03.12.2024
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Verwaltungsgericht Minden Urteil30.01.2015

Behörde kann wegen fehlender rechtlicher Grundlage das Töten von männlichen Eintagsküken nicht verbietenTierschutz­gesetz bietet keine ausreichende Ermächtigungs­grundlage für ein behördliches Tötungsverbot hinsichtlich sog. Eintagsküken

Die zuständige Behörde kann die in der Geflügelzucht vorzufindende Praxis, wonach männliche Küken aus Legelinien getötet werden, nicht untersagen. Es fehlt der Behörde für eine entsprechende Untersagungs­verfügung nämlich an einer spezi­al­ge­setz­lichen Ermächtigungs­grundlage, die es bisher im geltenden Tierschutz­gesetz nicht gibt. Daher gab das Verwal­tungs­gericht Minden Klagen von Betreibern von Brütereien statt, die sich gegen das von der Behörde ausgesprochene Verbot des Tötens von männlichen Eintagsküken richteten.

Gemäß einer national wie europaweit geübten Praxis werden derzeit männliche Küken aus sogenannten Legelinien – auf die Eierproduktion spezialisierte Rassen - getötet, weil sie zur Eierproduktion nicht geeignet sind und gegenüber zu Mastzwecken gezüchteten Tieren eine verminderte Fleischan­satz­leistung aufweisen. Bundesweit betrifft dies jährlich ca. 50 Millionen männliche Küken. Auf Nordrhein-Westfalen entfällt ein Anteil von ca. 5,4 %.

Behörden untersagten zum 1 .Januar 2015 die Tötung männlicher Küken

Mit Erlass vom 26. September 2013 forderte das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbrau­cher­schutz des Landes Nordrhein-Westfalen die zuständigen Ordnungs­be­hörden auf, die Tötung männlicher Küken aus Legelinien im Wege einer Ordnungs­ver­fügung zu untersagen. Dem kamen die nordrhein-westfälischen Aufsichts­be­hörden im Dezember 2013 nach und untersagten den in NRW ansässigen Brütereien - insgesamt 12 Betrieben -, ab dem 1. Januar 2015 die Tötung männlicher, nicht zur Schlachtung geeigneter Küken. Hiergegen hatten 11 Brütereien geklagt.

VG Minden hebt Tötungsverbot auf

Die 2. Kammer des Verwal­tungs­ge­richts Minden hat nun die Unter­sa­gungs­ver­fü­gungen der betroffenen Kreise mit der Begründung aufgehoben, dass es angesichts des erheblichen Eingriffs in die Berufsfreiheit der Betreiber von Brütereien einer spezi­al­ge­setz­lichen Ermäch­ti­gungs­grundlage bedürfe.

Tierschutz­rechtliche Generalklausel reicht als Ermäch­ti­gungs­grundlage für Tötungsverbot nicht aus

Die tierschutz­rechtliche Generalklausel in § 16 a Abs. 1 Satz 1 TierSchG i. V. m. § 1 Satz 2 TierSchG reiche zur Rechtfertigung des mit dem Verbot einhergehenden Eingriffs in die Freiheit der Berufswahl nicht aus. Allgemeine verfas­sungs­rechtliche Grundsätze verpflichteten den parla­men­ta­rischen Gesetzgeber, wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen und sie nicht der Verwaltung zu überlassen. Von der unter wortgleicher Geltung des Tierschutz­ge­setzes seit Jahrzehnten sowohl im In- als auch im Ausland üblichen und nicht nur geduldeten, sondern sogar als gerechtfertigt angesehenen Tötungspraxis könne nicht allein unter Hinweis auf eine geänderte gesell­schaftliche Bewertung des Tierschutzes abgewichen werden. Dem stünden die schutzwürdigen Interessen der Brüte­rei­be­treiber aus Art. 12 Abs. 1 GG entgegen, die derzeit keine marktdeckenden und praxi­s­taug­lichen Alternativen zur Tötung der männlichen Küken hätten. Die von den beklagten Kreisen angeführten alternativen Möglichkeiten (Geschlechts­be­stimmung im Ei, Züchtung eines „Zweinut­zungshuhns“, Vermarktung der männlichen Tiere im Rahmen der sog. Bruderhahn-Initiative-Deutschland oder als Stubenküken) stellten für die Brüte­rei­be­treiber derzeit keine in der Massen­tier­haltung praxistaugliche oder die allgemeine Konsu­men­ten­nachfrage deckende Verfahren dar, so dass die Betriebe bei einem Tötungsverbot vor dem Aus stünden. Ob demgegenüber eine gewandelte gesell­schaftliche Bewertung des Tierschutzes aus Art. 20a GG generell überwiege, bedürfe einer Entscheidung des parla­men­ta­rischen Gesetzgebers, bei der er selbst Anlass, Zweck und Grenzen eines tierschutz­recht­lichen Tötungsverbots regeln müsse. An einer solchen Entscheidung fehle es bislang.

Übergangsfrist von 1 Jahr war zu kurz - Problem wird in andere Bundesländer verlagert

Daneben hätten die beklagten Kreise bei ihrer Entscheidung nicht berücksichtigt, dass eine Untersagung allein bezogen auf NRW dem angestrebten Tierschutz nur begrenzt diene und die mit der Tötungspraxis verbundene Tierschutz­pro­blematik lediglich in andere Länder (im Bund oder der gesamten Europäischen Union) verlagere. Ferner sei die den Brütereien eingeräumte Übergangsfrist von einem Jahr unangemessen kurz. Innerhalb nur eines Jahres sei eine breite Nachfrage von Konsumenten, die bereit wären, für Masthähne einen entsprechend ihrer längeren Mastzeit höheren Preis zu zahlen, nicht zu schaffen.

Quelle: ra-online, VG Minden (pm/pt)

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