15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen eine Reihe mit gelben Aktenordnern, die mit Barcodes markiert sind.

Dokument-Nr. 9855

Drucken
ergänzende Informationen

Verwaltungsgericht Trier Urteil16.06.2010

Streichen des Klassenraums: Eltern haben keinen Anspruch auf Einschreiten der SchulaufsichtLand muss Unter­richts­stunde von 45 Minuten und Renovierung des Klassenraums nicht garantieren

Eltern von Schülern können vom Land weder aufgrund des grundgesetzlich garantierten Elternrechts noch aufgrund des Rechts auf Bildung verlangen, dass der Zeitraum einer Unter­richts­stunde von 45 Minuten mit der Anwesenheit einer Lehrkraft gewährleistet wird und dafür Sorge getragen wird, dass der Klassenraum gestrichen wird. Dies hat das Verwal­tungs­gericht Trier entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall klagten die Eltern einer Schülerin des Peter-Wust-Gymnasiums. Das Peter-Wust-Gymnasium ist als zweizügiges Gymnasium für ca. 350 Schüler errichtet. Seit der Einschulung der Tochter der Kläger ist es mit 900 bis 960 Schülern besetzt. Weil weder die Klassen noch die Fachräume ausreichten, hat man der Schule zunächst ein daneben­ste­hendes ehemaliges Waisenhaus als Schulraum zur Verfügung gestellt. Aufgrund der Baufälligkeit dieses Gebäudes befinden sich ca. 550 Schüler und Schülerinnen des Gymnasiums der Klassenstufen fünf bis neun am Schulstandort in Wittlich-Wengerohr seit November 2009 im Gebäude einer ehemaligen Dualen Oberschule (DOS). Die Eltern beanstandeten, dass das Gebäude nicht für ein Gymnasium ausgestattet sei und folglich kein Unterricht nach gymnasialem Standard stattfinde. Ferner ergeben sich Verzögerungen des Unter­richts­beginns, da die Lehrer zwischen der Außenstelle und dem Gymnasium hin und her pendeln müssen. Die Zeit von 45 Minuten pro Unter­richts­stunde wird dadurch nicht eingehalten. Letztlich verlangten die Eltern mit ihrer Klage, die Herstellung eines gepflegten Schulgebäudes mit angemessenem Raumangebot und einen in ihren Augen nötigen Innenstrich.

Staat kommt im Bereich des Schulwesens umfassendes Organisations- und Planungsrecht zu

Die Klage blieb vor dem Verwal­tungs­gericht Trier erfolglos. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass dem Staat im Bereich des Schulwesens ein umfassendes Organisations- und Planungsrecht zukomme. Dieser staatliche Gestal­tungs­bereich sei der elterlichen Bestimmung grundsätzlich entzogen und auch die Grundrechte der Schüler stünden unter diesem Vorbehalt. Die Befugnisse des Staats bei der Planung, Gestaltung und Organisation seien erst dort überschritten, mit der Folge, dass entsprechende Rechtsansprüche geltend gemacht werden könnten, wo eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleich­be­handlung vorliege oder aber die Grund­rechts­po­si­tionen der betroffenen Eltern und Schüler in unver­hält­nis­mäßiger Weise eingeschränkt würden. Beides sei jedoch im Falle des Peter-Wust-Gymnasiums nicht der Fall.

Räumliche Situation der Schule nicht unzumutbar – Grenzen im Bereich der Gesund­heits­ge­fährdung nicht überschritten

Bei dem auf Streichen des Klassenraums gerichteten Begehren sei weder eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleich­be­handlung feststellbar noch stelle sich die räumliche Situation als unzumutbar dar. Die Grenze sei insoweit im Bereich der Gesund­heits­ge­fährdung anzusiedeln, die vorliegend indes nicht überschritten sei. Anstreich­a­r­beiten zählten zu den so genannten Schönheitsreparaturen und seien schon von daher kein geeignetes Mittel zur Beseitigung gesund­heits­ge­fähr­dender Zustände. Die im privaten Mietrecht entwickelten Grundsätze zu zeitlichen Abständen von Schön­heits­re­pa­raturen seien in Anbetracht des staatlichen Planungs- und Gestal­tungs­spielraums, der sich aufgrund der nur begrenzt verfügbaren öffentlichen Mittel selbst­ver­ständlich auch an den finanziellen Möglichkeiten orientieren dürfe, auf den Bereich des Schulwesens nicht übertragbar. Schon von daher sei eine wie von den Klägern begehrte Muste­rent­scheidung des Gerichts, dass Klassenräume in bestimmten zeitlichen Abständen zu streichen seien, nicht denkbar.

Räumliche Trennung und kürzere Unter­richts­s­tunden stellen keine unzumutbare Belastung oder Ungleich­be­handlung dar

Den Klägern stehe auch kein Anspruch darauf zu, dass der Beklagte die ihrer Meinung nach zu fordernden Maßnahmen ergreift, um zu gewährleisten, dass die Unter­richts­s­tunden für den Zeitraum von 45 Minuten mit einer Lehrkraft besetzt sind. Zwar komme es am Peter-Wust-Gymnasium – bedingt durch das Pendeln von Lehrern und Schülern – derzeit im Vergleich zu anderen Gymnasien unstreitig zu Verkürzungen von Unter­richts­s­tunden. Diese Ungleich­be­handlung finde ihre sachliche Rechtfertigung jedoch in der schul­or­ga­ni­sa­to­rischen Maßnahme der Dislozierung, die als planerische Abwägungs­ent­scheidung rechtlich nicht zu beanstanden sei, weil sie unter Berück­sich­tigung aller abwägungs­re­le­vanter Belange getroffen worden sei. Auch die längerfristigen Folgewirkungen der Dislozierung führten zu keiner unzumutbaren Rechts­be­ein­träch­tigung. Von einer unzumutbaren Belastung könne insoweit nur ausgegangen werden, wenn den zunächst nicht vermeidbaren negativen Folgewirkungen der Dislozierung nicht mit angemessenen Mitteln entge­gen­ge­treten würde, mithin eine Untätigkeit des Beklagten zu verzeichnen wäre. In Anbetracht der seit November 2009 bereits umgesetzten Maßnahmen zur Beseitigung der negativen Auswirkungen und der für das nächste Schuljahr geplanten organi­sa­to­rischen Änderungen im Schulbetrieb (Blockunterricht, zwei große Pausen, eine weitere Lehrerstelle) könne von einer Untätigkeit indes keine Rede sein. Einen weitergehenden Anspruch darauf, dass der Beklagte ganz bestimmte Maßnahmen zur Beseitigung der negativen Folgen der Dislozierung ergreift, wie die von den Klägern geforderten vier Lehrerstellen und der beschleunigte Fortgang des Umbaus am Hauptstandort, stehe diesen in Anbetracht des staatlichen Gestal­tungs­be­reichs im Schulwesen nicht zu.

Quelle: ra-online, Verwaltungsgericht Trier

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil9855

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI