21.11.2024
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Verwaltungsgericht Hannover Beschluss13.11.2014

Versammlung "Europa gegen den Terror des Islamismus" erlaubtGericht erlaubt stationäre Versammlung auf der Fläche des alten ZOB und ordnet weitere Beschränkungen an

Dem Eilantrag gegen das Verbot der Versammlung "Europa gegen den Terror des Islamismus" wurde teilweise stattgegeben. Dies hat das Verwal­tungs­gericht Hannover bekanntgegeben.

Im hier zu entscheiden Fall untersagte die Polizei­di­rektion Hannover den Aufzug sowie jede Form der Ersatz­ver­an­staltung mit Verfügung vom 10.11.2014: Die angezeigte Veranstaltung genieße schon nicht den Schutz der Versammlungsfreiheit, weil keine friedliche Versammlung beabsichtigt sei. Die Versammlung diene als Vorwand dafür, dass ein dominierender Teilnehmerkreis die gewalttätige Ausein­an­der­setzung suchen werde. Wegen des zu erwartenden unfriedlichen Verlaufs bestehe eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Der Anmelder der Versammlung und der Versamm­lungs­leiter seien der Gruppierung "Hooligans gegen Salafismus" zuzurechnen. Es deuteten Tatsachen darauf hin, dass es zu schweren Ausschreitungen und dabei zu Körper­ver­let­zungen und Sachbe­schä­di­gungen kommen werde.

Zu Unrecht Unterstellung eines unfriedlichen Verlaufs

Mit dem Eilantrag wendet sich der Antragsteller gegen das Verbot: Die Polizei­di­rektion unterstelle zu Unrecht einen unfriedlichen Verlauf. Die Versammlung in Köln sei "ungeplant unfriedlich" verlaufen. Die Exzesse seien nicht von der Versammlung sondern von Einzelpersonen ausgegangen und zudem durch Versagen der Polizei befördert worden. Der Veranstalter habe solche Gewalt­tä­tig­keiten weder befürwortet noch gefördert. Er wolle Eskalationen in Hannover vermeiden und sei zur Kooperation mit der Polizei, die polizeitak­tische Maßnahmen ergreifen könne, bereit.

Stationäre Versammlung mit Beschränkungen erlaubt

Das Verwal­tungs­gericht gibt dem Eilantrag teilweise statt. Es erlaubt eine stationäre Versammlung auf der Fläche des alten Zentralen Omnibusbahnhofs (ZOB) in Hannover (zwischen der Hamburger Allee, Lister Meile, Karl-Heinrich-Ulrich-Straße und Rundestraße), ordnet Beschränkungen an und gibt der Polizei­di­rektion die Möglichkeit, weitere Beschränkungen anzuordnen.

Grundsätzlich steht Versammlung unter Schutz der Versamm­lungs­freiheit nach Art. 8 des Grundgesetzes

Bei der angemeldeten Versammlung handle es sich - entgegen der Einschätzung der Polizei­di­rektion - um eine solche, die grundsätzlich den Schutz der Versamm­lungs­freiheit nach Art. 8 des Grundgesetzes (GG) in Anspruch nehmen könne. Mit ihrem Motto "Europa gegen den Terror des Islamismus" sei sie ersichtlich auf Meinungs­kundgabe gerichtet und nicht auf die Ausübung von Gewalt. Sie sei auch nicht per se unfriedlich, zumal der Antragsteller selbst zur Gewaltlosigkeit aufrufe.

Vollständiges Versamm­lungs­verbot nur bei unmittelbaren Gefahren für öffentliche Sicherheit

Gründe für ein vollständiges Verbot der Versammlung lägen nicht vor. Ein solches Verbot sei als "ultima ratio" nur zulässig, wenn unmittelbare Gefahren für die öffentliche Sicherheit auch durch Beschränkungen der Versammlungen nicht abgewendet werden könnten. Die Kammer hält unter Berück­sich­tigung und Abwägung aller ihr vorliegenden Erkenntnisse eine Abwendung solcher Gefahren durch die Anordnung von Beschränkungen für möglich, aber auch für nötig.

Unfriedlicher Verlauf bei ursprünglicher Planung jedoch zu erwarten

Das Gericht teilt die Einschätzung der Polizei­di­rektion, dass eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestünde, wenn der Demon­s­tra­ti­onszug wie geplant durch die Stadt geführt würde. weil ein unfriedlicher Verlauf zu erwarten wäre. Die Versammlung ist nach Auffassung des Gerichts der Organisation "HoGeSa" (Hooligans gegen Salafismus) zuzuordnen. Die Aktionsformen des Hooliganismus seien mit dem Versamm­lungsrecht unvereinbar. Gleichwohl dürften aber auch Hooligans als Einzelpersonen oder als Gruppe am gesell­schaft­lichen Meinungs­bil­dungs­prozess teilnehmen und von der Versamm­lungs­freiheit Gebrauch machen. Ein unfriedlicher Verlauf sei erst dann zu erwarten, wenn die Aktionsformen und Merkmale der Hooliganszene das Bild der Versammlung maßgeblich prägten. Für eine solche Annahme spreche der Verlauf der Veranstaltung in Köln. Es gebe zudem Anhaltspunkte, dass bei dem vom Antragsteller vorgesehenen Verlauf der Veranstaltung in Hannover ein unfriedlicher Ablauf zu erwarten sei. Solche Anhaltspunkte seien unter anderem die breite Mobilisierung in der Szene, die Veranstaltung von Köln zu wiederholen, aggressive Äußerungen im Internet und ein hohes Risiko von Provokationen durch Teilnehmer von Gegen­de­mon­s­tra­tionen.

Gewichtige Anhaltspunkte sprechen aber auch für Antragsteller

Andererseits gebe es gewichtige Anhaltspunkte, die zugunsten des Antragstellers zu berücksichtigen seien: Er habe sich zumindest öffentlich von Gewalt distanziert und auf die Beachtung einer von ihm veröf­fent­lichten "Hausordnung Hannover" hingewirkt. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass nicht alle der ca. 4.500 bis 5.000 erwarteten Teilnehmer dem Kreis der Hooligans zuzurechnen sei, sondern selbst nach Einschätzung der Polizei­di­rektion nur ca. 700 bis 800.

Vollständiges Versamm­lungs­verbot unver­hält­nismäßig

Ein vollständiges Verbot der Versammlung sei mit Rücksicht auf die hohe Bedeutung des Grundrechts aus Art. 8 GG unver­hält­nismäßig, weil die abzusehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit durch Beschränkungen in hinreichendem Maß verringert werden könnten, insbesondere dadurch, dass die Kundgebung nur stationär durchgeführt werde und zwar an einem Ort, an dem Provokationen der Versamm­lungs­teil­nehmer durch "meinungs­geg­ne­rische Kräfte" weitgehend ausgeschlossen sei. Die von dem Antragsteller für eine stationäre Versammlung genannten möglichen Orte seien deswegen ungeeignet, anders hingegen die Fläche des alten Zentralen Omnibusbahnhofs (ZOB). Wegen des Einbruchs der Dunkelheit sei die Versammlung schon um 16.00 Uhr und nicht - wie vom Antragsteller beabsichtigt - erst um 17.00 Uhr zu beenden. Als weitere Beschränkungen ordnet die Kammer an, dass mindestens ein Ordner je 30 Teilnehmer einzusetzen sei und verunglimpfende Äußerungen zu unterbleiben hätten. Das Gericht lässt der Polizei­di­rektion nach, darüber hinausgehende Beschränkungen anzuordnen, die der Antragsteller zu befolgen habe.

Quelle: Verwaltungsgericht Hannover/ ra-online

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