15.11.2024
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Dokument-Nr. 5108

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Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Beschluss02.11.2007

VG Frankfurt am Main zum "zentralen Versor­gungs­bereich" iSd. § 34 Abs. 3 BaugesetzbuchBio-Lebensmittel- und Drogeriemarkt dürfen errichtet werden

Das Verwal­tungs­gericht Frankfurt am Main hat die Anträge der Stadt Hofheim, die sich gegen die geplante Errichtung eines Bio-Lebens­mit­tel­marktes und eines Drogeriemarktes in der Kapellenstraße 48-50 in Kriftel gewandt hatte, abgelehnt.

In diesen Eilverfahren, in denen lediglich eine summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage unter Berück­sich­tigung der vorgelegten Akten erfolgt, hat das Gericht den Antrag der Stadt Hofheim, die aufschiebende Wirkung Ihrer Widersprüche gegen die von der Bauauf­sichts­behörde des Main-Taunus-Kreises erteilten Bauge­n­eh­mi­gungen für die Errichtung eines Bio- Lebens­mit­tel­marktes und eines Drogeriemarktes anzuordnen, abgelehnt.

Zur Begründung hat die für baurechtliche Verfahren aus dem Main-Taunus-Kreis zuständige 8. Kammer des Verwal­tungs­ge­richts Frankfurt am Main ausgeführt, die erteilten Bauge­n­eh­mi­gungen verstießen nicht gegen § 34 Abs. 3 Baugesetzbuch, da von den Vorhaben keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versor­gungs­be­reiche in Hofheim zu erwarten seien.

Definition des "zentralen Versor­gungs­be­reichs"

Zentrale Versor­gungs­be­reiche seien räumlich abgrenzbare Bereiche einer Gemeinde, denen aufgrund vorhandener Einzel­han­dels­nut­zungen – häufig ergänzt durch diverse Dienst­leis­tungen und gastronomische Angebote – eine bestimmte Versor­gungs­funktion für die Gemeinde zukomme.

Ein Versor­gungs­bereich setze vorhandene Nutzungen voraus, die für die Versorgung der Einwohner der Gemeinde – gegebenenfalls auch nur eines Teils des Gemeindegebiets – insbesondere mit Waren aller Art von Bedeutung seien. Dabei seien drei unter­schiedliche Typen zentraler Versor­gungs­be­reiche zu unterscheiden, nämlich Innen­stadt­zentren, Nebenzentren sowie Grundund Nahver­sor­gungs­zentren. Keines dieser schutzwürdigen Zentren existiere derzeit im Gebiet der Stadt Hofheim.

Stadt verkennt den Begriff des "zentralen Versor­gungs­be­reichs"

Die Stadt Hofheim verkenne den Begriff des zentralen Versor­gungs­be­reiches, wenn sie der Innenstadt Hofheims im Bereich um den Chinonplatz/Altstadt automatisch die Qualität eines zentralen Versor­gungs­be­reiches zumesse. Die Innenstadt Hofheims wäre nur dann ein zentraler Versor­gungs­bereich, wenn es sich um einen räumlich abgrenzbaren Bereich handele, dem aufgrund vorhandener Einzel­han­dels­nut­zungen eine bestimmte Versor­gungs­funktion für die Gemeinde zukäme. Dem Innen­stadt­bereich der Stadt Hofheim komme die hier allein in Betracht kommende Funktion eines Grund- und Nahver­sor­gungs­zentrums aber nicht zu. In der Innenstadt hätten im Jahr 2000 ausweislich eines vorgelegten Gutachtens lediglich zwei Einzel­han­dels­be­triebe mit einer Verkaufsfläche von insgesamt 1770qm die der Grund- und Nahversorgung dienten existiert, wovon ein Supermarkt zum jetzigen Zeitpunkt bereits nicht mehr vorhanden sei. Damit existiere im Innen­stadt­bereich nur noch ein einziger Betrieb des Lebens­mit­te­l­ein­zel­handels mit einer Verkaufsfläche von 1250qm. Andere Märkte zählten entweder nicht mehr zum Innen­stadt­bereich oder ihnen komme angesichts ihrer Größe keine entscheidende Bedeutung zu. Die Verkaufs­flä­chen­dichte liege deutlich unter dem Bundes­durch­schnitt und zeuge von einer geringen Mittel­punkt­funktion der Lebens­mit­tel­be­triebe im Raum Hofheim. Auf der Grundlage ihrer eigenen Ausführungen und Untersuchungen könne ausgeschlossen werden, dass dem Innen­stadt­bereich oder irgendeinem anderen Bereich Hofheims die Funktion eines zentralen Versor­gungs­be­reichs für die Grund- und Nahversorgung zukomme.

Letztlich begehre die Antragstellerin Schutz vor Konkurrenz für eines auf der Grundlage ihrer eigenen Untersuchungen nicht konkur­renz­fähigen Angebots im Innen­stadt­bereich. Dabei erschließe sich dem Gericht nicht, warum die Antragstellerin auch den Bereich um den Chinonplatz als zentralen Versor­gungs­bereich Hofheims verstanden wissen wolle. Es sei gerichtsbekannt, dass sich der Chinonplatz als innerstädtische Brache darstelle, dessen Bebauung gescheitert sei. Auf den Antrag einer Nachbarin habe die beschließende Kammer die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen eine Baugenehmigung für ein Bauvorhaben in diesem Bereich angeordnet. Darüber hinaus habe der Investor die beabsichtigte großflächige Bebauung mit dem Einzel­han­dels­zentrum „Chinonplatz- Akarden“ offenbar aufgegeben. Es bedürfe keiner weiteren Ausführungen, dass ein solcher inner­städ­tischer Bereich weder die Attraktivität der Innenstadt steigere noch in der Lage sei, irgendeine Versor­gungs­funktion zu erfüllen. Letztlich könne sich die Antragstellerin auch nicht auf eine Verletzung des Gebots der interkommunalen Abstimmung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB berufen. Voraussetzung hierfür wäre, dass – eine rechtswidrige - baurechtliche Zulas­sungs­ent­scheidung auf einer Verletzung des interkommunalen Abstim­mungs­gebotes im Sinne des § 2 Abs. 2 BauGB beruhe und von dem Vorhaben unmittelbare negative Auswirkungen gewichtiger Art auf eine konkrete und schutzwürdige städtebauliche Konzeption ausgehen könnten. Unmittelbare negative Auswirkungen dieser gewichtigen Art könnten darin liegen, dass die Funktions- und Entwick­lungs­fä­higkeit des in einem Einzel­han­dels­konzept vorgesehenen und gesicherten Nahver­sor­gungs­standorts mit zentra­lört­licher Versor­gungs­funktion beeinträchtigt würde. Dies sei nicht gegeben, da die Innenstadt Hofheims gerade kein zentraler Versor­gungs­bereich sei. Ein Einzel­han­del­s­ent­wick­lungs­programm, dessen Zielvor­stel­lungen mindestens planerisch umgesetzt worden seien und damit als gesichert angesehen werden könnten, existiere nicht. Allein aus dem Umstand, dass der Regionalplan Südhessen Hofheim die Funktion eines Mittelzentrums, Kriftel aber nur die Funktion eines Unterzentrums zuweise, könne die Antragstellerin subjektive Rechte nicht herleiten, da die Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 BauGB nicht erfüllt seinen.

Erläuterungen
§ 2 Abs. 2 Baugesetzbuch lautet:

Die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden sind aufeinander abzustimmen. Dabei können sich Gemeinden auch auf die ihnen durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen sowie auf Auswirkungen auf ihre zentralen Versor­gungs­be­reiche berufen.

§ 34 Abs. 3 Baugesetzbuch lautet:

Von Vorhaben der Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versor­gungs­be­reiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 25/07 des VG Frankfurt am Main vom 06.11.2007

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