21.11.2024
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Verwaltungsgericht Dresden Beschluss27.06.2012

Eignungsprüfung für den Zugang zum Gymnasium rechtswidrigVG Dresden äußert Zweifel an ausreichender gesetzlicher Grundlage für Eignungsprüfung

Die an nicht staatlich anerkannten Ersatzschulen durchgeführte Eignungsprüfung für einen möglichen Zugang zum Gymnasium ist rechtswidrig. Dies entschied das Verwal­tungs­gericht Dresden und äußerte mit seiner Entscheidung Zweifel an einer ausreichend gesetzlichen Grundlage für die Eignungsprüfung.

Für den Besuch eines Gymnasiums ist nach den Regelungen im Sächsischen Schulgesetz, in der Schulordnung Grundschulen und in der Schulordnung Gymnasien eine Bildungs­emp­fehlung Voraussetzung. Diese wird für das Gymnasium erteilt, wenn der Schüler/die Schülerin in der Halbjah­res­in­for­mation (Zeugnis) im zweiten Schulhalbjahr der Klassenstufe 4 in den Fächern Deutsch, Mathematik und Sachunterricht im Durchschnitt die Note 2, oder besser erhalten hat. Die Bildungs­emp­feh­lungen werden von staatlichen Grundschulen sowie Ersatzschulen erteilt, denen der Staat mit seiner Anerkennung dieses Recht zuerkannt hat.

Schüler nicht staatlich anerkannter Ersatzschulen müssen sich Eignungsprüfung für Gymna­si­ums­besuch unterziehen

Der Schüler des zugrunde liegenden Streitfalls, dessen Eltern mit Erfolg den Gymna­si­ums­besuch ihres Sohnes durchsetzten, besucht derzeit noch eine Grundschule, die keine staatliche anerkannte Ersatzschule ist. Schülerinnen und Schüler dieser Schulen müssen sich einer Eignungsprüfung unterziehen, wenn sie ein Gymnasium besuchen wollen. Diese wird landes­ein­heitlich an von der Sächsischen Bildungsagentur bestimmten staatlichen Grundschulen abgelegt. Die Eignungsprüfung ist eine einstündige schriftliche Prüfungsarbeit, die die Fächer Deutsch, Mathematik und Sachkunde zu gleichen Teilen berücksichtigt und die bestanden ist, wenn sie mit der Note "gut" oder besser bewertet wird.

Sohn erreicht in Prüfung nicht notwendige Punktzahl für Gymna­si­ums­besuch

Der Sohn der antrag­stel­lenden Eltern erzielte in der Eignungsprüfung 19 Wertungspunkte, nach einer Bewertung durch einen Zweitprüfer 18 Punkte. Den antrag­stel­lenden Eltern wurde daraufhin mitgeteilt, dass ihr Sohn nicht das Gymnasium besuchen dürfe. Im Ergebnis eines anschließend erfolglos durchgeführten Wider­spruchs­ver­fahrens teilte die Sächsische Bildungsagentur den Eltern mit, dass eine Neubewertung die Note "befriedigend" ergeben habe. Die Einzelaufgaben waren dabei den jeweiligen Fächern zugeordnet worden, so dass für jedes Fach neun, zusammen also 27 Bewer­tungs­punkte hätten erreicht werden können.

Bewertung der Eignungsprüfung in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft

Das Verwal­tungs­gericht Dresden kam zu dem Ergebnis, dass die Bewertung der Eignungsprüfung in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft sei. Die Richter kritisierten, dass es möglicherweise bereits an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage für die Eignungsprüfung fehle. Nach den Regelungen im Sächsischen Schulgesetz sei die "Eignung der Schüler für die jeweilige Schulart entsprechend ihrer Begabung und Leistung" festzustellen. Mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der "Eignung" sei lediglich ein Rahmen umschrieben, der durch den Gesetzgeber weiter auszufüllen sei. Dies sei seit dem Bestehen des Sächsischen Schulgesetzes, das erstmals am 1. August 1991 in Kraft getreten ist, nicht erfolgt. Eine Ausgestaltung des Eignungs­be­griffs durch den Verord­nungsgeber reiche nicht aus.

Bewer­tungs­maßstab nicht ausreichend differenziert und daher unrichtig angewendet

Letztlich zum Erfolg führten jedoch die vom Verwal­tungs­gericht festgestellten Mängel im Prüfungs­ver­fahren. Die einschlägigen Regelungen in der Schulordnung Gymnasien ließen offen, was genau unter der Note "gut" zu verstehen sei und wie diese Gesamtnote aus der Benotung von Einzelfächern zusam­men­zu­setzen sei. Ferner sei die Prüfungs­leistung fehlerhaft bewertet worden. Aus den einschlägigen Vorschriften gehe nicht hervor, dass ein Zweitprüfer tätig zu werden habe. Ferner sei durch die Änderung der Bewertungsskala im Wider­spruchs­ver­fahren ein für den Sohn der Antragsteller ungünstiger Bewer­tungs­maßstab angewandt worden, was gegen den Grundsatz der Chancen­gleichheit verstoße. Der Bewer­tungs­maßstab sei auch unrichtig angewandt worden, weil er nicht ausreichend differenziert sei und es beispielsweise nicht zulasse, teilweise richtige Antworten auch mit Teilen von Wertungspunkten zu berücksichtigen. Es lägen auch Fehler bei der Bewertung vor. So habe etwa der Sohn der Antragsteller bei der Frage nach Milchprodukten aus vorgegebenen Antworten "Vollkornbrot mit Käse" und "Eierkuchen" ausgewählt, was zu Unrecht als falsch bewertet worden sei. Denn aus der Aufga­ben­stellung sei nicht klar ersichtlich gewesen - erst recht nicht für einen Viertklässler -, dass nach Produkten gefragt war die aus Milch und nicht mit Milch hergestellt sind. Bei einer zweideutigen Aufga­ben­stellung müsse dem Schüler ein größerer Antwort­s­pielraum zugebilligt werden, so dass die Antworten als richtig hätten gewertet werden müssen. Fehlerhaft sei schließlich auch, dass den Prüfern anders als bei anderen Prüfungs­teil­nehmern die Halbjahresnoten des Sohnes der Antragsteller bekannt gewesen seien; dadurch sei nicht ausgeschlossen, dass sachwidrige Erwägungen die Bewertung beeinflusst haben.

Schüler muss wegen Mängeln im Prüfverfahren ausnahmsweise vorläufig zum Schulbesuch am Gymnasium zugelassen werden

Da wegen der Vielzahl der Mängel im Prüfungs­ver­fahren eine fehlerfreie erneute Bewertung bis zum Beginn des neuen Schuljahres nicht zu erwarten sei, müsse der Sohn der Antragsteller ausnahmsweise vorläufig zum Schulbesuch an einem Gymnasium zugelassen werden. Denn er sei nicht erkennbar ungeeignet, und es sei auch nicht ersichtlich, dass die Funkti­o­ns­fä­higkeit der Schulart bei einer Zulassung des Schülers beeinträchtigt werde.

Quelle: Verwaltungsgericht Dresden/ra-online

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