15.11.2024
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Dokument-Nr. 13743

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Verwaltungsgericht Gießen Beschluss08.07.2011

Laptops und Computer dürfen nicht gepfändet werdenDem persönlichen Gebrauch oder dem Haushalt dienende Sachen sind der Pfändung nicht unterworfen

Laptops und Computer gehören mittlerweile so sehr zum Alltag der Menschen, dass die Pfändung dieser Geräte nicht rechtmäßig ist. Ein Arbeitsloser muss sich beispielsweise regelmäßig bewerben, wozu ihm ein Gerät zum Schreiben und gegebenenfalls auch Versenden von Bewer­bungs­schreiben zu belassen ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts Gießen hervor.

Im vorliegenden Fall verlangte ein Mann die Herausgabe seines Laptops, der ihm infolge einer Pfändung abgenommen worden war. Das Verwal­tungs­gericht Gießen entschied, dass der Kläger ein Recht auf Herausgabe des Laptops hatte. Der Antrag sei nach Maßgabe des § 88 VwGO dahingehend zu verstehen gewesen, dass der Antragsteller ausschließlich die tatsächliche Herausgabe des Laptops begehrte und sich nicht gegen die Pfändung als solche wendete. Im Hinblick auf seine Arbeits­lo­sigkeit und seine damit einhergehende sozial-rechtliche Obliegenheit, sich bei verschiedenen Arbeitgebern schriftlich zu bewerben, sei dem Kläger nicht zuzumuten, auf den Laptop zu verzichten.

Pfändung war ein rechtswidriger Eingriff

Der Mann habe ferner einen Folgen­be­sei­ti­gungs­an­spruch, da sich aus einem rechtswidrigen Eingriff eines Hoheitsträgers in die Rechtsstellung des Betroffenen eine fortdauernde Beein­träch­tigung ergeben habe. Dies sei hier der Fall. Die Entfernung des Laptops aus dem Besitz des Antragstellers sei rechtswidrig. Die Vollstre­ckungs­behörde pfände Sachen, die in Gewahrsam des Pflichtigen seien dadurch, dass der Vollzie­hungs­beamte die Sachen in Besitz nehme. Andere Sachen als Geld, Kostbarkeiten und Wertpapiere seien in Gewahrsam des Pflichtigen zu belassen, wenn die Befriedigung des Gläubigers hierdurch nicht gefährdet werde. Es spreche im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nichts dafür, dass die Befriedigung des Gläubigers gefährdet wäre, sofern der Laptop im Gewahrsam des Antragstellers verbleibe. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Antragsteller den Laptop für Bewerbungen benötige und daher das Gerät nicht veräußern werde.

Ständige Verfügbarkeit eines Computers im Privathaushalt gehört zum notwendigen Lebensbedarf

Vorsorglich und zur Vermeidung eines weiteren Verwal­tungs­streit­ver­fahrens weise die beschließende Kammer darauf hin, dass die der Wegnahme letztlich zugrunde liegende Pfändung als solche entgegen der Ansicht des Antragsgegners rechtswidrig und ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO - um den es hier allerdings nicht gehe- erfolgreich sein dürfe. Nach § 34 Abs. 5 HessVwVG i.V.m. § 811 Abs. 1 Nr. 1 ZPO seien die dem persönlichen Gebrauch oder dem Haushalt dienenden Sachen der Pfändung nicht unterworfen. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht habe mit Urteil vom 27.02.2008 (1 BvR 370/07, BVerfGE 270, 274, 303) entschieden, die jüngere Entwicklung der Infor­ma­ti­o­ns­technik habe dazu geführt, dass infor­ma­ti­o­ns­tech­nische Systeme allgegenwärtig und ihre Nutzung für die Lebensführung vieler Bürger von zentraler Bedeutung seien. Dem habe sich das Oberlan­des­gericht München (B. v. 23.03.2010, 1 W 2689/09, BayVBl. 2010, 546, 547) in der Sache im Wesentlichen angeschlossen, indem es ausgeführt habe, es sei diskutabel, dass die ständige Verfügbarkeit eines Computers im Privathaushalt mittlerweile zum notwendigen Lebensbedarf gehöre. Das Gericht gehe davon aus, dass Computer und Laptops nach § 811 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich unpfändbar seien.

Quelle: ra-online, Verwaltungsgerichts Gießen (vt/st)

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