23.11.2024
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Verwaltungsgericht Karlsruhe Beschluss23.01.2012

Eigenständiges Aufent­haltsrecht für ausländische Ehegatten entsteht nur nach dreijährigem Bestand der EheVor dem 1. Juli 2011 geltende Vorgän­ger­re­gelung, die Bestehen einer Ehe seit nur mindestens zwei Jahren vorsieht, nicht mehr anwendbar

Ein eigenständiges Aufent­haltsrecht für ausländische Ehegatten entsteht nach einer gesetzlichen Neuregelung grundsätzlich nur nach dreijährigem Bestand der Ehe im Bundesgebiet. Dies entschied das Verwal­tungs­gericht Karlsruhe.

Im zugrunde liegenden Streitfall hatte eine Staatsbürgerin aus Bosnien-Herzegowina (Antragstellerin zu 1) im September 2008 die Ehe mit einem deutschen Staats­an­ge­hörigen geschlossen und lebt seit November 2008 zusammen mit zwei in die Ehe mitgebrachten Töchtern im Bundesgebiet. Die Stadt Rastatt hat die Anträge der Antragstellerin und ihrer minderjährigen Tochter (Antragstellerin zu 2) auf Erteilung/Verlängerung der Aufent­halt­s­er­laubnisse unter Verweis auf die zwischen­zeitlich nicht mehr bestehende eheliche Lebens­ge­mein­schaft abgelehnt und ihnen die Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina angedroht. Die Antrag­stel­le­rinnen haben im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes u.a. geltend gemacht, die Antragstellerin zu 1 habe aufgrund der Dauer ihrer Ehe im Bundesgebiet nach der vor dem 1. Juli 2011 geltenden Gesetzeslage ein eigenständiges Aufent­haltsrecht erworben; jedenfalls läge eine besondere Härte vor, die eine Ausnahme rechtfertige.

Kein Anspruch auf Verlängerung der Aufent­halt­s­er­laubnisse wegen nicht mehr bestehender Ehe

Das Verwal­tungs­gericht Karlsruhe ist der Rechts­auf­fassung der Antrag­stel­le­rinnen nicht gefolgt. Sie führt in den Entschei­dungs­gründen ihres Beschlusses aus: Nach der im vorläufigen Rechts­schutz­ver­fahren allein gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hätten die Antrag­stel­le­rinnen voraussichtlich keinen Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufent­halt­s­er­laubnisse. Einen solchen Anspruch könne die Antragstellerin zu 1 voraussichtlich nicht auf ihre Ehe stützen. Dies setze voraus, dass eine tatsächliche Ehever­bun­denheit noch bestehe oder in einem überschaubaren Zeitraum wieder­her­ge­stellt werde. Nach Aktenlage habe die eheliche Lebens­ge­mein­schaft hier seit Juli 2011 nicht mehr bestanden.

Gemäß gesetzlicher Neuregelung muss eheliche Lebens­ge­mein­schaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig bestanden haben

Die Antragstellerin zu 1 habe auch kein eigenständiges, vom Zweck des Famili­en­nachzugs unabhängiges Aufent­haltsrecht erworben. Die Regelung in § 31 Aufent­halts­gesetz setze in der ab dem 1. Juli 2011 gültigen Fassung voraus, dass die eheliche Lebens­ge­mein­schaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden habe. Dies sei vorliegend nicht erfüllt, da die eheliche Lebens­ge­mein­schaft im Bundesgebiet lediglich von November 2008 bis Juli 2011 bestanden habe. Die Antragstellerin zu 1 könne sich nicht mit Erfolg auf die vor dem 1. Juli 2011 geltende Vorgän­ger­re­gelung berufen, wonach es ausreichend gewesen sei, wenn die eheliche Lebens­ge­mein­schaft seit mindestens zwei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden habe. Mangels Überg­angs­re­gelung sei die aktuelle Fassung der Norm anzuwenden, da bis zum 30. Juni 2011 die Voraussetzungen dieses Aufent­halts­rechts - mangels Auszug des Ehegatten - noch nicht vorlagen.

Umstände der Ausreisepflicht trifft Antragsteller nicht ungleich härter als andere Ausländer in vergleichbarer Situation

Im Fall der Antragstellerin zu 1 lägen auch nicht die Voraussetzungen vor, um von dem grundsätzlich erforderlichen dreijährigen rechtmäßigen Bestand der ehelichen Lebens­ge­mein­schaft im Bundesgebiet abzusehen. Dies erfordere eine besondere Härte, die nach den gesetzlichen Vorgaben insbesondere dann gegeben sei, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebens­ge­mein­schaft erwachsenen Rückkehr­ver­pflichtung eine besondere Beein­träch­tigung seiner schutzwürdigen Belange drohe oder wenn dem Ehegatten wegen der Beein­träch­tigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebens­ge­mein­schaft unzumutbar sei. Letzteres setze regelmäßig voraus, dass der zugezogene ausländische Ehegatte die eheliche Lebens­ge­mein­schaft aus eigener Initiative beendet habe. Davon sei hier nicht auszugehen, denn der Ehegatte der Antragstellerin zu 1 dürfte die eheliche Lebens­ge­mein­schaft beendet haben, so dass ihr die Fortführung der ehelichen Lebens­ge­mein­schaft nicht unzumutbar, sondern unmöglich sei. Die erstgenannte Alternative könne nur dann angenommen werden, wenn im Einzelfall über die regelmäßig mit der Aufent­halts­ver­la­gerung in ein anderes Land verbundenen Schwierigkeiten hinaus besondere Umstände vorlägen, aus denen sich ergäbe, dass die Ausreisepflicht den Ausländer ungleich härter treffe als andere Ausländer in vergleichbarer Situation. Dies sei bei der Antragstellerin zu 1 ebenfalls nicht der Fall. Die u.a. angeführten Umstände der Trennung von ihrem Ehemann, der Verlust ihrer Erwer­b­s­tä­tigkeit im Bundesgebiet und die mit einer Rückkehr nach Bosnien-Herzegowina verbundenen wirtschaft­lichen und sozialen Schwierigkeiten seien ihrem Gewicht nach vergleichbar mit denjenigen, die eine Vielzahl von Ausländern in dieser Situation träfen.

Aufent­haltsrecht der Tochter abhängig vom Gültig­keits­zeitraum der Aufent­halt­s­er­laubnis der Mutter

Auch der Antragstellerin zu 2 dürfte aller Voraussicht nach kein Anspruch auf Erteilung/Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zustehen, da ihr Aufent­haltsrecht vom Gültig­keits­zeitraum der Aufent­halt­s­er­laubnis ihrer Mutter abhängig sei.

§ 31 Abs. 1 Satz 1 Aufent­halts­gesetz in der aktuellen Fassung:

(1) Die Aufent­halt­s­er­laubnis des Ehegatten wird im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebens­ge­mein­schaft als eigenständiges, vom Zweck des Famili­en­nachzugs unabhängiges Aufent­haltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn

1. die eheliche Lebens­ge­mein­schaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat oder

2. der Ausländer gestorben ist, während die eheliche Lebens­ge­mein­schaft im Bundesgebiet bestand

und der Ausländer bis dahin im Besitz einer Aufent­halt­s­er­laubnis, Nieder­las­sungs­er­laubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG war, es sei denn, er konnte die Verlängerung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht rechtzeitig beantragen. […]

§ 31 Abs. 1 Satz 1 Aufent­halts­gesetz in der vor dem 01.07.2011 gültigen Fassung:

(1) Die Aufent­halt­s­er­laubnis des Ehegatten wird im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebens­ge­mein­schaft als eigenständiges, vom Zweck des Famili­en­nachzugs unabhängiges Aufent­haltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn

1. die eheliche Lebens­ge­mein­schaft seit mindestens zwei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat oder

2. der Ausländer gestorben ist, während die eheliche Lebens­ge­mein­schaft im Bundesgebiet bestand und der Ausländer bis dahin im Besitz einer Aufent­halt­s­er­laubnis, Nieder­las­sungs­er­laubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG war, es sei denn, er konnte die Verlängerung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht rechtzeitig beantragen. […]

Quelle: Verwaltungsgericht Karlsruhe/ra-online

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