21.11.2024
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Verwaltungsgericht Darmstadt Beschluss27.05.2014

Tätowierung kann einer Einstellung bei der Bundespolizei entgegenstehenDurch Uniform zum Ausdruck gebrachte Legitimation und Neutralität des Polizeibeamten kann durch Tätowierung beeinträchtigt werden

Das Verwal­tungs­gericht Darmstadt hat in einem Eilverfahren entschieden, dass eine Bewerberin für den Dienst bei der Bundespolizei unter Hinweis auf eine großflächige Tätowierung ihres Unterarms abgelehnt werden darf.

Im zugrunde liegenden Streitfall hatte sich eine junge Frau aus Darmstadt um die Zulassung zur Ausbildung für den gehobenen Polizei­voll­zugs­dienst bei der Bundespolizei beworben. Nachdem bekannt geworden war, dass die Bewerberin am rechten Unterarm eine großflächige Tätowierung trägt, war ihr seitens der Bundes­po­li­zei­akademie die Zulassung zu dem der Einstellung vorgeschalteten Eignungs­aus­wahl­ver­fahren versagt worden.

Sichtbare Tätowierungen könnten Misstrauen des Bürgers schüren

Zur Begründung war darauf hingewiesen worden, dass nach den einschlägigen Richtlinien jedwede Tätowierung, die beim Tragen der Uniform - wozu auch das kurzärmelige Sommerhemd gehöre - sichtbar sei, einer Einstellung in den Dienst der Bundespolizei entgegenstehe. Nach Auffassung des Dienstherrn, der Bundesrepublik Deutschland, sei die Uniform Ausdruck der Legitimation und der Neutralität des Polizeibeamten. Diese könnten durch eine Tätowierung beeinträchtigt werden. Bei Einsätzen mit Gefährdungs- und Konflikt­po­ten­zialen gehe es darum, möglichst keine Ansätze für Provokationen zu bieten. Sichtbare Tätowierungen könnten das Misstrauen des Bürgers schüren, weil sie als Zeichen eines gesteigerten Erlebnisdrangs verstanden werden könnten. Solche Tätowierungen würden eine überzogene Individualität zum Ausdruck bringen, die die Toleranz anderer übermäßig beanspruche.

Klägerin sieht in Tätowierung Ausdruck des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts und Zeichen eines gesell­schaft­lichen Wandels

Gegen diese Entscheidung wandte sich die abgelehnte Bewerberin und beantragte beim Verwal­tungs­gericht Darmstadt im Wege des einstweiligen Rechts­schutz­ver­fahrens, ihr die Teilnahme am Eignungs­aus­wahl­ver­fahren zu ermöglichen. Ihrer Auffassung nach verletze die behördliche Entscheidung ihre verfas­sungs­mäßigen Rechte, nämlich das Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz), das Recht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz) und das Recht auf Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Maßgabe von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung (Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz). Die Ansicht der Behörde lasse außer Acht, dass sich in jüngerer Zeit sowohl in der Bevölkerung als auch im Polizeidienst die Vorstellungen über Tätowierungen als "Körperschmuck" entscheidend geändert haben dürften. Immer mehr jüngere und auch ältere Menschen ließen sich - für alle sichtbar - tätowieren, dies sei Ausdruck des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts und Zeichen eines gesell­schaft­lichen Wandels.

Regelungen des Dienstherrn zur Sicherstellung der Neutra­li­täts­funktion der Polizeiuniform und Wahrung der Autorität der Bundespolizei nachvollziehbar

Das Verwal­tungs­gericht Darmstadt ist dieser Argumentation der Antragstellerin im Ergebnis nicht gefolgt. Zwar sei es richtig, dass Tätowierungen heutzutage nicht mehr nur in Seefahrer- und Sträf­lings­kreisen anzutreffen seien, sondern in den verschiedensten Gesell­schafts­schichten, insbesondere auch in Kreisen der Sportler, bei Künstlern und anderen Prominenten. Hieraus könne jedoch nicht abgeleitet werden, dass in der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit ein Wechsel der entsprechenden Anschauungen stattgefunden habe mit der Folge, dass auch bei einem Polizisten als Repräsentant des Staates eine großflächige Tätowierung allgemein toleriert werde. Besondere Bedeutung gewinne in diesem Zusammenhang die Aufga­ben­stellung der Bundespolizei. Diese sei unter anderem zuständig für den grenz­po­li­zei­lichen Schutz des Bundesgebietes und die polizeiliche Kontrolle des grenz­über­schrei­tenden Verkehrs, ihr oblägen die Aufgaben der Bahnpolizei, sie sei zuständig für Sicher­heits­maß­nahmen an Bord von Flugzeugen und sie unterstütze das Auswärtige Amt beim Schutz deutscher diplomatischer Vertretungen im Ausland. Häufig seien demnach die Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei die ersten Vertreter des deutschen Staates, die einreisende Ausländer wahrnehmen würden. Vor diesem Hintergrund sei es nach Auffassung des Gerichts nachvollziehbar, wenn der Dienstherr Regelungen erlasse, die dazu dienen sollten, die Neutra­li­täts­funktion der Polizeiuniform sicherzustellen und einem zu befürchtenden Verlust von Autorität wegen großflächiger Tätowierungen vorzubeugen.

Tätowierungen könnten Anlass zu Provokationen bieten

Auch die weitere Erwägung des Dienstherrn, derartige Tätowierungen könnten Anlass zu Provokationen bieten und seien geeignet, die Toleranz anderer übermäßig zu beanspruchen, halte sich nach Ansicht des Gerichts im Rahmen der dem Dienstherrn vorbehaltenen Eignungs­prognose, denn fraglos böten solche Tätowierungen eines Polizeibeamten Ansatzpunkte für Diskussionen, die letztendlich dazu führen könnten, dass der Uniformträger wegen seines äußeren Erschei­nungs­bildes abgelehnt werde.

Generelles Verbot jeglicher sichtbaren Tätowierung bei Bewerbern für den Dienst bei der Bundespolizei nicht möglich

Dies bedeute allerdings nicht, dass heutzutage jedwede Tätowierung ungeachtet ihres Inhalts und ihrer äußeren Erschei­nungsform einem Bewerber für den Dienst bei der Bundespolizei entge­gen­ge­halten werden könne. Absolute Einstel­lungs­hin­dernisse seien demnach Tätowierungen mit einem nicht akzeptablen Inhalt, also beispielsweise solche gewalt­ver­herr­li­chender, sexistischer oder allgemein die Menschenwürde verletzender Art, aber auch solche, die Symbole aufwiesen, die einen Bezug zu extremen politischen Auffassungen herstellten. Andererseits könne nicht mehr davon ausgegangen werden, dass dezente Tätowierungen von geringer Größe und ohne besondere Symbolik auch heute noch als Eignungsmangel angesehen werden könnten. Ein generelles Verbot jeglicher sichtbaren Tätowierung bei einem Bewerber für den Dienst bei der Bundespolizei lasse sich daher nicht mehr rechtfertigen.

Großflächiges Tattoo berechtigt Dienstherrn dazu, Zulassung zur Ausbildung für den Polizeidienst zu versagen

Da es sich im Falle der Antragstellerin um eine großflächige Tätowierung des Unterarms gehandelt habe, habe das Gericht ihrem einstweiligen Rechts­schutz­be­gehren nicht entsprechen können. Alleine deren Größe berechtige den Dienstherrn im Rahmen der Inter­es­se­n­ab­wägung, die Antragstellerin nicht zur Ausbildung für den Polizeidienst zuzulassen.

Quelle: Verwaltungsgericht Darmstadt/ra-online

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