12.12.2024
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Dokument-Nr. 33975

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Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil07.05.2024

Bahn muss Mehrkosten von Stuttgart 21 alleine tragenDas Urteil ist noch nicht rechtskräftig

Das Verwal­tungs­gericht Stuttgart hat vier Klagen der Deutschen Bahn AG und zwei bahneigener Gesellschaften (im Folgenden: Eisenbahn­infrastruktur­unternehmen) gegen das Land Baden-Württemberg, die Landes­hauptstadt Stuttgart, den Verband Region Stuttgart und die Flughafen Stuttgart GmbH abgewiesen.

Im Jahr 2009 schlossen die Deutsche Bahn AG sowie die Eisen­bah­nin­fra­s­truk­tur­un­ter­nehmen mit den Beklagten einen Finanzierungsvertrag für das Projekt „Stuttgart 21“ ab. In § 6 dieses Finan­zie­rungs­ver­trages wurden die damals prognos­ti­zierten Gesamtkosten von ca. 3,1 Mrd. Euro auf die Vertrags­parteien verteilt. In § 8 Abs. 3 ist geregelt, wie Mehrkosten bis zu einem Betrag von ca. 4,5 Mrd. Euro von den Vertrags­parteien zu tragen sind. Für darüber hinausgehende Kosten­stei­ge­rungen enthält der Vertrag keine ausdrückliche Vertei­lungs­re­gelung. § 8 Abs. 4 Satz 1 sieht lediglich vor, dass im Falle „weiterer Kosten­stei­ge­rungen“ die Eisen­bah­nin­fra­s­truk­tur­un­ter­nehmen und das Land Baden-Württemberg Gespräche aufnehmen (im Folgenden: „Sprechklausel“). Die Klägerinnen begehren mit ihren Klagen im Wesentlichen, dass sich die Beklagten an weiteren Kosten­stei­ge­rungen für das Projekt „Stuttgart 21“ bis zu einer Höhe von ca. 11,8 Mrd. Euro beteiligen.

Finan­zie­rungs­vertrag begründet keinen Anspruch

Das VG hat die Klagen in vollem Umfang abgewiesen. Sie ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerinnen keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Übernahme weiterer Finan­zie­rungs­beiträge für Mehrkosten des Projekts „Stuttgart 21“ haben. Ein solcher Anspruch kann nach den Grundsätzen der Vertrags­aus­legung insbesondere nicht auf die „Sprechklausel“ des § 8 Abs. 4 des Finan­zie­rungs­ver­trages gestützt werden. Die Kammer ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Vertrags­parteien mit der „Sprechklausel“ keine verbindliche Regelung für die Vereinbarung weiterer Finan­zie­rungs­beiträge im Wege der Fortschreibung des Finan­zie­rungs­ver­trages treffen wollten. Der Wortlaut dieser Regelung verlangt die Aufnahme von Gesprächen, ohne dass hieraus eine Verhand­lungs­pflicht oder gar ein Anspruch auf Vertragsanpassung abgeleitet werden kann. Auch sei nach der Rechtsnatur des Vertrags als öffentlich-rechtlicher Subven­ti­o­ns­vertrag nicht von einer gemeinsamen Finan­zie­rungs­ver­ant­wortung auszugehen. Der geltend gemachte Anspruch lässt sich auch nicht im Wege der ergänzenden Vertrags­aus­legung herleiten. Denn diese setzt voraus, dass der Finan­zie­rungs­vertrag eine planwidrige Regelungslücke aufweist. Eine solche fehlt aber im Finan­zie­rungs­vertrag, denn im Zeitpunkt des Vertrags­schlusses hatten die Vertrags­parteien nicht die Absicht, mit dem Finan­zie­rungs­vertrag die Verteilung sämtlicher möglicher Mehrkosten vollständig zu regeln.

Auch keinen Anspruch auf Vertrags­an­passung

Eine Ergänzung des Finan­zie­rungs­vertrags um weitere Regelungen zur Mehrkos­ten­ver­teilung kann auch nicht im Wege einer Vertrags­an­passung nach § 60 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG verlangt werden. Denn eine Vertrags­an­passung nach dieser gesetzlichen Vorschrift würde neben einer Regelungslücke einen nachträglichen Wegfall von tatsächlichen Umständen oder rechtliche Bedingungen voraussetzen, die von den Vertrags­parteien zwar nicht zum Vertragsinhalt gemacht worden sind, deren Bestand für die Vertrags­parteien bei Vertragsschluss jedoch so maßgeblich gewesen ist, dass diesen ein Festhalten an dem Vertrag in seiner ursprünglichen Fassung nach dem Wegfall dieser Umstände nicht mehr zugemutet werden kann. Weitere Kosten­stei­ge­rungen über den Betrag von ca. 4,5 Mrd. Euro hinaus haben die Vertrags­parteien jedoch bereits bei Vertragsschluss für möglich gehalten, lediglich über die Verteilung solcher weiteren Mehrkosten ist bei Vertragsschluss keine Einigung erzielt worden. Nach alledem besteht der von den Klägerinnen im Kern verfolgte Anspruch auf Vertrags­an­passung bereits dem Grunde nach nicht, weil es hierfür weder eine vertragliche noch eine gesetzliche Anspruchs­grundlage gibt. Die zwischen den Beteiligten streitige Folgefrage, ob einem bestehenden Vertrags­er­gän­zungs­an­spruch von den Beklagten mit Erfolg die Einrede der Verjährung entge­gen­ge­halten werden könnte, kann daher dahinstehen, weshalb es auch keiner Beweisaufnahme hierzu mehr bedurfte.

Quelle: Verwaltungsgericht Stuttgart, ra-online (pm/ab)

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