03.12.2024
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Verwaltungsgericht Bremen Urteil03.03.2014

Polizeibeamter ist trotz Weitergabe von Drogen als "Belohnung" an Informanten nicht aus dem Dienst zu entfernenBewusstsein über Fehler­haf­tigkeit eigener Verhal­tens­weisen von vor über sieben Jahren macht endgültige Entfernung aus dem Dienst nicht zwingend erforderlich

Das Verwal­tungs­gericht Bremen hat entschieden, dass ein Polizeibeamter, der Informanten kleinere Mengen an Marihuana als Belohnung für Auskünfte hat zukommen lassen, dennoch nicht wegen Verstoßes gegen seine Dienstpflichten aus dem Polizeidienst zu entfernen ist.

Der Beamte des zugrunde liegenden Falls, ein 43 Jahre alter Polizei­haupt­kom­missar, war in der Zeit von 2002 bis 2008 durchgängig als stell­ver­tre­tender Sachge­biets­leiter und Teamleiter im Zivilen Einsatzdienst (ZED) Süd der Polizei Bremen eingesetzt. Aufgabe des ZED Süd war insbesondere die Bekämpfung der Betäu­bungs­mit­tel­kri­mi­nalität in den Stadtteilen Huchting, Kattenturm, Neustadt und Woltmershausen. Das Landgericht Bremen verurteilte den Beamten durch Strafurteil vom 16. September 2010 wegen unerlaubter Abgabe von Betäu­bungs­mitteln in sechs Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Straf­ver­ei­telung im Amt in einem minder schweren Fall, wegen unerlaubten Sich-Verschaffens von Betäu­bungs­mitteln in Tateinheit mit versuchter Unterschlagung sowie wegen unerlaubten Besitzes von Munition zu einer Gesamt­geldstrafe von 300 Tagessätzen. Die Strafkammer sah es als erwiesen an, dass der Beamte im dienstlichen Zusammenhang in einem Zeitraum zwischen Ende 2003 und Mai 2007 wiederholt wenige Gramm Marihuana an Informanten und potentielle Hinweisgeber abgegeben hatte, um sie für ihre Hinweise auf Rausch­gift­ge­schäfte im Bremer Süden zu belohnen oder sie zu einer (weiteren) Zusammenarbeit zu bewegen.

Freie Hansestadt Bremen hält Polizisten aufgrund seiner Taten für nicht mehr tragbar für aktiven Polizeidienst

Die Freie Hansestadt Bremen vertrat als Dienstherr des Polizeibeamten in dem sich anschließenden Diszi­pli­na­r­ver­fahren die Ansicht, dass der Beamte aufgrund dieser Straftaten aus dem Dienst zu entfernen sei. Der Beamte habe einen so schweren Verstoß gegen seine Dienstpflichten begangen, dass er dadurch das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren habe. Ein Polizeibeamter, der für die Bekämpfung der Drogen­kri­mi­nalität zuständig sei, sei im aktiven Polizeidienst nicht mehr tragbar, wenn er sich selbst des unerlaubten Besitzes und der unerlaubten Abgabe von Betäu­bungs­mitteln schuldig gemacht habe. Er habe innerhalb des Dienstes genau das Verhalten gezeigt, das zu verhindern bzw. zu verfolgen Aufgabe seines Amtes gewesen sei. Überdies habe er durch sein Verhalten das Ansehen der Polizei Bremen in der Öffentlichkeit schwer beschädigt.

Verhalten des Polizisten müsste im Regelfall Entfernung aus dem Dienst zur Folge haben

Die Fachkammer für Diszi­pli­nar­sachen des Verwal­tungs­ge­richts Bremen ist dem im Ergebnis nicht gefolgt. Nach Auffassung der Fachkammer habe der Beamte durch die Straftaten zwar ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen, das jedenfalls im Regelfall auch die Entfernung des Beamten aus dem Dienst zur Folge haben müsse. Es gehöre zu den elementaren, ohne weiteres einsehbaren Pflichten eines jeden Polizeibeamten, bei der Dienst­ver­richtung nicht gegen Recht und Gesetz – und insbesondere nicht gegen Strafgesetze – zu verstoßen und sich zur Erreichung der dienstlich vorgegebenen Ziele nicht solcher Methoden zu bedienen, die durch die Rechtsordnung schlechthin missbilligt würden.

Aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls sei hier jedoch ausnahmsweise von einer Entfernung des Beamten aus dem Dienst abzusehen.

Polizeibeamter wollte über „kleine“ Drogendealer und Betäu­bungs­mit­tel­kon­su­menten an Hintermänner des organisierten Drogenhandels herankommen

Der beklagte Beamte habe zu seinen Beweggründen bei Begehung der Taten im Verfahren vor der Fachkammer glaubhaft vorgetragen, dass er uneigennützig gehandelt habe und sein Verhalten von Anfang an dadurch motiviert gewesen sei, über die „kleinen“ Drogendealer und die Betäu­bungs­mit­tel­kon­su­menten an die Hintermänner des organisierten Drogenhandels heranzukommen. Er habe damals geglaubt, das moralisch Richtige zu tun und für eine „gute Sache“ einzustehen. Die Kammer habe die Überzeugung gewinnen können, dass bei dem Beamten seit der Tatbegehung ein Entwick­lungs­prozess stattgefunden habe und er zukünftig die Gewähr dafür biete, nicht erneut straffällig zu werden. Der Beamte habe sich intensiv mit seinem Verhalten, seinen damaligen Beweggründen für die Taten und dem Ausmaß der Tatfolgen auch für seinen Dienstherrn ausein­an­der­gesetzt. Er habe deutlich gemacht, dass er seinen damaligen Beweggründen heute kritisch gegenüberstehe. Er habe vor der Fachkammer auch ein ehrliches, ungeschöntes Bild von seiner Motivationslage gezeichnet. Die Fehler­haf­tigkeit seiner Vorgehensweisen habe er erkannt. Der Beamte scheine an den Vorfällen, die mittlerweile zwischen 7 und 10 Jahren zurückliegen, persönlich gereift zu sein. Er scheine zudem für sich selbst Strategien entwickelt zu haben, die sicherstellten, dass er seinen Dienstpflichten zukünftig auch in konflikthaften beruflichen Situationen gerecht werde.

Beamter wird sich voraussichtlich künftig weder straf- noch diszi­pli­nar­rechtlich etwas zu schulden kommen lassen

Die Fachkammer ist deshalb zu der positiven Prognose gelangt, dass der Beamte sich zukünftig innerdienstlich weder straf- noch diszi­pli­nar­rechtlich etwas zu schulden kommen lassen werde. Das rechtfertige den Schluss, dass der Vertrau­ens­verlust des Dienstherrn und der Allgemeinheit in den Beamten noch nicht so umfassend und endgültig eingetreten sei, dass dies seine Entfernung aus dem Dienst gebiete.

Quelle: Verwaltungsgericht Bremen/ra-online

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