21.11.2024
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil28.07.2009

VGH Baden-Württemberg erklärt Alkoholverbot im Kneipenviertel für rechtswidrigFreiheits­ein­schränkung nicht gerechtfertigt – Gefahr aggressiven Verhaltens geht nicht automatisch von jedem Besucher aus

Ein Alkoholverbot, das verbietet, auf öffentlich zugänglichen Flächen außerhalb bestimmter Freisitzflächen, alkoholische Getränke zu konsumieren oder mit sich zu führen, wenn aufgrund der konkreten Umstände die Absicht erkennbar ist, diese dort zu konsumieren, ist rechtswidrig. Dies entschied der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg.

Mit der im Kneipenviertel der Stadt Freiburg („Bermudadreieck") geltenden Verordnung will die Stadt den starken Anstieg von Gewaltdelikten bekämpfen, für den sie den Alkoholkonsum verantwortlich macht. Sie hat daher ein zunächst auf zwei Jahre befristetes Alkoholverbot für bestimmte Flächen erlassen. Das Verbot gilt in den Nächten von Freitag bis Montag, jeweils von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr und für die Nacht vor einem gesetzlichen Feiertag. Wer hiergegen verstößt, muss mit einem Bußgeld rechnen.

Keine ausreichenden Anhaltspunkte für Gewaltabsichten bei allen Besuchern des "Bermudadreiecks"

Nach Ansicht des Verwal­tungs­ge­richtshofs ist dieses Alkoholverbot von der Genera­l­e­r­mäch­tigung des Polizeigesetzes nicht gedeckt. Diese erlaube eine selbst geringfügige Freiheits­ein­schränkung durch Verordnung nur, wenn typischerweise von jedem Normadressaten auch eine Gefahr ausgeht. Die Feststellung einer Gefahr verlange eine in tatsächlicher Hinsicht abgesicherte Prognose. Es müssten danach hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, dass all diejenigen, die an den Woche­n­end­nächten im Bermudadreieck mitgebrachten Alkohol konsumierten oder auch nur in Konsumabsicht mit sich führten, regelmäßig gewalttätig würden. Davon könne jedoch weder aufgrund der Lebenserfahrung, noch aufgrund polizeilicher Erhebungen zur Entwicklung der Gewalt­kri­mi­nalität im betroffenen Gebiet ausgegangen werden. Die enthemmende Wirkung von Alkohol könne zwar zu aggressivem Verhalten führen, aber nicht typischer Weise bei jedem, der der Norm unterworfen werde.

Derzeit ist nur Vorgehen gegen Störer im Einzelfall möglich

Der Verwal­tungs­ge­richtshof stellt weiterhin klar, dass das Eingreifen der Polizei in Einzelfällen gerechtfertigt ist, wenn es zu alkohol­be­dingten Ausschreitungen kommt. Soll schon im Vorfeld dem Alkohol­miss­brauch in städtischen Brennpunkten entgegengewirkt werden, müsse der Gesetzgeber tätig werden. Derzeit bleibe der Stadt nur die Möglichkeit, mit dem herkömmlichen polizeilichen Instrumentarium wie Platzverweisen und Aufent­halts­verboten im Einzelfall gegen Störer vorzugehen; öffentliche Massen­be­säufnisse (sog. Botellon) könnten untersagt werden. Auch könne die Stadt die im Rahmen eines Gesamtkonzepts getroffenen Maßnahmen (wie Vereinbarungen mit den gastronomischen Betrieben über die gegenseitige Anerkennung von Hausverboten, die freiwillige Selbst­be­schränkung in Bezug auf sog. Flatrate-Angebote, systematische Öffent­lich­keits­arbeit und „Gefähr­der­an­sprachen") weiter verfolgen.

Regelung zum Verhalten außerhalb von Freischank­flächen zu unbestimmt

Auch eine weitere Regelung, die 2007 in eine bereits bestehenden Polizei­ver­ordnung der Stadt eingefügt wurde und auf allen öffentlichen Plätzen und Straßen gilt, wurde vom VGH für unwirksam erklärt. Nach dieser Bestimmung ist das Lagern oder dauerhafte Verweilen außerhalb von Freischank­flächen oder Einrichtungen wie Grillstellen u. ä., ausschließlich oder überwiegend zum Zwecke des Alkoholgenusses, verboten, wenn dessen Auswirkungen geeignet sind, Dritte erheblich zu belästigen. Diese Reglung, so der VGH, sei zu unbestimmt. Den Normadressaten sei keine hinreichend eindeutige Abgrenzung zwischen dem verbotenen und dem erlaubten Verhalten möglich. Aus dem Wortlaut ergebe sich nicht, dass nur Belästigungen durch Gruppentrinker erfasst seien. Eine Prognose, ob die Auswirkungen des Alkohols geeignet sind, Dritte zu belästigen, könne erst durch den Polizei­voll­zugs­beamten an Ort und Stelle getroffen werden. Diese Feststellung kann durch eine abstrakt-generelle Regelung nicht ersetzt werden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VGH Baden-Württemberg vom 28.08.2009

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