03.12.2024
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Verwaltungsgericht Hannover Urteil24.10.2014

Verwal­tungs­gericht Hannover weist Klagen gegen Rundfunkbeitrag abUmstellung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verstößt nicht gegen das Grundgesetz

Das Verwal­tungs­gericht Hannover hat mehrere Klagen gegen den Rundfunkbeitrag abgewiesen. Die Umstellung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von der bislang gerätebezogenen Rundfunkgebühr auf den wohnungs- und betriebs­stätten­bezogenen Rundfunkbeitrag verstößt nach Auffassung des Verwal­tungs­ge­richts nicht gegen das Grundgesetz.

In der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts ist geklärt, dass der Staat die finanziellen Voraussetzungen der Grundversorgung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu sichern hat. Dazu gehören ausreichende Entwick­lungs­mög­lich­keiten. Deshalb steht den öffentlich-rechtlichen Rundfunk­an­stalten ein Anspruch auf ausreichende Finanzierung zu. Danach waren in der Vergangenheit gerätebezogene Rundfunk­ge­bühren zulässig, nach der Rechtsprechung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts auch für neuartige Rundfun­k­emp­fangs­geräte wie internetfähige Computer. In der Gesellschaft hat im letzten Jahrzehnt eine zunehmende, insbesondere technische Medien­kon­vergenz eingesetzt. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk kann nicht mehr nur über Antenne, Satellit und Kabel, sondern auch über das Internet empfangen werden. Und öffentlich-rechtlicher Rundfunkempfang ist nicht mehr an das Radio oder das Fernsehgerät gebunden, sondern auch mit dem PC, Notebook und dem Smartphone möglich. Ebenso ist wegen des für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bestehenden Versor­gungs­auf­trages die Nutzung des Internet-Verbrei­tungsweges durch den Rundfunk möglich, wenn nicht gar geboten.

Kein Verstoß gegen das Grundgesetz

Diese Entwicklung erlaubt dem Gesetzgeber nach Auffassung des Verwal­tungs­ge­richts Hannover ohne Verstoß gegen das Grundgesetz eine Umstellung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von der bislang gerätebezogenen Rundfunkgebühr auf den wohnungs- und betrie­bs­s­tät­ten­be­zogenen - mithin an "Raumeinheiten" (zum Begriff s. §§ 3 und 6 Abs. 1 RBStV) - geknüpften Rundfunkbeitrag.

Überfi­nan­zierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kann derzeit noch nicht festgestellt werden

Auch das Verwal­tungs­gericht Hannover ist der Auffassung, dass es sich bei dem Rundfunkbeitrag nicht um eine Steuer handelt, die in die Gesetz­ge­bungs­kom­petenz des Bundes fällt, sondern um eine nicht­steu­erliche Abgabe, die von den Ländern eingeführt werden darf. Der Umstand, dass jeder Wohnungs- und Betrie­bs­s­tät­te­n­inhaber herangezogen wird, macht den Beitrag nicht zur Steuer. Denn die besondere Gegenleistung für den Beitrags­pflichtigen ist die Möglichkeit, öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf verschiedenen Wegen zu empfangen. Die Beiträge fließen nicht in den allgemeinen Haushalt ein, sondern stehen den Rundfunk­an­stalten zur Deckung ihres Finan­zie­rungs­bedarfs zu. Eine Überfi­nan­zierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kann derzeit noch nicht festgestellt werden, zumal die Beitragshöhe der früheren Fernsehgebühr entspricht und der Ausgangsbeitrag für eine Betriebsstätte mit bis zu acht Beschäftigten nur ein Drittel des Rundfunk­beitrags beträgt. Zudem wird die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch die Regelungen des RFinStV und die Proto­kol­l­er­klärung Nr. 2 aller Länder zum 15. Rundfun­k­än­de­rungs­staats­vertrag (Nds. GVBl. 2011, S. 195) ausreichend überwacht.

Gesetzgeber bewegt sich innerhalb seines Gestal­tungs­spielraums

Die Anknüpfung an die Wohnung des Einzelnen bzw. im "nicht privaten Bereich" an die Betriebsstätte hält sich innerhalb des Gestal­tungs­spielraums des Gesetzgebers. Dieser durfte davon ausgehen, dass der überwiegende Teil des öffentlich-rechtlichen Rundfun­k­empfangs innerhalb von Raumeinheiten erfolgt. Die Anknüpfung an die insbesondere die Klägerinnen in den Verfahren 7 A 6516/13 (Dirk Rossmann GmbH) und 7 A 1150/14 (KIND Hörgeräte GmbH & Co. KG) belastende hohe Anzahl ihrer Betriebsstätten statt an ein "Unternehmen" durfte der Gesetzgeber zum einen vornehmen, um einheitlich an Raumeinheiten anzuknüpfen. Zum anderen durfte er die Erwägungen einstellen, dass verschiedene Definitionen des Begriffs "Unternehmen" im deutschen Rechtsraum existieren und zudem andernfalls Unternehmen mit Geschäftsräumen im Inland, aber Sitz im Ausland nicht zur Beitragszahlung herangezogen werden könnten.

Individueller Verzicht auf Nutzungs­mög­lichkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht überprüfbar

Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, eine Beitrags­be­frei­ungs­mög­lichkeit für Personen vorzusehen, die von der ihnen eröffneten Nutzungs­mög­lichkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks keinen Gebrauch machen. Zutreffend hat der Gesetzgeber darauf abgestellt, dass bereits der strukturelle Vorteil des öffentlich-rechtlichen Rundfun­k­empfangs eine Befrei­ungs­mög­lichkeit ausschließt. Im Übrigen ist der individuelle Verzicht auf die Nutzungs­mög­lichkeit wegen der dargestellten Medien­kon­vergenz nicht mehr überprüfbar.

Rundfunkbeitrag verstößt nicht gegen Grundrecht auf Infor­ma­ti­o­ns­freiheit

Soweit einzelne Kläger meinen, der Rundfunkbeitrag verstoße gegen ihr Grundrecht auf Infor­ma­ti­o­ns­freiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG), weil er Mittel binde, die sie für andere Medien aufwenden möchten, so vermag das Gericht hierin keine Grund­rechts­ver­letzung erkennen. Die hervorstehende Bedeutung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der demokratischen und pluralistischen Gesellschaft zur Meinungsbildung rechtfertigt den Rundfunkbeitrag. § 4 RBStV enthält zudem einen Befreiungs- und Ermäßi­gungs­katalog für Empfänger bestimmter staatlicher Sozialleitungen.

Kein Verstoß gegen "negative" Infor­ma­ti­o­ns­freiheit

Soweit auch in diesem Zusammenhang die fehlende Befrei­ungs­mög­lichkeit wegen individuellen Verzichts auf das Angebot gerügt wird, liegt auch kein Verstoß gegen die "negative" Infor­ma­ti­o­ns­freiheit (d.h. die Freiheit vor aufgedrängter Information) vor, weil Grundlage der Beitragspflicht lediglich die Nutzungs­mög­lichkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist. Soweit einzelne Kläger in diesem Zusammenhang auf die nach ihrer Auffassung fehlende Qualität einzelner Rundfunksen­dungen abstellen, ist diese durch die Rundfunkgremien sicherzustellen und nicht eine Frage des Rundfunk­beitrags. Außerdem findet eine Zensur nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG nicht statt.

Pauschalierende Regelungen nicht zu beanstanden

Der Rundfunkbeitrag verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Der Gesetzgeber ist berechtigt, genera­li­sierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen. Da die Empfangs­mög­lich­keiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit unter­schied­lichen Geräten flächendeckend verbreitet sind, widerspricht es nicht dem Gleichheitssatz, dass die Beitragspflicht unwiderleglich und nicht mehr gerätebezogen ausgestaltet ist. Hierdurch wird ein im Verhältnis zur Höhe des Rundfunk­beitrags unangemessener und in der Vergangenheit allgemein kritisierter Verwal­tungs­aufwand vermieden. Entsprechendes gilt für die weggefallene frühere Differenzierung zwischen Grund- und Fernsehgebühr.

Ein Präzedenzfall besteht in Gestalt des Semestertickets für den öffentlichen Personenverkehr für Studierende der Universitäten, das von diesen über den Semesterbeitrag unabhängig davon finanziert wird, ob der Studierende, mit dem Kfz, mit dem Fahrrad oder zu Fuß zur Universität gelangt und unabhängig davon, ob er lediglich im Nahverkehr eine Kurzstrecke fährt oder den Fahrschein für eine längere Fahrstrecke nutzt (s. hierzu: Nds. OVG, Urteil vom 15.10.1998 - 10 L 7904/95).

Rundfunkbeitrag auch nicht gleich­heits­widrig

Der Rundfunkbeitrag ist auch nicht deshalb gleich­heits­widrig, wie einzelne Kläger meinen, weil er unabhängig von der Zahl der in einer Raumeinheit Wohnenden erhoben wird. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass sich innerhalb einer Raumeinheit unter­schiedliche Nutzungsarten und -gewohnheiten ausgleichen. Gegenüber der früheren Rundfunkgebühr hat sich zudem in den von einzelnen Klägern hervorgehobenen "Single"-Haushalten im Vergleich zu Mehr-Personen-Haushalten keine Änderung ergeben. Auch nach der alten Rechtslage fiel gemäß § 5 RGebStV regelmäßig keine weitere Gebühr für Ehegatten und weitere Personen in häuslicher Gemeinschaft an.

Kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz im Hinblick auf kleinere Betriebe und Wohnungsinhaber

Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt auch nicht deshalb vor, weil Wohnungsinhaber zu einem vollen Rundfunkbeitrag herangezogen werden, hingegen bei Betrieben mit weniger als neun Beschäftigten (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RBStV) nur ein Drittel-Rundfunkbeitrag erhoben wird. Denn zu berücksichtigen ist, dass das an der Betriebsstätte nutzbare öffentlich-rechtliche Rundfunkangebot nur während der Arbeitszeit erfolgen kann, die regelmäßig ein Drittel der Tageszeit ausmacht. Bei Betriebsstätten mit neun bis 19 Beschäftigten ist der Rundfunkbeitrag im Vergleich zu Wohnungs­in­habern identisch (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 RBStV). Hier wirkt die höhere Beschäf­tig­tenzahl vorteils­aus­gleichend.

Beitrags­staf­felung für Betriebsstätten nach Mitarbeiterzahl ausreichend differenziert

Insgesamt ist die degressive Beitrags­staf­felung für Betriebsstätten nach der Mitarbeiterzahl mit zehn Stufen ausreichend differenziert. Der Eingangsbeitrag beträgt - wie erwähnt - ein Drittel des Rundfunk­beitrags und umfasst zudem nach § 5 Abs. 2 Satz 2 RBStV ein Kraftfahrzeug. Mit dem Eingangsbeitrag werden Betriebe erfasst, die neben dem Inhaber bis zu acht Beschäftigte haben. Bei neun bis 19 Beschäftigten ist ein Rundfunkbeitrag zu leisten (Staffelgruppe 2). Erst ab 20 Beschäftigten fallen höhere Beiträge an (Staffelgruppen 3 bis 10). Nach den Erkenntnissen des Gesetzgebers fallen ca. 90 % aller Betriebsstätten in die ersten beiden Gruppen. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist danach nicht festzustellen.

VG lässt Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zu

Das Verwal­tungs­gericht hat die Berufung an das Nieder­säch­sische Oberver­wal­tungs­gericht zugelassen, weil sie den Fragen,

- ob dem Land Niedersachsen die Gesetz­ge­bungs­kom­petenz für die Erhebung eines an die Wohnung bzw. an die Betriebsstätte und die Anzahl der dortigen Mitarbeiter gekoppelten Rundfunkbeitrag zusteht,

- ob der Rundfunkbeitrag gegen die Infor­ma­ti­o­ns­freiheit verstößt,

- ob er gleich­heits­widrig ausgestaltet ist und

- ob seit 1. Januar 2013 in Niedersachsen noch ein Wider­spruchs­ver­fahren bei Verwal­tungsakten nach dem RBStV durchzuführen ist,

grundsätzliche Bedeutung beimisst.

Quelle: Verwaltungsgericht Hannover/ra-online

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