Verwaltungsgericht Osnabrück Beschluss31.05.2016
Polizeibeamter hat Anspruch auf Sonderurlaub für Aufnahme seiner Tochter in KinderhospizZweifel des Arbeitgebers an tatsächlich begrenzter Lebensdauer der Tochter unvertretbar und zynisch
Das Verwaltungsgericht Osnabrück hat die Polizeidirektion Osnabrück einstweilig verpflichtet, einem Polizeibeamten Sonderurlaub für die Aufnahme seiner Tochter in ein Kinderhospiz zu gewähren.
Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die 25-jährige Tochter leidet an einer angeborenen und unheilbaren Stoffwechselkrankheit und ist mit einem Grad der Behinderung von 100 als Schwerbehinderte anerkannt. Sie kann nicht mehr sprechen, ist auf den Rollstuhl angewiesen und der höchsten Pflegestufe zugeordnet. Nachdem die Polizeidirektion dem Antragsteller über Jahre wiederholt Sonderurlaub für die Begleitung bei Hospizaufenthalten gewährt hatte, lehnte sie dessen Bewilligung nun ab. Zur Begründung gab sie an: Der Umstand, dass dem Antragsteller seit zehn Jahren für die Begleitung seiner Tochter wiederholt Sonderurlaub gewährt worden sei, lasse - weil dessen Tochter noch am Leben sei - begründete Zweifel daran zu, dass eine begrenzte Lebensdauer von wenigen Monaten zu erwarten sei.
Lebenserwartung der Tochter ist als begrenzt anzusehen
Dagegen richtete sich der vorläufige Rechtsschutzantrag, mit dem der Antragsteller die Bescheinigung des Chefarztes eines Klinikums vorlegte, wonach das Gesamtkrankheitsbild als palliative Situation einzuschätzen sei, die Krankheit sich in einem sehr weit fortgeschrittenen Stadium befinde und die Lebenserwartung mit Sicherheit als sehr begrenzt anzusehen sei. Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangt der behandelnde Internist in einer ebenfalls überreichten Bescheinigung. Die Polizeidirektion ist dem mit dem Hinweis darauf entgegengetreten, dass nunmehr die allgemeine Personalknappheit und die verstärkt wahrnehmbaren Aufgabenverdichtungen in den Fokus der Entscheidung gerückt seien.
Voraussetzung für Sonderurlaubsgewährung gegeben
Das Verwaltungsgericht Osnabrück hat zur Begründung seiner stattgebenden Entscheidung ausgeführt, dass für das Gericht aufgrund der ärztlichen Atteste feststehe, dass die Voraussetzung für die Sonderurlaubsgewährung - dass das Kind nach ärztlichem Zeugnis an einer Erkrankung leide, die eine begrenzte Lebensdauer von wenigen Monaten erwarten lasse - gegeben sei. Die Sichtweise in dem angefochtenen Bescheid, dass aus der Gewährung von Sonderurlaub seit zehn Jahren unter gleichen Voraussetzungen ohne Versterben der Tochter des Antragstellers folge, dass keine begrenzte Lebensdauer von wenigen Monaten zu erwarten sei, sei unvertretbar, wenn nicht sogar zynisch. Zu Ende gedacht würde diese Sichtweise bedeuten, dass ein mehr oder weniger glücklicher oder zufälliger Verlauf der Erkrankung in der Vergangenheit an die Stelle der ärztlichen Prognoseeinschätzung treten würde.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 02.06.2016
Quelle: Verwaltungsgericht Osnabrück/ra-online