21.11.2024
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Dokument-Nr. 29684

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Beschluss04.01.2021Verwaltungsgericht Hannover7 B 6300/20
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Verwaltungsgericht Hannover Beschluss04.01.2021

Pflegekammer Niedersachsen muss Stellungnahme zu ihrer Auflösung zurückziehen sowie die Veröf­fent­lichung und Verbreitung unterlassenErklärung im Rahmen der Anhörung zum "Gesetz zur Auflösung der Pflegekammer Niedersachsen" erfüllt nicht die Anforderungen an Sachlichkeit und Objektivität

Das Verwal­tungs­ge­richts Hannover hat mit Beschluss vom 04. Januar 2021 entschieden, dass die Pflegekammer eine Stellungnahme vom 25. November 2020, die sie im Rahmen des Gesetzgebungs­verfahrens über ihre Abschaffung abgegeben hat, zurückziehen und die Veröf­fent­lichung und Verbreitung dieser Stellungnahme unterlassen muss.

Die Pflegekammer Niedersachsen ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Aufgabe u.a. die Wahrnehmung der beruflichen Belange von Pflege­fach­personen ist. In der Vergangenheit gab es kontroverse Diskussionen über die Gründung der Pflegekammer, ihre Tätigkeit und die gesetzliche Pflicht­mit­glied­schaft. Die Rechtmäßigkeit der Pflicht­mit­glied­schaft war Gegenstand mehrerer gerichtlicher Verfahren. Eine Online-Befragung unter den ca. 78.000 Mitgliedern der Pflegekammer, an der ca. 15.100 Mitglieder teilnahmen, ergab, dass sich über 70 Prozent der Teilnehmer für die Abschaffung der Pflegekammer aussprachen. Daraufhin hat die Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Niedersachsen ein Gesetz­ge­bungs­ver­fahren zur Auflösung der Pflegekammer Niedersachsen eingeleitet.

Pflegekasse reagierte auf die Auflösung mit Stellungnahme auf ihrer Internetseite

Die Pflegekammer gab im Rahmen der Anhörung zu dem Entwurf des "Gesetzes zur Auflösung der Pflegekammer Niedersachsen" eine Stellungnahme ab, die sie auch auf ihrer Internetseite veröffentlichte. Die Pflegekammer sprach sich darin entschieden für ihren Erhalt aus. Die Antragstellerin, selbst Pflichtmitglied der Pflegekammer, forderte die Pflegekammer auf, die besagte Stellungnahme von deren Homepage zu entfernen, sie im Gesetz­ge­bungs­ver­fahren zurückzuziehen und die Stellungnahme nicht weiter zu verbreiten. Nachdem die Pflegekammer dies abgelehnt hatte, stellte die Antragstellerin einen Antrag auf vorläufigen Rechtschutz beim Verwal­tungs­gericht Hannover.

Mangelnde Objektivität und Sachlichkeit der Stellungnahme

Diesem Antrag hat das VG stattgegeben. Das Gericht stützt sich hierbei auf die in der Rechtsprechung des Nieder­säch­sischen Oberver­wal­tungs­ge­richtes etablierten Grundsätze. Mehrere Äußerungen in der Stellungnahme würden den nach diesen Maßstäben an eine Berufskammer mit Pflicht­mit­glied­schaft zu stellenden Anforderungen an die Objektivität und Sachlichkeit nicht gerecht. Anders als bei privaten Inter­es­sen­ver­bänden bringe es die Pflicht­mit­glied­schaft mit sich, dass ein Gesamtinteresse der Kammer­mit­glieder vermittelt werden müsse, das durch Abwägung und Ausgleich auch wider­strei­tender Interessen zu ermitteln sei. Im Falle höchst umstrittener Fragen dürfe die Pflegekammer ihre Mehrheits­auf­fassung nicht apodiktisch mitteilen, sondern müsse zugleich die Minder­heits­auf­fassung(en) offenlegen und die zur Mehrheits­auf­fassung führende Abwägung der verschiedenen Positionen erkennbar machen.

Grenze der zulässigen Äußerungen überschritten

Die streit­ge­gen­ständliche Stellungnahme sei hingegen durch eine einseitige Darstellung und das Ausblenden von Gegenpositionen geprägt. Eine Abwägung der wider­strei­tenden Interessen unter den Mitgliedern zu dem höchst umstrittenen Thema des Fortbestands der Antragsgegnerin sei nicht erkennbar. Insbesondere erfolge die Darstellung der Auffassung derjenigen Mitglieder, die die Auflösung der Pflegekammer befürworten, nicht in ausreichendem Maße. Die Pflegekammer verlasse die Grenze der zulässigen Äußerung somit bereits, weil sie unterschlage, warum sich in der besagten Befragung ein nicht unwesentlicher Teil ihrer Mitglieder gegen ihren Fortbestand ausgesprochen habe. Die Pflegekammer nenne vielmehr einseitig Argumente dafür, dass das Ergebnis der Online-Befragung nicht zur Grundlage der Entscheidung über ihre Auflösung gemacht werden solle und suggeriere ohne sachliche Anhaltspunkte, dass die nicht an der Abstimmung beteiligten Mitglieder sich für ihren Fortbestand entscheiden würden.

Presse­mit­teilung verstößt gegen Verfah­rens­vor­schriften

Die von dem Gericht als unzulässig erachteten Passagen seien untrennbar mit den weiteren Teilen der verfah­rens­ge­gen­ständ­lichen Stellungnahme verwoben. Schließlich stellten sich die Rechtsverstöße, die der Stellungnahme anhafteten, in dieser Konstellation als besonders schwerwiegend dar: Die Antragsgegnerin habe die Stellungnahme am 25. November 2020 veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt hätten bereits sowohl das Verwal­tungs­gericht Hannover als auch das Nieder­säch­sische Oberver­wal­tungs­gericht auf ein vorangegangenes einstweiliges Recht­schut­zer­suchen eine zuvor veröffentlichte Presse­mit­teilung der Antragsgegnerin, in der diese ebenfalls für ihren Fortbestand eingetreten sei, unter anderem wegen fehlender Sachlichkeit beanstandet und deren Entfernung von der Homepage angeordnet. Die Stellungnahme sei überdies ohne ausreichende Beteiligung der Kammer­ver­sammlung und deshalb unter Verstoß gegen maßgebliche Verfah­rens­vor­schriften zustande gekommen.

Quelle: Verwaltungsgericht Hannover, ra-online (pm/aw)

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