18.10.2024
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Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Entscheidung23.07.2009

Berechnung eines „Tarif­struk­tur­zu­schlags“ beim Wechsel in strukturell andere Kranken­ver­si­che­rung­s­tarife zulässigGesetzlichen Vorschriften über die Gleich­be­handlung der Versi­che­rungs­nehmer nicht verletzt

Eine Kranken­ver­si­cherung, die eine neue Tarifserie auf den Markt bringt, darf im Falle eines Wechsels eines Versi­che­rungs­nehmers aus einem alten Tarif in einen neunen Tarif einen pauschalen Zuschlag – einen so genannten „Tarif­struk­tur­zu­schlag“ – auf die Grundprämie erheben. Die Gleich­be­handlung der Versi­che­rungs­nehmer wird dadurch nicht verletzt. Dies entschied das Verwal­tungs­gericht Frankfurt am Main.

Die Klägerin hat am 01.03.2007 eine neue Tarifserie zur Krankenversicherung mit der Bezeichnung „Aktimed“ auf den Markt gebracht und zugleich die vergleichbaren Alttarife für das Neugeschäft geschlossen. Die Tarife der Aktimed-Serie unterscheiden sich von den Alttarifen insbesondere durch eine veränderte Gesund­heits­prüfung, die eine verur­sa­chungs­ge­rechtere und vollständigere Bewertung von Vorerkrankungen ermöglichen soll. Im Falle eines Wechsels eines Versi­che­rungs­nehmers aus einem der alten Tarife in einen Tarif der Aktimed-Serie erhebt die Klägerin unabhängig von der Frage, ob der neue Tarif gegenüber dem alten Tarif mehr Leistungen bietet, einen pauschalen Zuschlag in Höhe von ca. 20 % auf die Grundprämie des Aktimed- Tarifs, den sie als „Tarifss­truk­tur­zu­schlag“ bezeichnet. Den Tarif­struk­tur­zu­schlag verlangt die Klägerin auch von Versi­che­rungs­nehmern, die im alten Tarif bisher keinen Risikozuschlag gezahlt haben. Versicherte, die im bisherigen Tarif bereits Risikozuschläge gezahlt haben, sollen zusätzlich zu dem pauschalen Tarif­struk­tur­zu­schlag individuelle Risikozuschläge zahlen. Die Klägerin begründet die Erhebung des Tarif­struk­tur­zu­schlags damit, dass in den alten Tarifen unterschiedlich hohe Risiken gleichgestellt und zu einer Pauschalprämie versichert worden seien. Fast 90 % der Versicherten seien in den Alttarifen ohne individuelle Risikozuschläge versichert worden. Die Grundprämie der Aktimed-Tarife sei dagegen auf Basis der besten Risiken kalkuliert und daher erheblich niedriger. Könnten alle Versi­che­rungs­nehmer, die in den alten Tarifen keinen individuellen Risikozuschlag zahlen mussten, zur günstigen Grundprämie in die Aktimed- Tarife wechseln, würden sie gegenüber den Neukunden ungerecht­fertigt bevorzugt.

Versicherung soll bei Wechsel aus Tarifen mit gleichwertigem Versi­che­rungs­schutz auf Erhebung von Tarif­struk­tur­zu­schlags verzichten

Die Beklagte, die Bundesanstalt für Finanz­dienst­leis­tungs­aufsicht, hat mit Bescheid vom 08.05.2008 angeordnet, dass die Klägerin Anträge von Versi­che­rungs­nehmern bei ab dem 01.01.2008 abgeschlossenen Verträgen auf Wechsel aus Tarifen mit gleichwertigem Versi­che­rungs­schutz in verschiedene Aktimed-Tarife ohne Erhebung eines Tarif­struk­tur­zu­schlags annehmen muss, soweit bei Vertragsbeginn keinerlei Vorerkrankungen, Beschwerden oder sonstige gefahrerhöhende Umstände, die nach den Aktimed-Tarifen zu einem Risikozuschlag führen, dokumentiert wurden. Gegen diese Anordnung hat die Klägerin Widerspruch erhoben und vorgetragen, der Tarif­struk­tur­zu­schlag entspreche dem in den Alttarifen enthaltenen kalku­la­to­rischen pauschalen Risikozuschlag und sei notwendig, um die kalkulatorische Inkom­pa­ti­bilität zwischen den Alt- und Neutarifen zu überwinden und das Tarif­wech­selrecht zu ermöglichen. Gegen den ablehnenden Wider­spruchs­be­scheid hat die Klägerin am 06.10.2008 Klage erhoben.

Tarifwechsler dürfen nicht schlechter dastehen – Wechsel an sich muss jedoch seitens der Versicherung nicht attraktiv gestaltet sein

Das Verwal­tungs­gericht Frankfurt am Main hat der Klage stattgegeben. Der Tarif­struk­tur­zu­schlag hindere die Versi­che­rungs­nehmer in den Herkunft­s­tarifen nicht daran, in die neue Tarifwelt zu wechseln. Die im Herkunftstarif erworbenen Rechte würden dabei vollständig angerechnet. Das Gesetz verlange nur, dass die Tarifwechsler rechtlich nicht schlechter stehen dürften als sie im Herkunftstarif gestanden haben, nicht aber, dass ihnen der Tarifwechsel so attraktiv wie möglich gemacht werden müsse. Auch die gesetzlichen Vorschriften über die Gleich­be­handlung der Versi­che­rungs­nehmer seien nicht verletzt, da die Altversicherten und die Neuversicherten die Versi­che­rungs­verträge jeweils unter anderen Bedingungen geschlossen hätten und daher für die Bemessung der Prämien keine gleichen Voraussetzungen vorlägen. Es finde auch keine Quersub­ven­ti­o­nierung der günstigeren Prämien für Neukunden zulasten der Bestandskunden statt. Das Gericht sieht seine Rechts­auf­fassung durch ein Urteil des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts aus dem Jahre 1999 bestätigt. Die Kammer hat sowohl die Berufung als auch die Sprungrevision zugelassen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 27/09 des VG Frankfurt am Main vom 23.07.2009

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