21.11.2024
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Verwaltungsgericht Hannover Urteil01.03.2022

Ausweisung eines montenigrischen Patienten trotz Interesse an Weiter­be­handlung rechtmäßigÖffentliches Interesse an Schutz vor Gefahren durch Clan-Auseinander­setzungen rechtfertigt Ausweisung und Wiedereinreise­verbot

Das Verwal­tungs­gericht Hannover hat die Klage eines monte­ne­gri­nischen Staats­an­ge­hörigen gegen seine Ausweisung bzw. das Verbot einer Wiedereinreise zur medizinischen Behandlung in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) abgewiesen.

Der Kläger hielt sich im Frühjahr 2020 in Begleitung seiner Ehegattin zur medizinischen Behandlung multipler Schuss­ver­let­zungen in Hannover auf. Die nieder­säch­sische Polizei, die den Aufenthalt überwachte, ging davon aus, dass der Kläger die Verletzungen im Rahmen einer Ausein­an­der­setzung zwischen rivalisierenden kriminellen Vereinigungen erlitten hatte.

Konkrete Gefahr durch Mitgliedschaft in krimineller Vereinigung

Die Polizei schrieb dem Kläger nach Auswertung der polizeilichen Erkenntnislage die Mitgliedschaft in einem der beteiligten Clans zu, woraufhin die beklagte Landes­hauptstadt Hannover den Kläger auswies und ihm die Abschiebung androhte, sowie ein auf fünf Jahre befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot verfügte. Zur Begründung führte sie an, dass sich durch den Aufenthalt des Klägers die gewaltsame Clan-Ausein­an­der­setzung in die Bundesrepublik verlagern könnte. Es bestünde die konkrete Gefahr weiterer Angriffe auf den Kläger, durch die auch unbeteiligte Dritte gefährdet werden könnten.

Verfahrensgang

Der Kläger reiste am 21. Februar 2020 aus der Bundesrepublik aus. Sein gegen diese Entscheidung gerichteter Eilantrag (Az. 19 B 2910/20;) und Abände­rungs­antrag (Verwal­tungs­gericht Hannover, Beschluss v. 30.03.2021 - 5 B 1817/21) blieben auch vor dem Nieder­säch­sischen Oberver­wal­tungs­gericht erfolglos (Az. 8 ME 68/20 und 8 ME 63/21). Im Einvernehmen mit den Beteiligten entschied die Kammer ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Sie hielt an ihrer Einschätzung fest, dass die offengelegten Erkenntnisse und Begleitumstände eine hohe Wahrschein­lichkeit begründeten, dass der Kläger einem der verfeindeten Clans angehört oder ihm die Mitgliedschaft zumindest von Angehörigen eines verfeindeten Clans zugeschrieben wird.

Behauptung einer Verwechslung greift nicht durch

Der Kläger sei das Ziel eines Mordversuchs gewesen, der in seiner konkreten Planung und Durchführung für eine Ausein­an­der­setzung zwischen kriminellen Vereinigungen typisch sei und eine Verwechslung des Opfers ausschließe. Die behauptete Verwechslung sei nicht plausibel, weil der Kläger gleichzeitig geltend mache, dass er aus Neid auf seinen Wohlstand angegriffen worden sei. Der Kläger habe zu einer weiteren Aufklärung der Hintergründe der gegen ihn gerichteten Tat nicht beigetragen. Die ärztlichen Berichte würden die Notwendigkeit einer Behandlung ausgerechnet in der MHH und durch den vormals operierenden Arzt nicht aufzeigen. Außerdem haben weder die MHH noch der Arzt ihre Bereitschaft zu einer weiteren Behandlung ausdrücklich bekundet. Vielmehr ist der Arzt mittlerweile im Ruhestand und hat in einer Erklärung gegenüber dem Gericht geäußert, dass er die Operation deshalb nicht mehr durchführen könne.

Nur vorübergehendes Betre­ten­s­in­teresse

Dem öffentlichen Interesse daran dem Kläger die Wiedereinreise zu verwehren stehe kein gleichwertiges Bleibeinteresse des Klägers gegenüber. Der Kläger sei nur für die ärztliche Behandlung in das Bundesgebiet eingereist und in der Bundesrepublik nicht verwurzelt. Die ärztliche Behandlung begründe zudem kein (dauerhaftes) Bleibeinteresse, sondern nur ein vorübergehendes Interesse am zweckgebundenen Aufenthalt im Bundesgebiet (Betre­ten­s­in­teresse). Auch dieses vorübergehende Interesse trete gegenüber dem Auswei­sungs­in­teresse zurück. Der Kläger habe offensichtlich die Mittel und das Netzwerk, eine sachgerechte Behandlung in einem Land außerhalb des Schengen-Raumes zu organisieren. Weitere Erkenntnisse der Sicher­heits­be­hörden unterlägen einer Sperrerklärung des Nieder­säch­sischen Innen­mi­nis­teriums, seien aber nicht entschei­dungs­er­heblich.

Klage der Ehegattin unzulässig

Die Klage der Ehegattin gegen ihre Ausweisung wies das Gericht als unzulässig ab, nachdem bereits die Beklagte den Bescheid während des Verfahrens aufgehoben hat.

Quelle: Verwaltungsgericht Hannover, ra-online (pm/cc)

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