23.11.2024
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Verwaltungsgericht Chemnitz Urteil11.05.2017

Kein subsidiärer Schutz für Asylbewerber aus LibyenPermanente Gefahren für gesamt Bevölkerung stellen keine individuelle Bedrohung für Einzelpersonen dar

Das Verwal­tungs­gericht Chemnitz hat entschieden, dass ein Ausländer, soweit er nicht bereits als Asylbe­rech­tigter beziehungsweise Flüchtling im Sinne des § 3 AsylG anzuerkennen ist, subsidiär schutz­be­rechtigt ist, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorbringen kann, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt dabei eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder inner­staat­lichen bewaffneten Konflikts.

Unabhängig von der Frage, inwieweit in Libyen noch flächendeckend ein inner­staat­licher bewaffneter Konflikt anzunehmen ist, ging das Verwal­tungs­gericht in seiner Entscheidung davon aus, dass für Zivilpersonen ohne das Hinzutreten besonderer persönlicher gefah­rer­hö­hender Gründe zumindest für den Großraum Tripolis derzeit keine ernsthafte und individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt vorliegt, so dass hier auch für Personen aus anderen Landesteilen eine innerstaatliche Fluchtal­ter­native besteht.

Inner­staat­licher bewaffneter Konflikt führt in der Regel zu permanenter Gefährdung der gesamten Bevölkerung

Für eine solche ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit als Zivilperson sei es nicht ausreichend, wenn der innerstaatliche bewaffnete Konflikt zu einer permanenten Gefährdung der Bevölkerung führt. Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevöl­ke­rungs­gruppe eines Landes allgemein ausgesetzt ist, stellen grundsätzlich keine individuelle Bedrohung dar. Hat jedoch der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein, kann auch ohne individuelle gefahrerhöhende Umstände eine ernsthafte individuelle Bedrohung von Leib oder Leben bestehen.

Keine erhöhte Gefahrendichte

Eine solche besondere Gefahrendichte vermochte das Gericht auf der Basis der zur Verfügung stehenden Daten jedoch nicht festzustellen. So ergeben sich beispielsweise ausweislich der Dokumentation bekannter Vorfälle des Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (ACCORD) für das gesamte Land für das Jahr 2015 1.255 Vorfälle und 2.705 Todesopfer. Im ersten Halbjahr 2016 dokumentierte ACCORD insgesamt 496 Vorfälle und 1.294 Todesopfer (Zahlen veröffentlicht in Home Office, Country Policy and Information Note, Libya: Security and humanitarian situation, Januar 2017). Diesem steht eine Gesam­t­ein­wohn­erzahl für das Land von rund 6,2 Millionen gegenüber. Konkret für die Stadt Tripolis mit rund 1,6 Millionen Einwohnern wurden für 2015 168 Vorfälle und 111 Todesopfer sowie für das erste Halbjahr 2016 87 Vorfälle und 103 Todesopfer erfasst. Auch die Dokumentationen anderer Organisationen ergeben für die Ansprüche der Kläger kein günstigeres Bild.

Gericht verneint erhöhte Gefahr von Tötungen oder Verletzungen

Selbst wenn zur Berück­sich­tigung der bei den Vorfällen zwar nicht getöteten, wohl aber verletzten Personen, sowie zur Berück­sich­tigung möglicher nicht bekannt gewordener Vorfälle die angegebenen Opferzahlen vervierfacht würden, wäre das Risiko binnen eines Jahres im Großraum Tripolis aufgrund eines inner­staat­lichen bewaffneten Konflikts getötet oder verletzt zu werden, mit weniger als 1:1900 auszuweisen.

Quelle: Verwaltungsgericht Chemnitz/ra-online

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