21.11.2024
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Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Urteil27.05.2014

In Großbritannien ausgebildeter Chiropraktiker darf Heil­praktiker­tätigkeit in Deutschland ohne erneute Kenntnisprüfung aufnehmenFähigkeiten und Kenntnisse im Bereich der Chiropraktik ausreichend durch Aus­bildungs­nach­weise und praktische Tätigkeit an britischen Krankenhäusern nachgewiesen

Das Verwal­tungs­gericht Frankfurt am Main hat die Stadt Frankfurt am Main verpflichtet, einem in Großbritannien ausgebildeten Chiropraktiker die Erlaubnis zur Ausübung seiner Tätigkeit als Heilpraktiker zu erteilen, ohne zuvor eine erneute Kenntnisprüfung nach dem Heilprak­ti­ker­gesetz ablegen zu müssen.

In der Bundesrepublik Deutschland besteht - anders als zum Beispiel in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten von Amerika und Kanada - kein Ausbildungsgang und auch keine gesonderte Regelung zur qualifizierten Ausübung der Chiropraktik. Diese ist ein Heilberuf, der sich mit der Diagnose, Behandlung und Prävention funktioneller Störung der Statik und Dynamik des menschlichen Bewegungs­ap­parates beschäftigt, wozu insbesondere die Wirbelsäule, das Nervensystem, Muskeln, Sehnen und Gelenke zählen. Die Weltge­sund­heits­or­ga­ni­sation hatte bereits im Jahr 2006 Richtlinien zur Anforderung an das Studium und zur Sicherheit in der Chiropraktik herausgegeben. Da in der Bundesrepublik ein solcher Ausbildungsgang nicht existiert, führte dies letztendlich dazu, dass Chiropraktiker - um überhaupt tätig werden zu können - eine Ausbildung und eine Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde nach § 1 Abs. 1 des Heilprak­ti­ker­ge­setzes beschränkt auf das Gebiet der Chiropraktik beantragten mussten.

Sachverhalt

Der Kläger des vorliegenden Verfahrens hat nach dem Abitur von 1999 bis 2004 ein Vollzeitstudium in dem Fach "Chiropraktik" an einem britischen College of Chiropractic abgeschlossen. Er schloss dies mit einem Bachelorgrad ab und erhielt ein Jahr später den Mastertitel "Master of Science in Chiropractic Sciences". Ausweislich der vorgelegten Bescheinigungen beinhaltet dieser Titel ein klinisches Praktikum von 30 Wochenstunden, während dessen er unter Anleitung von qualifizierten Kranken­hau­s­ärzten Patienten begutachtete und behandelte. Der Kläger war darüber hinaus nach seiner Ausbildung ca. 7 Jahre als Vollzeitkraft in einer chiro­prak­tischen Klinik in Großbritannien tätig. In diesem Zeitraum hat er mindestens 24.000 Patienten behandelt und ca. 2.000 neue Patienten einer gründlichen Untersuchung mit Diagno­se­stellung und Erstellung eines Behand­lungsplans unterzogen.

Erlaubnis zum Tätigwerden als Chiropraktiker abgelehnt

Die von ihm beantragte Erlaubnis zum Tätigwerden nach dem Heilprak­ti­ker­gesetz beschränkt auf den Bereich der Chiropraktik ohne erneute Ablegung einer Kenntnisprüfung lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, dass der Erlass des Hessischen Sozial­mi­nis­teriums vom 30. September 2011 dem entgegenstehe. Die Ausübung der Chiropraktik umfasse allgemein medizinische Kenntnisse, deshalb komme eine Begrenzung der nachzuweisenden Kenntnisse sowie auch die beschränkte Erlaub­ni­s­er­teilung auf dem Gebiet der Chiropraktik nicht in Betracht.

Chiropraktiker klagt auf Erteilung der Erlaubnis mit Verweis auf sein Recht auf freie Berufswahl

Der Kläger wendet sich mit der vorliegenden Klage gegen diese Rechts­auf­fassung mit der Begründung, dass er aus dem Heilprak­ti­ker­gesetz in Verbindung mit dem grundrechtlich geschützten Recht auf freie Berufswahl einen Anspruch auf Erteilung dieser Erlaubnis haben müsse. Die erforderliche Sachkunde habe er durch seine Ausbildung und seine beruflichen Vortätigkeiten nachgewiesen.

Beklagte verweist auf zwingend vorgeschriebene Kenntnisprüfung für Erteilung einer Heilprak­ti­ker­er­laubnis

Diesem widersprach die Beklagte und verwies erneut darauf, dass auch nach der Richtlinie des Hessischen Sozial­mi­nis­teriums vom 12. Dezember 2012 eine Kenntnisprüfung für die Erteilung einer Heilpraktikererlaubnis zwingend vorgeschrieben sei. Ausnahmen seien nur für die Tätig­keits­gebiete der Psychotherapie und Physiotherapie zugelassen. Bezugnehmend auf einen weiteren Erlass des Hessischen Sozial­mi­nis­teriums vom Januar 2013 führt die Beklagte aus, dass eine Erteilung einer Erlaubnis nach dem Heilprak­ti­ker­gesetz mit einer inhaltlich beschränkten Erlaubnis nicht vorgesehen sei.

VG: Anspruch auf Erteilung der Heilprak­ti­ker­er­laubnis beschränkt auf Bereich der Chiropraktik besteht ohne Ablegung einer erneuten Prüfung

Das Verwal­tungs­gericht Frankfurt am Main stellt in seinem Urteil fest, dass der Kläger einen Anspruch auf Erteilung der Heilprak­ti­ker­er­laubnis beschränkt auf den Bereich der Chiropraktik ohne Ablegung einer erneuten Prüfung hat. Nach den Regelungen im Heilprak­ti­ker­gesetz bedarf derjenige einer Erlaubnis, wer die Heilkunde - ohne als Arzt bestallt zu sein - ausüben will. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat bereits in mehreren älteren Urteilen darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Grundgesetz ein Rechtsanspruch auf diese Erlaubnis bestehe, wenn kein rechtsstaatlich unbedenklicher Versagungsgrund nach dem Heilprak­ti­ker­gesetz vorliege.

Grundsätzlich vorausgesetzte notwendige Kenntnisprüfung würde Berufsfreiheit unver­hält­nismäßig einschränken

Im vorliegenden Fall sei es jedoch so, dass der Kläger durch seine Ausbil­dungs­nachweise an britischen Schulen und seine praktische Tätigkeit an britischen Krankenhäusern seine Fähigkeiten und Kenntnisse auf dem Bereich der Chiropraktik nachgewiesen habe. Das Gericht führt weiterhin aus, dass es die von der Beklagten bezugnehmend auf die aktuelle Richtlinie des Hessischen Sozial­mi­nis­teriums vom 12. Dezember 2012 gestützte Auffassung, wonach die Erteilung einer beschränkten Heilprak­ti­ker­er­laubnis grundsätzlich nicht möglich sei, nicht teile. Würde man vom Grundsatz her eine derartige Teilung des Berufsbildes verneinen, würde die Berufsfreiheit des Klägers und anderer Personen, welche eine vergleichbare Ausbildung im Bereich der Chiropraktik erhalten hatten, unver­hält­nismäßig eingeschränkt und dadurch das Grundrecht auf freie Berufswahl beeinträchtigt. Bereits für den Bereich der Psycho­the­ra­peuten habe das Bundes­ver­wal­tungs­gericht entschieden, dass die Heilprak­ti­ker­er­laubnis anders als die bei einem Arzt mit der Approbation erteilte Heilbefugnis teilbar sei. Für diesen Bereich wurde festgestellt, dass eine unein­ge­schränkte Heilprak­ti­ker­er­laubnis mit der Folge einer umfassenden Kennt­nis­über­prüfung zum Schutz der Volksgesundheit nicht erforderlich sei.

Grundrecht der Berufsfreiheit schützt auch international anerkannte Berufsbilder

Diese Argumentation macht sich das erkennende Gericht auch für den Bereich der Chiropraktik zu eigen. Die Argumentation der Beklagten, dass es in Deutschland keinen Studiengang für Chiropraktik gäbe und damit eine Beschränkung nach dem Heilprak­ti­ker­gesetz nicht möglich sei, überzeugte das Gericht nicht. Dieses stellte vielmehr fest, dass der In Ansehung der nachgewiesenen Qualifikationen des Klägers habe dieser somit seine Kenntnis nachgewiesen. Ihm sei daher die begehrte Erlaubnis zur Ausübung seiner Tätigkeit zu erteilen. Unter Beachtung des beruflichen Werdegangs sei die Befürchtung abwegig, die Tätigkeit des Klägers als Chiropraktiker könne eine Gefahr für die Volksgesundheit darstellen.

Quelle: Verwaltungsgericht Frankfurt am Main/ra-online

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