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Dokument-Nr. 29897

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Urteil23.02.2021Verwaltungsgericht Frankfurt am Main4 K 461/19.F
ergänzende Informationen

Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Urteil23.02.2021

Aufsichts­rechtliche Verfügung der Goethe-Universität gegen den Allgemeinen Studierenden­ausschuss (ASTA) weitestgehend bestätigtVerwal­tungs­gericht Frankfurt am Main zu den Befugnissen eines Allgemeinen Studierenden­ausschusses

Das Verwal­tungs­gericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 23.02.2021 die Verfügung der damaligen Präsidentin der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität gegen den AStA in wesentlichen Teilen bestätigt.

Der Allgemeinde Studie­ren­de­n­aus­schuss (AStA) der Johann-Wolfgang-Goethe- Universität wendet sich mit der Klage gegen eine Rechts­auf­sichts­ver­fügung der seinerzeitigen Präsidentin der Universität. Hintergrund der im Juli 2018 erlassenen rechts­auf­sichts­recht­lichen Verfügung gegen den AStA ist – neben weiteren beanstandeten Äußerungen und Resolutionen - dessen Aufruf zur Teilnahme an einer am 05.07.2018 geplanten Demonstration „United we stand – unsere Solidarität gegen ihre Repressionen“. Die Demonstration richtete sich gegen Polizeigewalt in Zusammenhang mit Wohnungs­durch­su­chungen durch die Hamburger Polizei, die wiederum im Zusammenhang mit den Protesten gegen den G20-Gipfel standen. Daraufhin erließ die beklagte Universität die Verfügung, künftig allgemein politische Äußerungen, insbesondere solche Äußerungen, die als Aufruf zur Gewalt gegen Personen oder Sachen verstanden werden können, zu unterlassen. Gleichzeitig drohte sie für den Fall des Zuwiderhandelns ein Ordnungsgeld in Höhe von 4.000 Euro an.

Bereits frühere Ermahnungen für politische Äußerungen

In dem sich anschließenden Verwal­tungs­ver­fahren wies die Beklagte darauf hin, dass der AStA schon im Jahr 2017 mehrfach allgemein politische Äußerungen getätigt habe, so z.B. zu der Veranstaltung „Raven gegen Polizeiwillkür“ am 08.12.2017 aufgerufen und weiterhin einen Artikel in der Sommerausgabe der AStA-Zeitung im Jahr 2017 zu den allgemein politischen Themen wie Kapita­lis­mus­kritik, Klassenkampf, Mobilisierung zu Aktionen gegen rechte Gruppierungen und Möglichkeiten des Arbeitskampfes verfasst habe. Darüber hinaus habe das Studie­ren­den­pa­r­lament in einer Sitzung im Sommer 2018 eine Resolution zu dem Thema „Der NSU war nicht zu dritt“ beschlossen. Im November 2019 habe die Klägerin eine Resolution „Solidarität mit Rojava“, die sich auf die türkisch-dschi­ha­dis­tische Invasion in Rojava bezieht, beschlossen. Deshalb sei der AStA mündlich und schriftlich ermahnt und darauf hingewiesen worden, allgemein politische Äußerungen zu unterlassen.

VG erachtet Verfügung der Universität als rechtmäßig

Das Verwal­tungs­ge­richts Frankfurt am Main hat nunmehr in wesentlichen Teilen die Verfügung der damaligen Präsidentin der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität bestätigt. Bei einer Vielzahl der gerügten Verhal­tens­weisen habe die staatlich verfasste Studie­ren­den­schaft den ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereich nach § 77 Abs. 2 des Hessischen Hochschul­ge­setzes, nämlich die hochschul­po­li­tischen Belange der Studierenden wahrzunehmen und die politische Bildung der Studierenden zu fördern, deutlich überschritten und sich allgemein politisch betätigt. Insbesondere das Werben für die Demonstration „United we stand – unsere Solidarität gegen ihre Repression“ als auch das Teilen eines Demon­s­tra­ti­o­ns­aufrufs gegen Polizeigewalt und Polizeiwillkür auf der Facebook-Seite des AStA gegen die Pflicht verstoße, ausschließlich hochschul­be­zogene Belange wahrzunehmen.

Grenzen des hochschul­po­li­tischen Mandats überschritten

Den Demon­s­tra­ti­o­ns­aufruf, der über einen Facebook-Eintrag erfolgte, müsse sich die Klägerin auch zurechnen lassen. Denn von ihr sei dieser Demon­s­tra­ti­o­ns­aufruf ausdrücklich befürwortet worden. Eine am Neutra­li­tätsgebot orientierende Berück­sich­tigung verschiedener Sichtweisen fehle hier vollständig. Ebenso sei das Werben für die Veranstaltung „Raven gegen Polizeiwillkür“ und die vom Studie­ren­den­pa­r­lament beschlossene Resolution „Der NSU war nicht zu dritt“ nicht mehr von dem hochschul­po­li­tischen Mandat umfasst. Auch die von der Rechtsprechung für ein rechts­auf­sichts­recht­liches Einschreiten geforderte Wieder­ho­lungs­gefahr sah das Gericht in dem Verhalten des AStA. Bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung habe der ASTA nach wie vor mehrfach Themen wie die Protest-Bewegung in Hongkong, rechte Parolen, die Corona- Krise und die Asylpolitik, Forderungen zu den Themen „Fridays for Future“ in Publikationen wie der AStA-Zeitung oder Resolu­ti­o­ns­aufrufen abgehandelt. Auch durch Artikel und Beiträge in den AStA-Zeitungen habe die Klägerin gegen das Verbot des allgemein politischen Mandats verstoßen.

Zahlreiche Verstöße gegen die vorgeschriebene Neutra­li­täts­pflicht

Artikel wie "Stop talking Argumente gegen die Meinungs­freiheit", "Die Corona-Krise und der Schlag gegen das diffuse Ganze", An die besorgten Bürger eure Parolen sind verkehrt sowie "Konkrete Solidarität vor allem mit Geflüchteten AStA und GEW fordern konkrete Maßnahmen statt Symbolpolitik" seien entgegen der vorge­schriebenen Neutra­li­täts­pflicht veröffentlicht worden. Teilweise seien diese Artikel nicht als Fremdbeiträge hinreichend gekennzeichnet, teilweise einseitig in ihrer politischen Zielrichtung ausgesucht. Sie lieferten kein pluralistisches Meinungsbild. Lediglich eine Resolution des AStA zu der transnationalen Kampagne "BDS-Boykott" (Divestment and Sanctions) die sich kritisch mit einer israel-feindlichen Politik ausein­an­dersetzt und in Zusammenhang mit konkreten Forderungen an die Lehre der Hochschule gestellt werde - so wird z.B. ein weiterer Lehrstuhl zum Thema Antisemitismus-Forschung und eine Verankerung dieses Themas in den Studien­ord­nungen der Politik- und Sozial­wis­sen­schaften gefordert-, seien von dem hochschul­po­li­tischen Mandat umfasst und nicht zu beanstanden. Dass die Gefahr weiterer allge­mein­po­li­tischer Äußerungen durch den AStA bestehe, lege auch dessen Presse­mit­teilung vom 15.02.2021 nahe, weil hier öffentlich bekundet werde, sich auch künftig weiterhin zu allgemein politischen Themen äußern zu wollen. Das in der Verfügung angedrohte Ordnungsgeld im Falle weiterer Verstöße gegen den hochschul­po­li­tischen Rahmen wurde ebenfalls als rechtmäßig erachtet.

Quelle: Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/aw)

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