­tration geführt habe. Eignungszweifel wegen einer Alkohol­pro­blematik ergäben sich ferner auch daraus, dass die frühere Fahrerlaubnis vom Strafgericht wegen Alkohol­miss­brauchs entzogen worden sei. Denn das Amtsgericht habe festgestellt, dass der Kläger trotz Fahrun­tüch­tigkeit infolge Alkoholgenusses einen Pkw gefahren habe, und bei der Bemessung der Sperrfrist auch auf den Alkoho­li­sie­rungsgrad abgestellt.

VGH kann Fahreignung nach Regelungen der Fahrer­laub­nis­ver­ordnung nicht selbst durch Sachver­stän­di­gen­gut­achten klären

Der Verwal­tungs­ge­richtshof könne die Fahreignung nach den Regelungen der Fahrer­laub­nis­ver­ordnung nicht selbst durch Sachver­stän­di­gen­gut­achten klären. Dem berechtigten Anliegen des Klägers, sich erst medizinisch-psychologisch untersuchen zu lassen, wenn gerichtlich geklärt sei, ob die dafür nötigen Voraussetzungen der Fahrer­laub­nis­ver­ordnung erfüllt seien, könne nur durch eine Verpflichtung des Beklagten zur erneuten Entscheidung über den Fahrer­laub­ni­s­antrag Rechnung getragen werden. Die Behörde habe somit nach dem Gerichts­ver­fahren zunächst die Beibringung des Gutachtens formell rechtmäßig anzuordnen. Komme der Kläger der Anordnung nach, sei auf der Grundlage des Gutachtens zu entscheiden, ansonsten könne auf seine Nichteignung geschlossen werden.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online

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