Dokument-Nr. 16292
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Verwaltungsgericht Neustadt Beschluss25.06.2013
Eilanträge privater Entsorgungsbetriebe gegen Untersagung gewerblicher Altkleidersammlungen erfolgreichPrivater Betrieb darf sich bei unternehmerischer Tätigkeit auf grundgesetzlich geschützte Berufsfreiheit berufen
Zwei gewerbliche Entsorgungsunternehmen dürfen im Stadtgebiet von Kaiserslautern vorerst weiter Altkleidersammlungen durch Aufstellen von Sammelcontainern durchführen. Dies entschied das Verwaltungsgericht Neustadt in zwei Eilverfahren. Das Gericht entschied, dass sich die Unternehmen, die seit mehr als zehn Jahren gewerbliche Sammlungen von Altkleidern, Textilien und Schuhen durchführen, für diese unternehmerische Tätigkeit auf die grundgesetzlich geschützte Berufsfreiheit und den Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs berufen können.
Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Stadt Kaiserslautern sammelt seit vielen Jahren auf mehreren Wertstoff- und Recyclinghöfen im Bringsystem Altkleider, Textilien und Schuhe. Seit Januar 2013 holt der Entsorgungsbetrieb der Stadt die genannten Gegenstände auf Antrag der Bewohner auch ab. Auch beim Wertstoff- und Recyclinghof der "Zentrale Abfallwirtschaft Kaiserslautern" (ZAK) können Altkleider, Textilien und Schuhe abgegeben werden. Darüber hinaus führen zwei Firmen seit 1996 bzw. 1997 im Stadtgebiet von Kaiserslautern eine gewerbliche Sammlung von Altkleidern, Textilien und Schuhen durch. Nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz ist die gewerbliche Sammlung zulässig, wenn die Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet werden und der Sammlung "überwiegende öffentliche Interessen nicht entgegenstehen". Die Kontrolle der gewerblichen Sammlung wird durch ein neues mit Wirkung vom 1. Juni 2012 eingeführtes Anzeigeverfahren sichergestellt. Danach sind gewerbliche Sammlungen drei Monate vor Aufnahme ihrer Tätigkeit der zuständigen Behörde anzuzeigen.
Stadt sieht durch Sammlung privater Betriebe Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gefährdet
Die beiden Entsorgungsunternehmen zeigten im Juli bzw. August 2012 ihre gewerbliche Sammlung von Altkleidern, Textilien und Schuhen bei der Stadt Kaiserslautern an. Diese untersagte den zwei Firmen im April 2013 mit sofortiger Wirkung, im Stadtgebiet von Kaiserslautern gewerblich Altkleider, Textilien und Schuhe im Wege der Sack- und Containersammlung zu sammeln und gab ihnen auf, die aufgestellten Container unverzüglich zu entfernen. Zur Begründung führte die Stadt Kaiserslautern aus, durch die Sammlung der Antragsteller werde die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gefährdet. Die Stadt gewährleiste mit ihrem Hol- und Bringsystem eine Versorgung aller Haushalte in allen Stadtteilen und an verschiedenen Standorten. Dies stelle eine haushaltsnahe Erfassung und Verwertung der Abfälle dar. Mithin stünden überwiegende öffentliche Interessen der Sammlung der beiden Firmen entgegen. Eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers ergebe sich auch daraus, dass durch die gewerbliche Sammlung die Stabilität der Abfallbeseitigungsgebühren gefährdet werde.
Gericht äußert Zweifel an Vereinbarkeit der neuen Bestimmungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes mit Europarecht
Die beiden Firmen legten dagegen Widerspruch ein und suchten um vorläufigen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht Neustadt nach. Die Eilanträge hatten Erfolg. Zur Begründung führte das Gericht im Wesentlichen aus, dass derzeitig offen sei, ob das von der Antragsgegnerin begründete Verbot aller gewerblichen Sammlungen von Altkleidern, Textilien und Schuhen in ihrem Stadtgebiet in einem Klageverfahren einer rechtlichen Überprüfung standhalte. Die Auslegung der entscheidungserheblichen, zum 1. Juni 2012 in Kraft getretenen Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes werfe zahlreiche grundsätzliche Rechtsfragen auf. Insbesondere sei fraglich, ob im Hinblick auf die berührte Warenverkehrs- und Wettbewerbsfreiheit die neuen Bestimmungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes mit Europarecht in Einklang stünden. Schließlich müsse geprüft werden, ob und wie im vorliegenden Fall Bestands- und Vertrauensschutzgesichtspunkte zu berücksichtigen seien. Die Beantwortung dieser grundsätzlichen Rechtsfragen müsse einer Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Überragendes öffentliches Interesse an sofortiger Untersagung der gewerblichen Sammlungen der Antragsteller nicht erkennbar
Angesichts der offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache spreche mehr für ein Überwiegen des privaten Aussetzungsinteresses. Die Antragsteller führten die gewerblichen Sammlungen von Altkleidern, Textilien und Schuhen im Stadtgebiet der Antragsgegnerin seit mehr als zehn Jahren durch. Sie könnten sich für diese unternehmerische Tätigkeit auf die grundgesetzlich geschützte Berufsfreiheit und den Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs berufen. Ein überragendes öffentliches Interesse, die gewerblichen Sammlungen der Antragsteller mit sofortiger Wirkung zu untersagen, könne das Gericht nicht erkennen. Da die Inanspruchnahme der Leistungen der Antragsteller für Besitzer von Altkleidern, Textilien und Schuhen freiwillig sei, bestehe für die Antragsgegnerin die Möglichkeit, die nachteiligen Folgen der Entsorgungstätigkeit der Antragsteller für die öffentlich-rechtliche Entsorgung organisatorisch und auch wirtschaftlich abzumildern. Dementsprechend habe der Entsorgungsbetrieb der Antragsgegnerin seit dem 1. Januar 2013 für Altkleider, Textilien und Schuhen zusätzlich ein Holsystem eingerichtet, wodurch das eigene Entsorgungssystem attraktiver gestaltet worden sei.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 16.07.2013
Quelle: Verwaltungsgericht Neustadt/ra-online
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