21.11.2024
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Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Urteil21.06.2021

Vielzahl von Fremd­text­über­nahmen ohne anfor­de­rungs­ge­rechte Quellenangaben: Aberkennung des Doktortitels wegen Täuschung bei Abfassung der Dissertation gerechtfertigtKlage gegen die Aberkennung des von der Johann Wolfgang Goethe-Universität verliehenen Doktorgrades erfolglos

Das Verwal­tungs­gericht Frankfurt am Main hat eine Klage gegen die Aberkennung der Doktorwürde abgewiesen.

Die Klägerin wurde im Jahr 1993 am Fachbereich Rechts­wis­sen­schaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität promoviert. Im Januar 2019 wurde ihr der verliehene Doktorgrad im Wesentlichen mit der Begründung entzogen, dass sie diesen durch Täuschung erlangt habe. In ihrer Dissertation habe sie über die Eigen­stän­digkeit ihrer wissen­schaft­lichen Leistung getäuscht, weil sie in erheblichem Umfang Textpassagen aus anderen Quellen übernommen habe, ohne diese als Zitate oder auf andere geeignete Weise kenntlich zu machen. Über weite Strecke sei einfach nur von anderen Quellen abgeschrieben worden, so dass letztendlich der gesamte Text aus einer Art Collagentechnik bestehe.

Klägerin: Verwendete Form der Nachweise damals übliche Praxis

Die Klägerin hat hiergegen die verwal­tungs­ge­richtliche Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass bei Anfertigung der Dissertation im Jahr 1993 nicht die gleichen strengen Regeln aus der wissen­schaft­lichen Praxis herangezogen werden könnten, wie sie in den Jahren 1998 und 2012 aufgestellt worden seien. Die von ihr verwendete Form der Nachweise der genutzten Literatur habe der im Jahre 1993 üblichen Praxis entsprochen. Darüber hinaus habe die beklagte Universität auch nicht hinreichend den nunmehr 25-jährigen Zeitablauf seit Annahme der Dissertation berücksichtigt. Die Arbeit der Klägerin betreffe thematisch rechtliche Aspekte der Eingliederung der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik in das Europäische Gemein­schaftsrecht. Da sich die politischen Umstände seit 1993 erheblich verändert hätten, komme der Arbeit der Klägerin zum heutigen Zeitpunkt für den wissen­schaft­lichen Diskurs auch keine Bedeutung mehr zu.

VG: Wissen­schaftliche Standards nicht eingehalten

Das VG hat die Klage abgewiesen. Der Entzug des Doktorgrades ist rechtmäßig. Nach dem Hessischen Hochschulgesetz diene eine Promotion dem Nachweis der Befähigung zu vertiefter wissen­schaft­licher Arbeit. Es müsse ein eigener Beitrag zum Wissen­schafts­prozess erbracht werden. Fremde Beiträge dürften nicht als eigene Beiträge in einer wissen­schaft­lichen Abhandlung ausgegeben werden. Übernahmen aus Arbeiten anderer Autoren müssten durch Zitate der Originalquellen vollständig offengelegt werden. Dies sei im Fall der klägerischen Dissertation in vielfachem Umfang nicht geschehen. Die wissen­schaft­lichen Standards seien nicht eingehalten.

Doktorgrad durch Täuschung erworben

Die Johann Wolfgang Goethe-Universität habe eine Vielzahl von Fremd­text­über­nahmen ohne anfor­de­rungs­ge­rechte Quellenangaben festgestellt. So habe die Beklagte in tabellarischer Form auf 21 Seiten die Fremd­text­über­nahmen, die fehlerhafte Zitierweise oder die Nichtzitierung anderer Quellen aufgeführt. Diese unzulänglichen Quellenangaben erstreckten sich über die gesamte Arbeit der Klägerin, so dass von einer bloßen Nachlässigkeit oder vereinzelten Defiziten bei der Bearbeitung nicht mehr ausgegangen werden könne. Aufgrund der Vielzahl der Plagiatsstellen und ihres Anteils am Gesamtumfang der Arbeit habe die Klägerin über die eigenständige wissen­schaftliche Leistung bei Abfassung der Dissertation getäuscht.

Entzug auch nach mehr als 25 Jahre gerechtfertigt

Obwohl die Verleihung des Doktortitels mehr als 25 Jahre zurückliege, sei die Entziehung gerechtfertigt. Das Gericht führt aus, dass im Ergebnis dem Grundsatz der Redlichkeit der Wissenschaft eine überragende Bedeutung zuzumessen sei und es weiterhin zu berücksichtigen sei, dass mit dem Doktorgrad eine Befähigung bescheinigt werde, die tatsächlich nicht nachgewiesen worden sei. Auch die Änderung wirtschaft­licher, politischer oder gesell­schaft­licher Verhältnisse, die möglicherweise dazu führten, dass der Dissertation der Klägerin für den heutigen tagesaktuellen wissen­schaft­lichen Diskurs keine Bedeutung mehr zukomme, könne nicht dazu führen, einen zu Unrecht verliehener Doktorgrad aufrecht zu erhalten.

Quelle: Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

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