21.11.2024
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Verwaltungsgericht Neustadt Beschluss08.03.2016

Entziehung der Fahrerlaubnis nach Luftge­wehr­schuss auf einen Schüler und negativem medizinisch-psychologischen Gutachten rechtmäßigForschungs­ergebnisse belegen engen Zusammenhang zwischen allgemein-straf­recht­lichen Delikten, Aggressivität und Verkehrs­auffälligkeiten

Das Verwal­tungs­gericht Neustadt hat entschieden, dass der Landkreis Germersheim einem Kreisbewohner, der mit einem Druckgasgewehr auf einen Schüler gezielt und diesen verletzt hatte, zu Recht die Fahrerlaubnis entzogen hat, nachdem das von dem Fahr­erlaubnis­inhaber geforderte medizinisch-psychologische Gutachten zu einem negativen Ergebnis kam.

Der 1990 geborene Antragsteller des zugrunde liegenden Verfahrens ist seit 2012 im Besitz der Fahrerlaubnis der Klassen A und B. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Bruchsal vom 31. März 2015 wurde der Antragsteller wegen gefährlicher Körper­ver­letzung, vorsätzlichen unerlaubten Besitzes und Führens einer Schusswaffe zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Am 10. Juli 2014 um die Mittagszeit hatte der Antragsteller in Bruchsal ohne erforderliche waffen­rechtliche Erlaubnis ein Druckgasgewehr im Besitz. Durch ein offen stehendes Wohnzim­mer­fenster zielte er mit dem C02-Gewehr auf eine ca. 40 m entfernte, auf dem Schulhof einer Schule stehende Schülergruppe und äußerte: "Das wäre ein guter Kopftreffer". Sodann drückte er den Abzug des Gewehrs und schoss auf einen 13-jährigen, mit dem Rücken zum Antragsteller stehenden Schüler. Das Geschoss traf den Geschädigten leicht links versetzt im oberen Schulterbereich. Der Schüler erlitt hierbei ein Hämatom.

TÜV Süd verneint Fahreignung nach medizinisch-psychologischem Gutachten

Der damals für den Antragsteller zuständige Landkreis Karlsruhe forderte ihn nach Rechtskraft des Strafbefehls auf, zur Klärung seiner Fahreignung ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen. Der TÜV Süd kam in seinem Gutachten vom 21. Dezember 2015 zu dem Schluss, dass im Zusammenhang mit der straf­recht­lichen Auffälligkeit des Antragstellers mit Anhaltspunkten für ein hohes Aggres­si­ons­po­tential zu erwarten sei, dass der Antragsteller zukünftig erheblich oder wiederholt gegen verkehrs­rechtliche/strafrechtliche Bestimmungen verstoßen werde.

Landkreis entzieht Fahrerlaubnis

Daraufhin entzog der Landkreis Germersheim, in dessen Zustän­dig­keits­bereich der Antragsteller inzwischen umgezogen war, diesem mit Bescheid vom 17. Februar 2016 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis.

Antragsteller sieht keinen Zusammenhang zwischen Verfehlungen aus Strafbefehl und möglichem künftigen Fehlverhalten im Straßenverkehr

Der Antragsteller legte dagegen Widerspruch ein und suchte um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nach. Zur Begründung führte er aus, das zu Unrecht angeforderte Gutachten des TÜV Süd setze sich nicht ausreichend mit der für die vorliegende Entscheidung wichtigen Fragestellung auseinander, ob seine aus dem Strafbefehl ersichtliche Verfehlung, die keinen Bezug zum Straßenverkehr gehabt habe, auf ein Fehlverhalten im Straßenverkehr schließen lasse. Tatsächlich habe er sich zu keinem Zeitpunkt und in keinem Fall eines wie auch immer gearteten Fehlverhaltens im Straßenverkehr schuldig gemacht. Daraus lasse sich ohne Weiteres der Umkehrschluss ziehen, dass er, der Antragsteller, sich in keiner Weise im Straßenverkehr in irgendeiner Form ungesteuert und/oder ungeregelt verhalten werde.

VG erklärt Entziehung der Fahrerlaubnis für offensichtlich rechtmäßig

Das Verwal­tungs­gericht Neustadt hat den Eilantrag abgelehnt. Zur Begründung führten die Richter aus, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis offensichtlich rechtmäßig sei. Der Antragsteller könne sich nicht darauf berufen, dass die Anordnung des früher zuständig gewesenen Landkreises Karlsruhe, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, zu Unrecht ergangen sei. Werde das von einer Fahrer­laub­nis­behörde verlangte Gutachten erstellt und vorgelegt - wie hier geschehen -, so sei mit der Vorlage des Gutachtens eine neue Tatsache gegeben, der selbständige Bedeutung zukomme und deren Verwertbarkeit nicht von der Rechtmäßigkeit der behördlichen Anordnung abhänge.

Gefähr­dungs­risiko im Straßenverkehr steigt mit Anzahl allgemein-straf­recht­licher Delikte

Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit des Gutachtens seien nicht zu erkennen. Der Gutachter habe darin ausgeführt, dass Forschungs­er­gebnisse einen engen Zusammenhang zwischen allgemein-straf­recht­lichen Delikten, Aggressivität und Verkehr­s­auf­fäl­lig­keiten belegten. Das Gefähr­dungs­risiko im Straßenverkehr steige mit der Anzahl allgemein-straf­recht­licher Delikte. Personen, die außerhalb des Straßenverkehrs wenig Rücksicht auf Regeln und Gesetze nehmen würden, setzten sich auch beim Fahren leicht über die Verkehrs­be­stim­mungen hinweg. Zudem sei bei Straftaten, bei denen ein hohes Aggres­si­ons­po­tenzial zu erkennen sei, zu berücksichtigen, dass die hier gezeigte erhöhte Impulsivität eine zuverlässig kontrollierte Verhal­tens­steuerung erschwere.

Gesprächs­ver­halten des Antragstellers beim psychologischen Unter­su­chungs­ge­spräch war von inneren Widersprüchen geprägt

Unter Zugrundelegung dieser wissen­schaft­lichen Erkenntnisse sei der Gutachter zu dem Ergebnis gelangt, dass das Gesprächs­ver­halten des Antragstellers bei dem psychologischen Unter­su­chungs­ge­spräch von inneren Widersprüchen geprägt gewesen sei. So habe der Antragsteller den Zusammenhang zwischen seiner aktenkundigen Auffälligkeit und den persönlichen Hintergründen nicht erkennen können. Der Antragsteller habe im Wesentlichen äußere Umstände (das geladene Luftgewehr) oder andere Personen (seinen Cousin, der auf ihn einen ungünstigen Einfluss ausgeübt habe) und nicht persönliche Anteile für sein Fehlverhalten verantwortlich gemacht. Die Auffälligkeit - d.h. die Verletzung eines Menschen durch den abgegeben Gewehrschuss -, die zu einer rechtskräftigen Verurteilung geführt habe, werde von dem Antragsteller insgesamt bagatel­li­sierend bzw. als von ihm nicht gewollt und auch nicht bemerkt dargestellt. Angesichts dieser Einlassungen des Antragstellers in dem psychologischen Unter­su­chungs­ge­spräch sei die Schluss­fol­gerung des Gutachters, es sei zu erwarten, dass der Antragsteller zukünftig erheblich oder wiederholt gegen verkehrs­rechtliche/strafrechtliche Bestimmungen verstoßen werde, zur Überzeugung des Gerichts nachvollziehbar.

Quelle: Verwaltungsgericht Neustadt/ra-online

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