21.11.2024
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Dokument-Nr. 32657

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Verwaltungsgericht Neustadt Urteil26.01.2023

Pausenräume von Prostituierten dürfen vom Ordnungsamt betreten werdenWeder das Prostituierten­schutz­gesetz noch die Gewerbeordnung unterscheidet zwischen einem konzes­si­o­nierten und einem nicht konzes­si­o­nierten Bereich

Das Betreten von Pausenräumen für Prostituierte in einer Prosti­tu­ti­o­ns­stätte durch Mitarbeiter des Ordnungsamtes zu den üblichen Geschäftszeiten zum Zweck der Überwachung der Einhaltung der gewer­be­recht­lichen Vorschriften ist rechtlich zulässig. Das hat das Verwal­tungs­gericht Neustadt/Wstr. entschieden.

Die Klägerinnen betreiben eine Prosti­tu­ti­o­ns­stätte in Speyer, die neben zehn Arbeitszimmern zur Erbringung sexueller Dienst­leis­tungen, einem Lagerraum, drei Bädern und zwei Empfangsräumen auch einen mittels Vorhang und Tür abgetrennten und als "Privat" gekenn­zeichneten Sozialraum mit Küche und Wintergarten sowie 11 Ruheräume und ein großes Bad für die Prostituierten und sonstigen Beschäftigten umfasst. Bei einer Routi­ne­kon­trolle zur Überwachung der Einhaltung der gewer­be­recht­lichen Vorschriften am 13. Juni 2022 betraten Mitarbeiter der beklagten Stadt Speyer auch diese als "Privat" gekenn­zeichneten Räumlichkeiten, wobei zwischen den Beteiligten streitig ist, ob dies mit Erlaubnis einer Mitarbeiterin der Klägerinnen geschah. Dies halten die Klägerinnen für rechtswidrig, da die Beklagte bei den Kontrollen im Rahmen ihrer Überwa­chungs­pflichten auf den "konzes­si­o­nierten Bereich", d.h. den auch für Kunden zugänglichen Bereich, in dem sexuelle Dienst­leis­tungen erbracht werden, beschränkt sei. Das Betreten der als "Privat" gekenn­zeichneten Räumlichkeiten stelle indes eine Verletzung ihres Grundrechts auf Unver­letz­lichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 Grundgesetz dar. Dem trat die Beklagte insbesondere unter Berufung auf die seitens einer Mitarbeiterin der Klägerin erteilte Erlaubnis zum Betreten der Räumlichkeiten entgegen.

Keine Unterscheidung zwischen "Privatbereich" und Geschäfts­bereich

Das VG wies die Klage ab. Auch Aufenthalts- und Ruheräume für Prostituierte und sonstige Beschäftigte stellten Geschäftsräume dar, zu deren Betreten die Beklagte im Rahmen ihrer Überwa­chungs­pflichten berechtigt sei. Geschäftsräume seien nicht nur öffentlich bzw. für Kunden zugängliche Räume, sondern alle abgeschlossenen Räumlichkeiten, die jedenfalls überwiegend und für eine gewisse Dauer für gewerbliche, wissen­schaftliche, künstlerische und ähnliche, nicht notwendig auf Erwerb gerichtete Geschäfte benutzt würden. Dafür, dass darunter auch die als "Privat" gekenn­zeichneten Räumlichkeiten der Klägerinnen zu fassen seien, spreche bereits der Umstand, dass schon die Erlaubnis zum Betrieb der Prosti­tu­ti­o­ns­stätte auf den Grundrissplan des Betriebs verweise und dabei keine Unterscheidung zwischen einem "Privatbereich" und einem Geschäfts­bereich treffe. Auch kenne weder das Prostituiertenschutzgesetz noch die Gewerbeordnung einen Unterschied zwischen einem konzes­si­o­nierten und einem nicht konzes­si­o­nierten Bereich. Darüber hinaus sei die Vorhaltung von Ruheräumen zum Betrieb einer Prosti­tu­ti­o­ns­stätte verpflichtend und bei dem Antrag auf Erlaub­ni­s­er­teilung nachzuweisen.

Kontroll­be­hörden durften Räume zum Zweck der Überwachung betreten

Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Mitarbeiter der Beklagten diese Räumlichkeiten zu einem anderen Zweck als dem der gewer­be­recht­lichen Überwachung betreten hätten. Vor diesem Hintergrund stelle das Betreten der Räume der Prosti­tu­ti­o­ns­stätte auch keinen Eingriff in das Recht auf Unver­letz­lichkeit der Wohnung dar. Zwar unterfielen auch reine Betriebs- und Geschäftsräume diesem Grundrecht, ein - grundsätzlich dem Richter­vor­behalt unterliegender - Eingriff liege aber dann nicht vor, wenn Kontroll­be­hörden diese auf Grundlage einer konkreten Ermäch­ti­gungs­grundlage zu den üblichen Geschäftszeiten lediglich zu dem Zweck der Überwachung betreten würden. Gegen das Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Antrag auf Zulassung der Berufung zum Oberver­wal­tungs­gericht Rheinland-Pfalz eingelegt werden.

Quelle: Verwaltungsgericht Neustadt, ra-online (pm/ab)

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