21.11.2024
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Verwaltungsgericht Bremen Urteil03.07.2012

Kein Streikrecht für beamtete LehrerStreikrecht mit Grundprinzipen des Berufs­be­am­tentums nicht vereinbar

Verbeamtete Lehrer die wegen ihrer Teilnahme an einem Streik vom Unterricht fernbleiben, verstoßen schuldhaft gegen ihr Dienstpflichten. Zur Rechtfertigung der Dienst­pflicht­ver­letzung können sich Beamte nicht auf ein Streikrecht berufen. Hierauf können sich ausschließlich Tarif­be­schäftigte im öffentlichen Dienst, nicht aber Beamte beziehen, da ein Streikrecht mit den Grundprinzipen des Berufs­be­am­tentums nicht vereinbar ist.

Die Kläger des zugrunde liegenden Falls sind Beamte der Stadtgemeinde Bremen. Am 25. Februar 2009 waren sie während der Unterrichtszeit einem Aufruf der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zu einem Warnstreik gefolgt, mit dem die Gewerkschaft ihrer Forderung Nachdruck verleihen wollte, die zuvor für die Angestellten des öffentlichen Dienstes vereinbarten Gehalts­an­passung auf Beamte zu übertragen. Durch die Teilnahme am Warnstreik versäumte jeder der Kläger mehrere Unter­richts­s­tunden. Die Senatorin für Bildung und Wissenschaft sah in der Teilnahme an dem Warnstreik ein Dienstvergehen und erteilte den Klägern jeweils einen diszi­pli­nar­recht­lichen Verweis.

Beamte sehen in generellem Streikverbot für Beamte einen Verstoß gegen die Europäische Menschen­rechts­kon­vention

Dagegen haben die Kläger vor dem Verwal­tungs­gericht Bremen Klagen erhoben. Sie vertreten die Ansicht, dass ein generelles Streikverbot für Beamte gegen Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und weitere internationale Bestimmungen verstoße. Das deutsche Beamtenrecht bedürfe insoweit einer an den internationalen Bestimmungen orientierten Neuauslegung.

Lehrer verstoßen mit Fernbleiben vom Unterricht schuldhaft gegen Dienstpflichten

Die Fachkammer für Diszi­pli­nar­sachen des Verwal­tungs­ge­richts hat die Klagen als unbegründet zurückgewiesen. Das Gericht führte in den Urteilen aus, dass die Kläger durch ihr ungenehmigtes Fernbleiben vom Dienst schuldhaft gegen ihre Dienstpflichten verstoßen hätten. Zur Rechtfertigung dieser Dienst­pflicht­ver­letzung könnten sich die Kläger nicht auf ein Streikrecht berufen. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht habe in zurückliegenden Entscheidungen stets die Auffassung vertreten, dass sich nur Tarif­be­schäftigte im öffentlichen Dienst, nicht aber Beamte auf ein Streikrecht berufen könnten, weil ein Streikrecht mit den Grundprinzipen des Berufs­be­am­tentums nicht vereinbar sei.

Verwal­tungs­gericht muss sich an Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts halten

Das angerufene Verwal­tungs­gericht sei nach § 31 Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts­gesetz (BVerfGG) an diese Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts gebunden. Neuere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), auf die die Kläger sich berufen hatten, erlaubten es dem Verwal­tungs­gericht nicht, sich hier ausnahmsweise über die Bindungswirkung der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hinwegzusetzen. Zwar stünden Entscheidungen des EGMR, die neue Aspekte für die Auslegung des Grundgesetzes enthielten, recht­s­er­heb­lichen Änderungen gleich, die unter Umständen zu einer Überwindung der Rechtskraft von Entscheidungen des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts führen könnten. Auch dienten der Konventionstext und die Rechtsprechung des EGMR auf der Ebene des Verfas­sungs­rechts als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte und der rechts­s­taat­lichen Grundsätze des Grundgesetzes. Es sei aber schon fraglich, ob den angesprochenen Entscheidungen des EGMR überhaupt - wie die Kläger meinten - eine völker­rechtliche Gewährleistung des Streikrechts für Beamte allgemein oder für bestimmte Beamtengruppen entnommen werden könne. Selbst wenn dem so sei, werde damit jedoch ein Kernbestand der in Artikel 33 Abs. 5 Grundgesetz verankerten hergebrachten Grundsätze des Beamtentum in Frage gestellt. Es sei dem Verfas­sungs­ge­setzgeber bzw. dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht vorbehalten, den Kernbestand von Art. 33 Abs. 5 GG in seinen Grundstrukturen ggf. an das Konven­ti­o­nsrecht in Art. 11 EMRK anzupassen. Ein Fachgericht sei dazu nicht befugt. Die Erteilung eines Verweises sei die angemessene Reaktion auf die von den Klägern begangene Dienst­pflicht­ver­letzung.

Quelle: Verwaltungsgericht Bremen/ra-online

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