21.11.2024
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Sie sehen einen Mann mit einem Jagdgewehr im Anschlag.
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Verwaltungsgericht Darmstadt Beschluss04.03.2020

Entzug einer Waffen­be­sitzkarte für sogenannten "Reichsbürger" rechtmäßigErforderliche waffen­rechtliche Zuverlässigkeit nicht gegeben

Das Verwal­tungs­gericht Darmstadt hat im Eilverfahren eine Entscheidung des Landkreises Offenbach bestätigt, in der einem sogenannten "Reichsbürger" die Waffen­be­sitz­karten (und damit seine Berechtigung zum Besitz erlaubnis­pflichtiger Waffen) entzogen wurden. Soweit dem Betroffenen darüber hinaus auch der Besitz erlaubnisfreier Waffen untersagt wurde, hatte sein Eilantrag Erfolg.

Der Antragsteller des zugrunde liegenden Falls ist als Sportschütze Inhaber zweier in den Jahren 1996 und 1997 ausgestellter Waffen­be­sitz­karten und besitzt sechs Schusswaffen. Im Jahr 2015 beantragte er einen Staats­an­ge­hö­rig­keits­ausweis und gab bei der Antragstellung als Geburtsstaat "Königreich Preußen (Deutschland als Ganzes) und als Wohnsitzstaat "Großherzogtum Hessen (Deutschland als Ganzes)" an. Darüber hinaus gab er an, die Staats­an­ge­hö­rigkeit des Königreichs Sachsen zu besitzen.

Behörde widerruft Waffen­be­sitzkarte

Mit Bescheid vom 3. Dezember 2019 widerrief die Behörde nach entsprechender Anhörung die dem Antragssteller erteilten Waffen­be­sitz­karten und untersagte ihm darüber hinaus allgemein den Besitz von Waffen und Munition. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die im Rahmen der Beantragung des Staats­an­ge­hö­rig­keits­aus­weises gemachten Angaben des Antragstellers erkennen ließen, dass dieser der sogenannten Reichs­bür­ger­be­wegung zuzuordnen sei, er damit die Bundesrepublik Deutschland nicht anerkenne und deren Rechtsordnung und Organe ablehne. Aufgrund dieser Zuordnung besitze er nicht mehr die erforderliche waffen­rechtliche Zuverlässigkeit. Denn es müsse davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller damit auch das Waffenrecht als für sich nicht verbindlich ansehe und demzufolge nicht vorsichtig und sachgemäß mit den Waffen umgehe beziehungsweise diese verwahre.

Antragsteller verneint Sympa­thie­be­kun­dungen zur Reichs­bür­ger­be­wegung

Hiergegen erhob der Antragsteller Widerspruch und suchte bei Gericht um vorläufigen Rechtsschutz nach. Er trug vor, dass er keinerlei Sympa­thie­be­kun­dungen in Bezug auf die Reichs­bür­ger­be­wegung erhebe und darüber hinaus auch weder ausdrücklich noch konkludent seine Bindung an in der Bundesrepublik Deutschland geltende Rechts­vor­schriften in Abrede stelle.

Öffentliche Interesse an sofortiger Vollziehung der Wider­ruf­s­ent­scheidung überwiegt private Interesse des Antragstellers

Das Verwal­tungs­gericht Darmstadt lehnte den Antrag insoweit ab, als sich dieser auf den Entzug der Waffen­be­sitz­karten bezieht. Zur Begründung führt das Gericht aus, dass der Antragsteller nicht über die erforderliche waffen­rechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Waffengesetz verfüge. Maßgeblich für die Beurteilung, ob die erforderliche waffen­rechtliche Zuverlässigkeit gegeben sei, sei eine auf Tatsachen gestützte Prognose eines waffenrechtlich bedenklichen Verhaltens, aus dem mit großer Wahrschein­lichkeit der Eintritt von Schäden für hohe Rechtsgüter resultiere. Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden seien, seien nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten das Vertrauen verdienten, mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umzugehen. Nach Aktenlage sei vorliegend davon auszugehen, dass der Antragsteller der sogenannten "Reichs­bür­ger­be­wegung" zugehörig sei bzw. sich deren Ideologie zu eigen gemacht habe. Verbindendes Element dieser Reichs­bür­ger­be­wegung sei die fundamentale Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland sowie deren bestehender Rechtsordnung. Nach einem entsprechenden Verfas­sungs­schutz­bericht sei die Reichs­bür­ge­r­ideologie geeignet, Personen in ein geschlossenes, verschwö­rungs­the­o­re­tisches Weltbild zu verstricken, in dem aus Staats­ver­dros­senheit Staatshass werden könne. Dies könne wiederum Grundlage für eine Radikalisierung sein bis hin zur Gewaltanwendung. Da die Mitglieder dieser Bewegung waffen­rechtliche Normen nicht als für sie verbindlich ansähen, müsse ihnen die nach § 5 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit abgesprochen werden. Aufgrund der Aktenlage sei im summarischen vorläufigen Recht­schutz­ver­fahren davon auszugehen, dass der Antragsteller Mitglied dieser Bewegung sei bzw. sich nicht glaubhaft davon distanziert habe. Aus Gründen der Gefahrenabwehr und der Gefahr für überragende Rechtsgüter überwiege daher das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Wider­ruf­s­ent­scheidung gegen-über dem privaten Interesse des Antragstellers.

Besitzverbot bezüglich erlaubnisfreier Waffen aufgehoben

Soweit die Behörde darüber hinaus ein allgemeines Besitzverbot bezüglich erlaubnisfreier Waffen ausgesprochen habe, habe der Antrag hingegen Erfolg. Im Hinblick auf das erheblich reduzierte Gefähr­dungs­po­tenzial solcher Waffen könnten die vorgenannten Grundsätze hierauf nicht angewandt werden. Damit überwiege insoweit das Interesse des Antragstellers, weiterhin im Besitz dieser Waffen bleiben zu können, gegenüber dem öffentlichen Interesse an deren Entzug.

Quelle: Verwaltungsgericht Darmstadt/ra-online (pm/kg)

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