21.11.2024
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss17.05.2017

Hausverbot für Journalisten zum Schutz von Gerichts­be­suchern zulässigBeschränkung von Umfragen eines Journalisten auf Bereiche außerhalb eines Gerichts­ge­bäudes nicht zu beanstanden

Ein Hausverbot zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeits­rechts von Gerichts­be­suchern, insbesondere Vollstreckungs­schuldnern, und Gerichts­bediensteten kann auch gegenüber einem Vertreter der Presse gerechtfertigt sein. Dies entschied der Verwaltungs­gerichts­hof Baden-Württemberg.

Nach den Ausführungen des Gerichts habe der Antragsteller des zugrunde liegenden Streitfalls im Flur des Amtsgerichts vor dem Dienstzimmer der Gerichts­voll­zieher gewartet, bis Besucher - mutmaßliche Vollstre­ckungs­schuldner - herausgetreten seien. Er habe diese Besucher angesprochen, sich als Journalist vorgestellt und ihnen sein Anliegen erklärt, eine Umfrage zur Arbeit der Gerichts­voll­zieher durchzuführen. Er habe dazu einen Fragebogen übergeben, der einen einleitenden Artikel sowie an Vollstre­ckungs­schuldner gerichtete Fragen enthalten habe ("Welche Erfahrungen haben Sie mit welchem Gerichts­voll­zieher gemacht?", "Ist Ihre Wohnung durch den Gerichts­voll­zieher aufgebrochen und/oder durchsucht worden […]?" usw.). Der Antragsteller habe gegenüber dem Präsidenten des Amtsgerichts angekündigt, im Gericht die an einem Tag bereits durchgeführte Befragung von Gerichts­be­suchern, die aus dem Dienstzimmer der Gerichts­voll­zieher heraustreten, fortzusetzen. In einer E-Mail an den Präsidenten des Amtsgerichts habe der Antragsteller zum anderen mitgeteilt, seinem "Team" lägen Erkenntnisse vor über die "Verletzung von Dienst­ge­heim­nissen, Absprachen, Beeinflussungen, Befangenheit, Diebstahls von Büro- und Betriebsmitteln, Sex unter den Justi­z­an­ge­stellten, Bevorzugungen, Vorteilnahme, Alkoholprobleme und Neben­be­schäf­ti­gungen von Justi­z­an­ge­stellten bei dem von Ihnen geleiteten Gericht". Der Antragsteller wandte sich in einem gegen das Land Baden-Württemberg (Antragsgegner) geführten Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vor dem Verwal­tungs­gericht Freiburg und dem Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg erfolglos gegen das sofort vollziehbare Hausverbot.

Ansprache durch Journalisten kann Besucher der Gerichts­voll­zieher in allgemeinem Persön­lich­keitsrecht verletzen

Das vom Präsidenten des Amtsgerichts gegenüber dem Antragsteller am 19. August 2016 ausgesprochene, bis zum 31. Mai 2017 befristete Hausverbot sei voraussichtlich rechtmäßig, so der Verwal­tungs­ge­richtshof. Es sei darauf beschränkt, die Gebäude zum Zweck der "angekündigten Befragungen" zu betreten. Die Ansprache von Besuchern der Gerichts­voll­zieher durch den Antragsteller könne die Besucher in ihrem allgemeinen Persön­lich­keitsrecht verletzen. Im Sinne eines Schutzes vor Indiskretion habe jedermann grundsätzlich das Recht ungestört zu bleiben. Die geschützte Privatsphäre umfasse Angelegenheiten, die wegen ihres Infor­ma­ti­o­ns­inhalts typischerweise als privat eingestuft würden, weil das Bekanntwerden nachteilige Reaktionen in der Umwelt auslöse. In diese Privatsphäre greife der Antragsteller mit seiner Ansprache von ihm fremden Gerichts­be­suchern und der sinngemäßen Frage, ob sie "Kunden" des Gerichts­voll­ziehers seien, dessen Dienstzimmer sie gerade verlassen hätten, ein. Dahingehende Fragen würden regelmäßig als peinlich, jedenfalls als unschicklich empfunden. Das Anhalten einer Person vor dem Dienstzimmer eines Gerichts­voll­ziehers vergrößere die Gefahr, dass der Besuch des Gerichts­voll­ziehers auch anderen Besuchern des Gerichts bekannt werde. Der Antragsteller habe zudem eine Verhaltensweise angekündigt, welche auch die Persön­lich­keits­rechte von Bediensteten des Gerichts beeinträchtigen würde. Hätte der Antragsteller diese im öffentlichen Bereich des Gerichts u.a. mit dem Vorwurf strafbarer Handlungen konfrontiert, auf Alkoholprobleme oder gar auf ihre Sexualkontakte angesprochen, hätte dies gravierende Eingriffe in deren allgemeines Persön­lich­keitsrecht bis hin zu Übergriffen in ihre Intimsphäre zur Folge gehabt.

Journalist reißt Besucher durch Ansprache aus Schutz der Anonymität heraus und setzt sie Gefahr einer Bloßstellung aus

Diese Eingriffe in das allgemeine Persön­lich­keitsrecht der Schuldner und Gerichts­be­diensteten seien nicht durch die Grundrechte des Antragstellers gerechtfertigt. Die Rechte der Presse, auf die er sich berufe, seien durch Grundrechte Dritter beschränkt. Bei der Abwägung dieser Rechte sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller mit seiner Befragung eine Vorgehensweise gewählt habe, die das Persön­lich­keitsrecht der Betroffenen unausweichlich beeinträchtige. Denn er lasse den Angesprochenen keine Wahl, ob sie ihre Anonymität wahren wollten oder nicht. Er reiße sie durch die Ansprache vielmehr ohne echte Ausweich­mög­lichkeit aus dem Schutz der Anonymität heraus und setze sie damit der Gefahr einer Bloßstellung aus.

Hausverbot beschränkt sich nur auf Untersagung des Zutritts zur Durchführung der angekündigten Befragungen

Das angefochtene Hausverbot beschränke sich darauf, den vom Antragsteller ausgeübten Zwang zur Offenbarung von Umständen aus der Privatsphäre zu beseitigen. Denn mit dem Hausverbot werde dem Antragsteller nicht generell der Zutritt zu dem Amtsgericht und auch nicht allgemein das Gespräch mit Besuchern des Gerichts, sondern lediglich der Zutritt zur Durchführung der von ihm angekündigten Befragungen untersagt. Ihm bleibe es unbenommen, auf andere Weise den Kontakt zu Vollstre­ckungs­schuldnern im Allgemeinen oder solchen im Zustän­dig­keits­bereich des Amtsgerichts im Besonderen zu suchen, um mit diesen Interviews zu führen. Dem Antragsteller stehe es ferner frei, vor dem Gerichtsgebäude und damit in einem Bereich, in dem ein vorheriger Kontakt zu Gerichts­voll­ziehern nicht unausweichlich offenbart werde, Personen darauf anzusprechen, ob sie sich zum Thema der Zwangs­voll­streckung äußern möchten. Dabei könne ohne den beschriebenen Zwang in Erfahrung gebracht werden, ob der Angesprochene zu dem Thema aus eigener Erfahrung berichten könne bzw. dies einräumen möchte. Dass der Antragsteller bei der letzten Möglichkeit im Vergleich zu der von ihm bevorzugten Methode mit weniger Antworten rechne, sei ihm zumutbar.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online

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