Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein baden-württembergischer Tierschutzverein (Kläger) hatte Ausgaben in Höhe von 392 Euro, um eine Wasserschildkröte und eine Katze vier Wochen zu pflegen. Die Polizei und eine Bürgerin hatten die Tiere im Zentrum der Gemeinde Dettingen (Beklagte) gefunden und beim Kläger abgegeben. Der Kläger verlangte von der Beklagten als Trägerin der Fundbehörde, die Kosten für die vierwöchige Pflege der Tiere zu erstatten. Die Beklagte lehnte das ab.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart gab der Zahlungsklage des Klägers statt. Der Verwaltungsgerichthof Baden-Württemberg bestätigte diese Entscheidung und lehnte den Antrag der Beklagten, die Berufung gegen das Urteil zuzulassen, ab. Der Verwaltungsgerichtshof verwies in seiner Entscheidung darauf, dass in Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt sei, wie mit Fundtieren umzugehen ist. Wer ein Tier findet, das der Eigentümer verloren hat, hat dies dem Eigentümer anzuzeigen. Weiß der Finder nicht, wer Eigentümer ist, hat er den Fund des Tieres der Fundbehörde mitzuteilen; Fundbehörden sind in Baden-Württemberg die Gemeinden. Der Finder ist verpflichtet, das Tier zu verwahren, kann es aber auch bei der Fundbehörde abliefern. Er ist berechtigt, vom Eigentümer Ersatz der notwendigen Aufwendungen zu verlangen, die er für Pflege und Ernährung des Tieres hat. Die Vorschriften des BGB über den Fund verloren gegangener Tiere gelten jedoch nicht, wenn der Eigentümer des Tieres sein Eigentum am Tier aufgegeben hat (herrenloses Tier). Für Pflege und Ernährung gefundener herrenloser Tiere besteht kein Kostenersatzanspruch.
Da häufig schwer feststellbar ist, ob das aufgefundene Tier dem Eigentümer verloren gegangen oder ob es herrenlos ist, haben das Ministerium für Ernährung und ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg und das Innenministerium Baden-Württemberg Hinweise zur Behandlung solcher Tiere veröffentlicht. Darin heißt es, bei Auffinden eines Tieres sei in aller Regel davon auszugehen, dass es sich um ein Fundtier handele, da es nach dem Tierschutzgesetz verboten sei, ein Tier auszusetzen oder zurückzulassen. In der Regel - so die ministeriellen Hinweise - könne, sofern sich der Eigentümer eines Tieres nicht spätestens nach vier Wochen gemeldet habe, angenommen werden, dass er die Suche nach seinem Tier aufgegeben habe und das Tier herrenlos sei bzw. herrenlos geworden sei.
Im entschiedenen Fall hatte der Kläger der Beklagten schriftlich angezeigt, dass eine Wasserschildkröte und eine Katze bei ihm abgegeben worden seien. Die Beklagte antwortete, die Katze sei herrenlos, da sie weder einen Chip noch eine Tätowierung aufweise, die Wasserschildkröte sei als herrenlos anzusehen, wenn sich ihr Eigentümer nicht innerhalb von vier Wochen melde. Diesen und weitere Umstände sah der Verwaltungsgerichtshof - wie das Verwaltungsgericht - als entscheidend an und sprach dem Kläger daher den Anspruch auf Erstattung der Pflegekosten zu. Der Kläger habe aufgrund der Antwort der Beklagten davon ausgehen dürfen, dass die Beklagte die Hinweise der Ministerien als maßgeblich ansehe. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich von vornherein um herrenlose Tiere gehandelt habe. Der gute Allgemein- und Ernährungszustand der Schildkröte und der Fundort beider Tiere im Ortszentrum sprächen jeweils auch dafür, dass sie nicht herrenlos gewesen seien.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 13.08.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online