Im vorliegenden Fall legte eine Fachhochschulabsolventin Widerspruch gegen die Abänderung ihrer Abschlussnote im Fach Geschichte von der Note "gut" auf "ungenügend" ein, nachdem ihr aufgrund des Mitführens eines Handys bei der mündlichen Prüfung der Vorwurf eines Täuschungsversuchs gemacht wurde.
Die mündliche Prüfung im vorliegenden Fall begann mit der Vorbereitung, während der das Mobiltelefon der Klägerin im Rucksack, der in einiger Entfernung am Eingang des Unterrichtszimmers lag, verstaut war. Kurz vor Ende der anschließenden mündlichen Prüfung hatte das Telefon geklingelt. Die Schülerin schaltete das Gerät aus und die Prüfung wurde fortgesetzt. Die mündliche Prüfungsleistung wurde mit der Note 2, "gut" bewertet und bekannt gegeben. Erst im Anschluss, nachdem die stellvertretende Schulleiterin von dem Vorfall mit dem klingelnden Handy erfahren hatte, änderte sie die Bewertung in eine 6, und damit "ungenügend" um.
Die Klägerin erklärte, sie habe das Handy nicht "mitgeführt", da sie das Gerät nicht am Körper getragen habe und sie darüber hinaus die gesamte Zeit über unter der Beobachtung von drei Prüfern stand, so dass ein Täuschungsversuch mit Hilfe des Handys praktisch ausgeschlossen gewesen sei.
Nach Entscheidung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe war die Klage begründet. Als Rechtsgrundlage für die Entscheidung der stellvertretenden Schulleiterin komme nur § 20 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 VO in Betracht. Danach werde eine Prüfungsleistung zwingend mit ungenügend bewertet, wenn eine Täuschungshandlung vorliege. Die Bewertung der mündlichen Prüfungsleistung im Pflichtfach Geschichte mit der Sanktionsnote "ungenügend" stehe vorliegend jedoch mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in Einklang. Grundsätzlich sei die stellvertretende Schulleiterin als Vorsitzende des Prüfungsausschusses für den Ausspruch der Sanktionsnote sachlich zuständig gewesen. Auch objektiv habe ein Grund für eine Sanktion vorgelegen, da ein Handy unerlaubterweise während einer Prüfung mitgeführt worden sei. Vom Prüfling werde grundsätzlich erwartet, dass er vor der Prüfung sorgfältige Kontrollen auf etwaige unzulässige Hilfsmittel durchführe. Führe er diese nicht gewissenhaft durch, so falle dies in seinen Verantwortungsbereich.
Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei jedoch im vorliegenden Fall besondere Beachtung zu schenken. Eine Sanktionierung könne nur dann als verhältnismäßig angesehen werden, wenn die Schüler vor der Prüfung in klarer und unmissverständlicher Weise auf das Verbot hingewiesen worden wären. Die Schule habe hier aber lediglich in Verbindung mit der schriftlichen Prüfung auf ein Verbot aufmerksam gemacht. Da eine mündliche Prüfung aber eine völlig andere Situation darstelle und ein Handy heutzutage als Alltagsgegenstand ständig mitgeführt werde, hätten die Prüfer vor Beginn der mündlichen Prüfung noch einmal deutlich auf das Handyverbot aufmerksam machen müssen, zumal zwischen den schriftlichen Prüfungen - und damit auch den Belehrungen - und den mündlichen Prüfung ein erheblicher zeitlicher Abstand gelegen habe.
Demnach müsse die Schule nach Abwägung der Umstände der Klägerin ein neues Abschlusszeugnis mit der Note "gut" ausstellen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 06.07.2012
Quelle: ra-online, Verwaltungsgericht Karlsruhe (vt/st)