21.11.2024
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss09.01.2012

Hells Angels Pforzheim bleiben vorerst verbotenStraf­ge­set­z­widrige Verhal­tens­weisen von Mitgliedern sind wohl dem Verein zurechenbar

Das vom Innen­mi­nis­terium Baden-Württemberg verhängte Verbot des Vereins der "Hells Angels Motorcycle Club Charter Borderland" (HAMC Borderland) mit Sitz in Pforzheim ist voraussichtlich rechtmäßig. Dies entschied der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg (VGH) und bestätigte damit den vom Innen­mi­nis­terium angeordneten Sofortvollzug.

Mit Verfügung vom 06.06.2011 stellte das Innen­mi­nis­terium fest, dass Zweck und Tätigkeit des HAMC Borderland den Strafgesetzen zuwiderliefen. Der Verein - einschließlich der Teilor­ga­ni­sation „Commando 81 Borderland“ - wurde verboten und aufgelöst. Das Vereinsvermögen wurde beschlagnahmt und eingezogen. Mit Ausnahme der Einzie­hungs­a­n­ord­nungen wurde die Verfügung für sofort vollziehbar erklärt. Zur Begründung machte das Innen­mi­nis­terium geltend, Zweckbestimmung des Antragstellers sei nicht allein das gemeinsame Motorradfahren oder die gemeinsame Teilnahme an Veranstaltungen, sondern eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor. Der Antragsteller erhebe für die Region Pforzheim den Anspruch, maßgeblichen oder sogar ausschließ­lichen Einfluss auf bestimmte Kriminalitäts- und Wirtschafts­be­reiche zu erlangen. Die Vereins­mit­glieder betätigten sich im Wesentlichen im Vergnügungs- und Rotlichtgewerbe und in der Türste­her­branche. Ferner bestünden Anhaltspunkte für den Handel mit Betäu­bungs­mitteln. Gegen die Verfügung hat der Verein Klage erhoben, die noch beim VGH anhängig ist. Sein Antrag auf Gewährung von Eilrechtsschutz blieb ohne Erfolg.

Zwecke und Tätigkeit des Vereins laufen womöglich den Strafgesetzen zuwider

Es spreche derzeit Überwiegendes dafür, dass Zwecke und Tätigkeit des Vereins den Strafgesetzen zuwiderliefen, entschied der VGH. Insoweit sei nicht zu beanstanden, dass das Innen­mi­nis­terium auch strafrechtliche Ermitt­lungs­ver­fahren zur Begründung der Straf­ge­set­z­wid­rigkeit herangezogen habe, die sich nicht gegen Vollmitglieder, sondern gegen Prospects (Anwärter) oder Supporter (Unterstützer) oder Angehörige des „Commando 81 Borderland“ richteten, soweit das strafrechtlich relevante Verhalten dieser Personen einen Vereinsbezug aufweise. Zwischen den Prospects, den Supportern und dem Verein bestehe ebenfalls eine enge Beziehung, die diese Personen der gemeinsamen und einheitlichen Willensbildung des Vereins unterwerfe. Auch die Einstufung des „Commando 81 Borderland“ als Teilor­ga­ni­sation des Antragstellers sei voraussichtlich zutreffend. Das „Commando“ erfülle die Funktion einer speziellen Kampfabteilung im Verein und werde beispielsweise mit Türste­her­diensten, Schutzdiensten für Veranstaltungen oder Sicher­heits­diensten für das Vereinsheim betraut. Dabei werde es nach den Erkenntnissen des Innen­mi­nis­teriums durch den HAMC Borderland überwacht und gesteuert.

Straf­ge­set­z­widrige Verhal­tens­weisen von Mitgliedern sind wohl dem Verein zurechenbar

Die zur Begründung angeführten straf­ge­set­z­widrigen Verhal­tens­weisen von Mitgliedern des HAMC Borderland seien dem Verein wohl auch überwiegend zuzurechnen. Das gelte für ein Strafverfahren gegen zwei Vollmitglieder wegen einer Auftrags­straftat am 21.08.2009 (versuchter schwerer Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körper­ver­letzung), für ein weiteres Strafverfahren gegen den Vizepräsidenten wegen einer am 04.10.2009 begangenen gefährlichen Körper­ver­letzung, für eine rechtskräftige Verurteilung von drei zur Teilor­ga­ni­sation „Commando 81 Borderland“ gehörenden Vereins­mit­gliedern wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung im Mai 2010, für eine rechtskräftige Verurteilung des Vizepräsidenten wegen gefährlicher Körper­ver­letzung sowie unerlaubten Besitzes einer halbau­to­ma­tischen Kurzwaffe im Zusammenhang mit einer Ausein­an­der­setzung mit den „United Tribuns“ am 27.11.2010 in Pforzheim und für das - ebenfalls wegen der Geschehnisse am 27.11.2010 - anhängige Strafverfahren gegen neun Mitglieder bzw. Supporter des Vereins wegen gemein­schaft­licher gefährlicher Körper­ver­letzung, Landfrie­densbruch, Bildung bewaffneter Gruppen sowie teilweise wegen Verstößen gegen das Waffengesetz. Trotz Verfah­ren­s­ein­stellung sprächen auch zahlreiche Indizien dafür, dass Mitglieder des Vereins auf der Clubsitzung am 29.11.2010 den Beschluss gefasst hätten, zwei Mitglieder der verfeindeten „United Tribuns“ zu töten. Die Vielzahl der waffen­recht­lichen Verstöße lasse zudem auf eine allgemeine Bewaffnung der Vereins­mit­glieder schließen.

Charakter des Vereins wird durch das straffällige Verhalten der Mitglieder geprägt

Das straffällige Verhalten der Mitglieder rechtfertige bei einer Gesamtschau die Annahme, dass es den Charakter des Vereins präge, so der VGH weiter. Auffallend sei die zeitliche Dichte von Ermittlungs- und Strafverfahren wegen Gewalt- und Waffendelikten gegen eine Vielzahl von Vereins­mit­gliedern, unter denen der Vizepräsident als wichtiger Funktionsträger besonders häufig in Erscheinung getreten sei. Erschwerend komme hinzu, dass an den Straftaten regelmäßig mehrere Vereins­mit­glieder in unter­schied­licher personeller Zusammensetzung beteiligt gewesen seien. Die Einschätzung des Innen­mi­nis­teriums, Vereinszweck sei auch eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor, sei daher nach derzeitigem Sach- und Kenntnisstand ohne weiteres nachvollziehbar. Die Verbots­ver­fügung sei zudem verhältnismäßig.

Vorherige Anhörung war nicht erforderlich

Das Innen­mi­nis­terium habe auch von einer vorherigen Anhörung absehen dürfen, weil er den mit einer Anhörung verbundenen „Ankün­di­gungs­effekt“ vermeiden und dem Verein so keine Gelegenheit habe bieten wollen, seine Infrastruktur, sein Vermögen und verbots­re­levante Unterlagen dem behördlichen Zugriff zu entziehen. Den mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung für den Verein verbundenen Nachteilen - er dürfe seine Verein­s­tä­tigkeit bis zur Entscheidung der Hauptsache nicht fortsetzen - stünden höher zu gewichtende Gefahren für die Allgemeinheit bei Fortsetzung der Verein­s­tä­tigkeit gegenüber.

Quelle: ra-online, Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (pm/pt)

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