21.11.2024
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Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil29.06.2011

Sanktion: Bewertung einer mündlichen Prüfung mit "ungenügend" wegen Mitführen eines HandysSanktion muss verhältnismäßig ausfallen / Schule muss Sanktionsnote korrigieren

Wer während einer Prüfung ein Handy mit sich führt, der macht sich eines Täuschungs­versuchs schuldig und muss mit der Sanktionsnote "ungenügend" rechnen. Legen die Umstände des Einzelfalls jedoch eine mildere Bewertung nahe, so kann nach dem Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit gegen eine Bewertung als "ungenügend" vorgegangen werden. So bietet eine mündliche Prüfung im Vergleich zu einer schriftlichen Prüfung kaum Gelegenheit, ein Handy für einen Täuschungs­versuch zu verwenden. Außerdem müssen die Prüfer vor der Prüfung noch einmal deutlich auf ein Verbot hinweisen. Dies geht aus einer Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts Karlsruhe hervor.

Im vorliegenden Fall legte eine Fachhoch­schul­ab­sol­ventin Widerspruch gegen die Abänderung ihrer Abschlussnote im Fach Geschichte von der Note "gut" auf "ungenügend" ein, nachdem ihr aufgrund des Mitführens eines Handys bei der mündlichen Prüfung der Vorwurf eines Täuschungs­versuchs gemacht wurde.

Nachträgliche Änderung der Note "gut" in "ungenügend" erfolgte durch stell­ver­tretende Schulleiterin

Die mündliche Prüfung im vorliegenden Fall begann mit der Vorbereitung, während der das Mobiltelefon der Klägerin im Rucksack, der in einiger Entfernung am Eingang des Unter­richts­zimmers lag, verstaut war. Kurz vor Ende der anschließenden mündlichen Prüfung hatte das Telefon geklingelt. Die Schülerin schaltete das Gerät aus und die Prüfung wurde fortgesetzt. Die mündliche Prüfungs­leistung wurde mit der Note 2, "gut" bewertet und bekannt gegeben. Erst im Anschluss, nachdem die stell­ver­tretende Schulleiterin von dem Vorfall mit dem klingelnden Handy erfahren hatte, änderte sie die Bewertung in eine 6, und damit "ungenügend" um.

Klägerin hätte Handy gar nicht für eine Täuschung nutzen können

Die Klägerin erklärte, sie habe das Handy nicht "mitgeführt", da sie das Gerät nicht am Körper getragen habe und sie darüber hinaus die gesamte Zeit über unter der Beobachtung von drei Prüfern stand, so dass ein Täuschungs­versuch mit Hilfe des Handys praktisch ausgeschlossen gewesen sei.

Prüfungs­leistung wird zwingend mit ungenügend bewertet, wenn Täuschungs­handlung vorliegt

Nach Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts Karlsruhe war die Klage begründet. Als Rechtsgrundlage für die Entscheidung der stell­ver­tre­tenden Schulleiterin komme nur § 20 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 VO in Betracht. Danach werde eine Prüfungs­leistung zwingend mit ungenügend bewertet, wenn eine Täuschungs­handlung vorliege. Die Bewertung der mündlichen Prüfungs­leistung im Pflichtfach Geschichte mit der Sanktionsnote "ungenügend" stehe vorliegend jedoch mit dem rechts­s­taat­lichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in Einklang. Grundsätzlich sei die stell­ver­tretende Schulleiterin als Vorsitzende des Prüfungs­aus­schusses für den Ausspruch der Sanktionsnote sachlich zuständig gewesen. Auch objektiv habe ein Grund für eine Sanktion vorgelegen, da ein Handy unerlaub­terweise während einer Prüfung mitgeführt worden sei. Vom Prüfling werde grundsätzlich erwartet, dass er vor der Prüfung sorgfältige Kontrollen auf etwaige unzulässige Hilfsmittel durchführe. Führe er diese nicht gewissenhaft durch, so falle dies in seinen Verant­wor­tungs­bereich.

Sanktionsnote steht nicht mit rechts­s­taat­lichem Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit in Einklang

Dem Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit sei jedoch im vorliegenden Fall besondere Beachtung zu schenken. Eine Sanktionierung könne nur dann als verhältnismäßig angesehen werden, wenn die Schüler vor der Prüfung in klarer und unmiss­ver­ständ­licher Weise auf das Verbot hingewiesen worden wären. Die Schule habe hier aber lediglich in Verbindung mit der schriftlichen Prüfung auf ein Verbot aufmerksam gemacht. Da eine mündliche Prüfung aber eine völlig andere Situation darstelle und ein Handy heutzutage als Alltags­ge­genstand ständig mitgeführt werde, hätten die Prüfer vor Beginn der mündlichen Prüfung noch einmal deutlich auf das Handyverbot aufmerksam machen müssen, zumal zwischen den schriftlichen Prüfungen - und damit auch den Belehrungen - und den mündlichen Prüfung ein erheblicher zeitlicher Abstand gelegen habe.

Demnach müsse die Schule nach Abwägung der Umstände der Klägerin ein neues Abschluss­zeugnis mit der Note "gut" ausstellen.

Quelle: ra-online, Verwaltungsgericht Karlsruhe (vt/st)

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