Dokument-Nr. 13802
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Verwaltungsgericht Bremen Urteil03.07.2012
Kein Streikrecht für beamtete LehrerStreikrecht mit Grundprinzipen des Berufsbeamtentums nicht vereinbar
Verbeamtete Lehrer die wegen ihrer Teilnahme an einem Streik vom Unterricht fernbleiben, verstoßen schuldhaft gegen ihr Dienstpflichten. Zur Rechtfertigung der Dienstpflichtverletzung können sich Beamte nicht auf ein Streikrecht berufen. Hierauf können sich ausschließlich Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst, nicht aber Beamte beziehen, da ein Streikrecht mit den Grundprinzipen des Berufsbeamtentums nicht vereinbar ist.
Die Kläger des zugrunde liegenden Falls sind Beamte der Stadtgemeinde Bremen. Am 25. Februar 2009 waren sie während der Unterrichtszeit einem Aufruf der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zu einem Warnstreik gefolgt, mit dem die Gewerkschaft ihrer Forderung Nachdruck verleihen wollte, die zuvor für die Angestellten des öffentlichen Dienstes vereinbarten Gehaltsanpassung auf Beamte zu übertragen. Durch die Teilnahme am Warnstreik versäumte jeder der Kläger mehrere Unterrichtsstunden. Die Senatorin für Bildung und Wissenschaft sah in der Teilnahme an dem Warnstreik ein Dienstvergehen und erteilte den Klägern jeweils einen disziplinarrechtlichen Verweis.
Beamte sehen in generellem Streikverbot für Beamte einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention
Dagegen haben die Kläger vor dem Verwaltungsgericht Bremen Klagen erhoben. Sie vertreten die Ansicht, dass ein generelles Streikverbot für Beamte gegen Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und weitere internationale Bestimmungen verstoße. Das deutsche Beamtenrecht bedürfe insoweit einer an den internationalen Bestimmungen orientierten Neuauslegung.
Lehrer verstoßen mit Fernbleiben vom Unterricht schuldhaft gegen Dienstpflichten
Die Fachkammer für Disziplinarsachen des Verwaltungsgerichts hat die Klagen als unbegründet zurückgewiesen. Das Gericht führte in den Urteilen aus, dass die Kläger durch ihr ungenehmigtes Fernbleiben vom Dienst schuldhaft gegen ihre Dienstpflichten verstoßen hätten. Zur Rechtfertigung dieser Dienstpflichtverletzung könnten sich die Kläger nicht auf ein Streikrecht berufen. Das Bundesverfassungsgericht habe in zurückliegenden Entscheidungen stets die Auffassung vertreten, dass sich nur Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst, nicht aber Beamte auf ein Streikrecht berufen könnten, weil ein Streikrecht mit den Grundprinzipen des Berufsbeamtentums nicht vereinbar sei.
Verwaltungsgericht muss sich an Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts halten
Das angerufene Verwaltungsgericht sei nach § 31 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) an diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebunden. Neuere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), auf die die Kläger sich berufen hatten, erlaubten es dem Verwaltungsgericht nicht, sich hier ausnahmsweise über die Bindungswirkung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinwegzusetzen. Zwar stünden Entscheidungen des EGMR, die neue Aspekte für die Auslegung des Grundgesetzes enthielten, rechtserheblichen Änderungen gleich, die unter Umständen zu einer Überwindung der Rechtskraft von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts führen könnten. Auch dienten der Konventionstext und die Rechtsprechung des EGMR auf der Ebene des Verfassungsrechts als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte und der rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes. Es sei aber schon fraglich, ob den angesprochenen Entscheidungen des EGMR überhaupt - wie die Kläger meinten - eine völkerrechtliche Gewährleistung des Streikrechts für Beamte allgemein oder für bestimmte Beamtengruppen entnommen werden könne. Selbst wenn dem so sei, werde damit jedoch ein Kernbestand der in Artikel 33 Abs. 5 Grundgesetz verankerten hergebrachten Grundsätze des Beamtentum in Frage gestellt. Es sei dem Verfassungsgesetzgeber bzw. dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten, den Kernbestand von Art. 33 Abs. 5 GG in seinen Grundstrukturen ggf. an das Konventionsrecht in Art. 11 EMRK anzupassen. Ein Fachgericht sei dazu nicht befugt. Die Erteilung eines Verweises sei die angemessene Reaktion auf die von den Klägern begangene Dienstpflichtverletzung.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 16.07.2012
Quelle: Verwaltungsgericht Bremen/ra-online
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