21.11.2024
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Verwaltungsgericht Stuttgart Beschluss12.01.2022

Baden-Württemberg: Verwal­tungs­gericht Stuttgart kippt "Spaziergang"-Verbot in Bad MergentheimEilantrag gegen Verbot von Corona-„Spaziergängen“ in Bad Mergentheim erfolgreich

Das Verwal­tungs­gericht Stuttgart hat dem Antrag eines Bürgers (Antragsteller) stattgegeben, der sich gegen ein durch Allge­mein­ver­fügung der Stadt Bad Mergentheim (Antragsgegnerin) erlassenes Verbot nicht angemeldeter Versammlungen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen gewandt hatte.

Die Antragsgegnerin hatte mit sofort vollziehbarer Allge­mein­ver­fügung vom 21. Dezember 2021 alle mit generellen Aufrufen zu „Montags­spa­zier­gängen“ oder „Spaziergängen“ in Zusammenhang stehenden, nicht angezeigten und nicht behördlich bestätigten Versammlungen und Ersatz­ver­samm­lungen im Stadtgebiet, unabhängig vom Wochentag und unabhängig davon, ob einmalig oder wiederkehrend stattfindend, untersagt und bei Zuwiderhandlung unmittelbaren Zwang angedroht.

Stadt stützt Verbot auf das Versamm­lungs­gesetz

Sie stützte das Verbot auf das Versamm­lungs­gesetz und führte zur Begründung aus, dass es sich bei den sog. Corona-„Spaziergängen“ um gegen die Corona-Schutzmaßnahmen gerichtete Versammlungen handele, die nicht entsprechend dem Versamm­lungs­gesetz angemeldet worden seien und von denen Infek­ti­o­ns­ge­fahren ausgingen, die nicht gering oder vernach­läs­sigbar seien. Es sei insbesondere zu erwarten, dass die erforderlichen Mindestabstände nicht eingehalten würden und keine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werde. Die gezielte Umgehung von rechtlichen Vorgaben sei nicht schutzwürdig, weshalb das Versamm­lungs­verbot als ultima ratio zum Zwecke des Infek­ti­o­ns­schutzes ergehen könne.

Richter: Aller Voraussicht nach ist die Allge­mein­ver­fügung rechtswidrig

Gegen diese Allge­mein­ver­fügung hatte der Antragsteller Widerspruch erhoben und beim Verwal­tungs­gericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs beantragt.

Zur Begründung ihrer Entscheidung hat die 1. Kammer ausgeführt, dass die Allge­mein­ver­fügung aller Voraussicht nach deshalb rechtswidrig sei, weil das präventive Versamm­lungs­verbot nicht den verfas­sungs­recht­lichen Vorgaben der Versamm­lungs­freiheit genüge. Deren Schutz unterfielen auch nicht angemeldete Versammlungen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen. Der bloße Verstoß gegen die Anmeldepflicht stelle, auch wenn er planmäßig begangen worden sei, noch keine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Sinne des Versamm­lungs­rechts dar. Soweit die Antragsgegnerin den legitimen Zweck verfolge, Dritte vor Gesund­heits­ge­fahren durch die Verbreitung von COVID-19 zu schützen, fehle es auch mit Blick auf das aktuelle Infek­ti­o­ns­ge­schehen an einer tragfähigen Gefah­ren­prognose, die gestützt auf tatsächliche Anhaltspunkte für das Stadtgebiet von Bad Mergentheim eine hinreichende Wahrschein­lichkeit des Schaden­s­ein­tritts begründe. Darüber hinaus habe die Antragsgegnerin sich nur unzureichend mit milderen Mitteln als dem Versamm­lungs­verbot ausein­an­der­gesetzt, etwa einer durch Allge­mein­ver­fügung angeordneten Verpflichtung zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen bei sämtlichen Versammlungen im Stadtgebiet, das heißt auch solchen, die nicht angemeldet werden. Schließlich werde durch die Allge­mein­ver­fügung auch die Versamm­lungs­freiheit von Versamm­lungs­teil­nehmern beschränkt, die nicht die Absicht hätten, gewalttätig zu werden oder gegen die Vorgaben zur Einhaltung von Minde­stab­s­tänden und zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung zu verstoßen. Ein präventives Verbot sämtlicher unangemeldeter Versammlungen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen wäre deshalb nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstands zulässig, deren Vorliegen die Antragsgegnerin nicht dargelegt habe.

Der Beschluss gilt unmittelbar nur zugunsten des Antragstellers.

Quelle: Verwaltungsgericht Stuttgart, ra-online (pm/pt)

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