03.12.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil26.09.2012

Isolierter Austritt aus der Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts staats­kir­chen­rechtlich nicht möglichAbgegebene Erklärung bezieht sich nach objektivem Erklä­rungs­gehalt auf Austritt aus Glaubens­ge­mein­schaft der römisch-katholischen Kirche

Wer aufgrund staatlicher Vorschriften aus einer Religi­o­ns­ge­mein­schaft mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts austreten will, kann seine Erklärung nicht auf die Körperschaft des öffentlichen Rechts unter Verbleib in der Religi­o­ns­ge­mein­schaft als Glaubens­ge­mein­schaft beschränken. Dies hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht entschieden.

Der Beigeladene des zugrunde liegenden Falls, ein emeritierter Univer­si­täts­pro­fessor für katholisches Kirchenrecht, erklärte gegenüber dem Standesamt seines Wohnorts seinen Austritt aus der Religionsgemeinschaft, die er dabei mit den Worten bezeichnete "römisch-katholisch, Körperschaft des öffentlichen Rechts". Das Erzbistum Freiburg sah in den Worten "Körperschaft des öffentlichen Rechts" einen Zusatz, der zum Ausdruck bringen solle, dass der Beigeladene nur aus der Körperschaft des öffentlichen Rechts, nicht aber aus der römisch-katholischen Kirche austreten wolle. Weil das Erzbistum einen solchen Zusatz nach der einschlägigen Bestimmung des Kirchen­steu­er­ge­setzes Baden- Württemberg für unzulässig hielt, hat es beim Verwal­tungs­gericht Freiburg Klage gegen die Bescheinigung erhoben, durch die das Standesamt dem Beigeladenen den Austritt aus seiner Religi­o­ns­ge­mein­schaft bestätigt hat. Das Verwal­tungs­gericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Erzbistums hat der Verwal­tungs­ge­richtshof Mannheim der Klage stattgegeben und die Bescheinigung aufgehoben.

Austritt aus der Körperschaft des öffentlichen Rechts bei gleichzeitigem Verbleib in der Glaubens­ge­mein­schaft nicht möglich

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat auf die Revision des Beigeladenen das die Klage abweisende Urteil des Verwal­tungs­ge­richts wieder­her­ge­stellt. Mit der Mitgliedschaft in einer Religi­o­ns­ge­mein­schaft mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, wie der römisch-katholischen Kirche, sind über die Wirkungen im Bereich der Religi­o­ns­ge­mein­schaft hinaus auch Rechtsfolgen im staatlichen Bereich verbunden, beispielsweise die Kirchen­steu­er­pflicht. Die im Grundgesetz garantierte Glaubens­freiheit umfasst auch die Freiheit, keinen Glauben zu haben und einer Religi­o­ns­ge­mein­schaft fernzubleiben. Deshalb darf der Staat mit solchen Rechtsfolgen nur an eine Mitgliedschaft in der Religi­o­ns­ge­mein­schaft anknüpfen, die freiwillig begründet wurde und noch freiwillig fortbesteht. Staatliche Vorschriften über den Austritt aus einer Religi­o­ns­ge­mein­schaft sichern diesen Aspekt der Glaubens­freiheit. Die Auslegung solcher Vorschriften muss einerseits gewährleisten, dass jemand durch Abgabe einer entsprechend eindeutigen Erklärung seine Mitgliedschaft in einer Religi­o­ns­ge­mein­schaft aufgeben kann und dieser Austritt die Wirkungen beseitigt, die nach staatlichem Recht mit der Mitgliedschaft in der Religi­o­ns­ge­mein­schaft verknüpft sind. Die Auslegung dieser Austritts­vor­schriften muss andererseits sicherstellen, dass die ebenfalls verfas­sungs­rechtlich verbürgten Körper­schafts­rechte der Religi­o­ns­ge­mein­schaft, die an die Mitgliedschaft in ihr anknüpfen, nicht stärker beschränkt werden, als es zur Gewährleistung der (negativen) Glaubens­freiheit des Einzelnen erforderlich ist. Danach muss sich die Erklärung des Austritts­willigen auf seine Mitgliedschaft in der Religi­o­ns­ge­mein­schaft beziehen und die Aufgabe der Zugehörigkeit zu ihr zum Gegenstand haben. Unzulässig ist eine Erklärung, die selbst oder durch Zusätze den Willen zum Ausdruck bringt, nur die mit der Mitgliedschaft verbundenen Wirkungen im staatlichen Bereich zu beseitigen, also aus der Religi­o­ns­ge­mein­schaft in ihrer rechtlichen Gestalt einer Körperschaft des öffentlichen Rechts auszutreten, in der Glaubens­ge­mein­schaft selbst aber zu verbleiben. Soll die Mitgliedschaft nach der abgegebenen Erklärung freiwillig fortdauern, wird von der negativen Glaubens­freiheit nicht Gebrauch gemacht. Deshalb kann dort der Schutz des Staates nicht eingreifen und das Selbst­be­stim­mungsrecht der Religi­o­ns­ge­mein­schaft nicht beschränken.

Ausschließlich Abgabe der Erklärung des Austritts­willigen vor zuständiger staatlicher Stelle in formalisiertem staatlichen Austritts­ver­fahren entscheidend

Abweichend von der Auffassung des Verwal­tungs­ge­richtshofs hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht aber entschieden, dass es in dem formalisierten staatlichen Austritts­ver­fahren nur auf die Erklärung ankommt, die der Austritts­willige vor der zuständigen staatlichen Stelle, in Baden-Württemberg dem Standesbeamten, abgegeben hat. Hingegen dürfen nicht weitere äußere, sie begleitende Umstände herangezogen werden, namentlich nicht andere Äußerungen, die der Austritts­willige im zeitlichen Umfeld seines Austritts gegenüber Dritten, der Öffentlichkeit oder seiner Religi­o­ns­ge­mein­schaft über die Motive und Vorstellungen gemacht hat, die er mit seiner Erklärung verbindet.

Mit Erklärung gegenüber dem Standesbeamten wurde Austritt aus der römisch-katholischen Kirche erklärt

Hiervon ausgehend ist das Bundes­ver­wal­tungs­gericht zu der Auffassung gelangt, dass der Beigeladene mit seiner Erklärung gegenüber dem Standesbeamten seinen Austritt aus der römisch-katholischen Kirche erklärt und sich auf diese Erklärung beschränkt hat. Die Worte "Körperschaft des öffentlichen Rechts" in der Erklärung des Beigeladenen sind ein zwar nicht notwendiger, aber auch nicht schädlicher Teil der Bezeichnung für die Religi­o­ns­ge­mein­schaft, aus der der Beigeladene ausgetreten ist. Die Erklärung bezieht sich nach ihrem objektiven Erklä­rungs­gehalt nicht auf eine von der Glaubens­ge­mein­schaft getrennte Körperschaft des öffentlichen Rechts, sondern auf die Glaubens­ge­mein­schaft der römisch-katholischen Kirche in der Form, wie sie im Geltungsbereich des Kirchen­steu­er­ge­setzes besteht.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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