12.12.2024
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Verwaltungsgericht Köln Urteil26.08.2024

Regeln der Bundes­netz­agentur für 5G-Auktion waren rechtswidrigEntscheidung der Bundes­netz­agentur über die Vergabe- und Auktionsregeln für die im Jahr 2019 durchgeführte Versteigerung der 5G-Mobil­funk­fre­quenzen ist rechtswidrig

Die Entscheidung der Präsi­den­ten­kammer der Bundes­netz­agentur vom 26. November 2018 über die Vergabe- und Auktionsregeln für die im Jahr 2019 durchgeführte Versteigerung der für den 5G-Mobilfunk besonders geeigneten Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz ist rechtswidrig. Dies hat das Verwal­tungs­gericht Köln entschieden und die Bundes­netz­agentur zur Neubescheidung verpflichtet.

Für die Zuteilung der genannten Frequenzen ordnete die Präsi­den­ten­kammer der Bundesnetzagentur am 14. Mai 2018 ein Verga­be­ver­fahren an und bestimmte, dieses als Verstei­ge­rungs­ver­fahren durchzuführen (BK1-17/001, Teil I und II). Am 26. November 2018 erließ die Präsi­den­ten­kammer die im vorliegenden Verfahren angegriffene Entscheidung über die Vergabe- und Auktionsregeln (BK1-17/001, Teil III und IV). Die Versteigerung wurde im Jahr 2019 durchgeführt und erzielte Erlöse in Höhe von rund 6,6 Milliarden Euro.

Die Vergaberegeln

Die Vergaberegeln in der Präsi­den­ten­kam­me­rent­scheidung vom 26. November 2018 umfassen unter anderem die Frequenz­nut­zungs­be­stim­mungen für die späteren Zutei­lungs­inhaber. Hierzu gehören z.B. konkrete Versor­gungs­ver­pflich­tungen für Haushalte und Verkehrswege sowie eine sog. Diens­tean­bie­ter­re­gelung. Durch diese werden die späteren Zutei­lungs­inhaber verpflichtet, mit Diens­tean­bietern ohne eigene Netzin­fra­s­truktur über die Mitnutzung von Funkkapazitäten zu verhandeln.

Dieses Verhand­lungsgebot halten die hier klagenden Diens­tean­bie­te­rinnen für unzureichend. Sie beantragten bereits im Verfahren vor der Präsi­den­ten­kammer eine sog. Diens­tean­bie­ter­ver­pflichtung. Diese Anträge verfolgten sie mit ihren im Dezember 2018 erhobenen Klagen weiter. Sie begründeten ihre Klagen mit schwerwiegenden Verfahrens- und Abwägungs­fehlern der Präsi­den­ten­kam­me­rent­scheidung. Das Verfahren sei insbesondere durch das Bundes­mi­nis­terium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) unter Leitung des damaligen Bundesministers Scheuer in rechtswidriger Weise beeinflusst worden. Dies ergebe sich aus den Verwal­tungs­vor­gängen des BMVI, des Bundes­mi­nis­teriums für Wirtschaft und Klimaschutz sowie des Bundes­kanz­leramts, die die Klägerinnen nach erfolgreichen verwal­tungs­ge­richt­lichen Verfahren vor dem Verwal­tungs­gericht Berlin auf Grundlage des Infor­ma­ti­o­ns­frei­heits­ge­setzes erhalten hatten.

Rechtsstreit durch mehrere Instanzen - bis zum Bundes­ver­wal­tungs­gericht

Das Verwal­tungs­gericht Köln hatte die Klage der einen Diens­tean­bieterin mit Urteil vom 3. Juli 2019 zunächst als unzulässig abgewiesen (Az.: 9 K 8489/18). Mit Urteil vom 21. Oktober 2021 (Az.: 6 C 8.20) hob das Bundes­ver­wal­tungs­gericht die Entscheidung teilweise auf und verwies sie insoweit an das Verwal­tungs­gericht Köln zurück. Hierzu führte das Bundes­ver­wal­tungs­gericht aus, dass aufzuklären sei, ob mit Blick auf die Präsi­den­ten­kammer eine Besorgnis der Befangenheit bestanden habe, ob es zu einem Verstoß gegen die unionsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der Bundes­netz­agentur als nationaler Regulie­rungs­behörde gekommen sei und ob die Abwägung der Präsi­den­ten­kammer unter dem Gesichtspunkt einer faktischen Vorfestlegung fehlerhaft gewesen sei. Denn es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass das BMVI in erheblichem Umfang versucht habe, insbesondere auf die Festlegung der Versor­gungs­ver­pflich­tungen Einfluss zu nehmen. Hierzu bedürfe es weiterer Sachver­halts­auf­klärung. Insbesondere sei aufzuklären, wie die Präsi­den­ten­kammer auf den politischen Druck reagiert habe.

In dem zurück­ver­wiesenen Verfahren (neues Az.: 1 K 1281/22) sowie in dem noch anhängigen Verfahren der zweiten Diens­tean­bieterin (Az.: 1 K 8531/18) führte das Verwal­tungs­gericht Köln Anfang Juni 2024 eine Beweisaufnahme durch. Hierzu vernahm das Gericht die seinerzeitigen Mitglieder der Präsi­den­ten­kammer - den ehemaligen Präsidenten der Bundes­netz­agentur Homann und die ehemaligen Vizepräsidenten Dr. Eschweiler und Franke - sowie den damaligen Leiter der Fachabteilung Dr. Hahn.

Mit dem am 26.08.2024 nach mündlicher Verhandlung verkündeten Urteil hat das Verwal­tungs­gericht Köln die Präsi­den­ten­kam­me­rent­scheidung vom 26. November 2018 aufgehoben und die Bundes­netz­agentur verpflichtet, die Anträge der Klägerinnen auf Aufnahme einer Diens­tean­bie­ter­ver­pflichtung neu zu bescheiden. Zur Begründung führte die Vorsitzende der 1. Kammer bei der Urteils­ver­kündung aus:

Richter: Präsi­den­ten­kam­me­rent­scheidung ist formell rechtswidrig

"Die Präsi­den­ten­kam­me­rent­scheidung ist formell rechtswidrig. Die konkrete Verfah­rens­ge­staltung der Präsi­den­ten­kammer begründet gegenüber allen drei Mitgliedern die Besorgnis der Befangenheit. Hierfür ist nicht erforderlich, dass das Mitglied tatsächlich befangen war. Es reicht der ‚böse Schein'. Dieser kann sich auch daraus ergeben, dass sich die Verfah­rens­ge­staltung des Amtswalters so weit von den anerkannten rechtlichen Grundsätzen entfernt, dass für den davon betroffenen Beteiligten der Eindruck einer sachwidrigen, auf Vorein­ge­nom­menheit beruhenden Benachteiligung entsteht.

Vorliegend ergibt sich die Besorgnis der Befangenheit zwar nicht schon aus der Teilnahme einzelner Mitglieder der Präsi­den­ten­kammer an Gipfel­ver­an­stal­tungen und anderen Terminen im Zusammenhang mit der Behördenleitung (wie dem Mobilfunkgipfel am 12. Juli 2018). Das Gericht ist aber überzeugt, dass die Präsi­den­ten­kammer dem massiven Druck von Seiten des BMVI zumindest teilweise nachgegeben hat. Das BMVI versuchte während des gesamten Verga­be­ver­fahrens im Jahr 2018 in erheblicher Weise, auf die Entscheidungen der Präsi­den­ten­kammer Einfluss zu nehmen, indem es sich für strengere Versor­gungs­ver­pflich­tungen einsetzte. Parallel zum streitigen Verfahren fand am 12. Juli 2018 ein allein vom BMVI initiierter und vorbereiteter Mobilfunkgipfel statt, bei dem der Bund den bei der 5G-Frequenz­ver­stei­gerung erfolgreichen Netzbetreibern im Fall verbindlicher Erschlie­ßungs­zusagen den Aufschub des Zahlungsbeginns und die Stundung der Zahlung der Auktionserlöse in Aussicht stellte.

Politische Einflussnahme

Die Einflussnahme des BMVI auf das Verfahren zeigt sich in der Gesamtschau verschiedener Reaktionen der Präsi­den­ten­kammer, etwa zu Beginn des Verfahrens im Zurückziehen erster Erwägungen, oder in der terminlichen Gestaltung des Verfahrens wie der aus Rücksicht auf das BMVI erfolgten Verlegung der mündlichen Anhörung auf den Tag nach dem Mobilfunkgipfel. Darüber hinaus gab es nach der Veröf­fent­lichung des Konsul­ta­ti­o­ns­entwurfs im September 2018 mehrere persönliche Treffen zwischen Mitgliedern der Präsi­den­ten­kammer und den damaligen Bundesministern Scheuer und Altmaier sowie dem seinerzeitigen Chef des Bundes­kanz­leramts Prof. Dr. Braun. Bei diesen Treffen wurde die Präsi­den­ten­kammer nachdrücklich zu Änderungen des Entwurfs aufgefordert, u.a. wurde ihr ein ,Fünf-Punkte-Plan' zur Sicherstellung der im Koali­ti­o­ns­vertrag der Großen Koalition enthaltenen Ziele im Bereich Mobilfunk übergeben. Zwar sind politische Stellungnahmen unschädlich, soweit Ministerien diskursive Betei­li­gungs­rechte wahrnehmen, die ihnen in einem insti­tu­ti­o­na­li­sierten Rahmen zukommen. Ein solcher Rahmen lag hier aber weder vor noch wurde er durch die Präsi­den­ten­kammer geschaffen. Die mangelnde Transparenz ließ für die am Verga­be­ver­fahren beteiligten Kreise den Eindruck eines politischen und damit für die Frequenz­ver­stei­gerung sachwidrigen ‚Nebenverfahrens' entstehen.

Richter sehen Verstoß gegen die unionsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der Bundes­netz­agentur

Aus denselben Gründen ist das Gericht überzeugt, dass es im Verga­be­ver­fahren zu einem Verstoß gegen die unionsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der Bundes­netz­agentur als nationaler Regulie­rungs­behörde gekommen ist. Dies folgt nicht schon daraus, dass das BMVI die Unabhängigkeit der Bundes­netz­agentur etwa nicht respektierte. Der Verstoß ergibt sich daraus, dass die Bundes­netz­agentur ihre Unabhängigkeit nicht ausreichend aktiv geschützt hat, indem sie die ministeriellen Einfluss­nah­me­versuche weder auf Ebene der Ministertreffen noch auf Facha­r­beitsebene unterbunden hat.

Nach alledem leidet die Präsi­den­ten­kam­me­rent­scheidung auch an einem materiellen Fehler im Abwägungs­vorgang. Da die Forderungen des BMVI teilweise Eingang in die Vergaberegeln gefunden haben, kann die Annahme einer faktischen Vorfestlegung nicht ausgeschlossen werden. Es liegt vielmehr nahe, dass die Präsi­den­ten­kammer ihre Entscheidung ohne die massive Einflussnahme durch das BMVI im Einzelnen anders ausgestaltet hätte."

Hinweis: Im Zusammenhang mit der Frequenz­ver­stei­gerung ist noch ein weiteres Verfahren eines Mobil­fun­knetz­be­treibers anhängig (Az.: 1 K 8514/18).

Quelle: Verwaltungsgericht Köln, ra-online (pm/pt)

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