21.11.2024
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil04.05.2010

Keine Beschränkungen des Kirche­n­aus­tritts auf die „Körperschaft des öffentlichen Rechts“Bloßer "Kirchen­steu­er­austritt" nicht statthaft

Wer aus einer Kirche austritt, die nach staatlichem Recht den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts hat und deswegen u.a. zur Erhebung von Kirchensteuer berechtigt ist, kann seine Austritts­er­klärung nicht auf den staatlichen Rechtskreis beschränken. Das hat der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall hatte ein emeritierter Professor für katholisches Kirchenrecht im Jahr 2007 gegenüber dem Standesamt seines Wohnorts seinen Kirchenaustritt erklärt. Er hatte dabei die Religi­o­ns­ge­mein­schaft mit den Worten „römisch-katholisch, Körperschaft des öffentlichen Rechts“ bezeichnet. In dieser Formulierung liegt nach Auffassung des Verwal­tungs­ge­richtshofs ein Zusatz, der gegen § 26 Abs. 1 des Kirchen­steu­er­ge­setzes Baden-Württemberg verstößt. Das Gesetz verlangt für den Kirchenaustritt eine eindeutige Erklärung und verbietet deswegen Bedingungen und Zusätze. Für die Auslegung dieser Bestimmung ist nach Ansicht des Verwal­tungs­ge­richtshofs von entscheidender Bedeutung, dass mit diesem Verbot gerade der so genannte „modifizierte Kirchenaustritt“ unterbunden werden sollte. Die Erklärung müsse folglich erkennen lassen, dass sich der Betroffene ernsthaft und vollständig von der Religi­o­ns­ge­mein­schaft lossagen wolle. Wer, wie der Kirchenrechtler, von sich aus den Kirchenaustritt auf die „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ beschränke, aber gleichwohl in einer auch für den Staat erkennbaren Weise aktives Mitglied seiner Kirche bleiben wolle, erfülle die Anforderungen des Gesetzes nicht.

Möglichkeit eines bloßen „Kirchen­steu­er­austritts“ verstößt gegen Grundgesetz

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts hält der VGH daran fest, dass ein Kirchenaustritt unwirksam ist, der isoliert nur diejenigen Rechtsfolgen beseitigen will, die eine Kirchen­mit­glied­schaft im Bereich des staatlichen Rechts hat. Würde der Staat dem einzelnen Gläubigen die Möglichkeit eines bloßen „Kirchen­steu­er­austritts“ eröffnen, verstieße er gegen Art. 140 GG in Verbindung mit Artikel 137 Abs. 6 der Weimarer Reichs­ver­fassung. Danach sind diejenigen Religi­o­ns­ge­sell­schaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, dazu berechtigt, Kirchensteuern auf der Grundlage der staatlichen Steuerlisten zu erheben. Diese Gewährleistung steht einem reinen „Kirchen­steu­er­austritt“ entgegen.

Mögliche Kirchen­mit­glied­schaft ohne Kirchen­steu­er­pflicht ist innerkirchliche Angelegenheit

Von den staatlichen Gerichten nicht zu entscheiden ist die Frage, welche Folgerungen die Kirchen aus einer gegenüber den staatlichen Stellen abgegebenen Kirche­n­aus­tritts­er­klärung ziehen. Ob es, wie anlässlich des Verfahrens in der Öffentlichkeit diskutiert, eine Kirchen­mit­glied­schaft ohne Kirchen­steu­er­pflicht geben kann, ist allein eine innerkirchliche Angelegenheit, die hier im Fall der katholischen Kirche nach kanonischem Recht zu entscheiden ist.

Quelle: ra-online, VGH Baden-Württemberg

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