21.11.2024
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Verwaltungsgericht Berlin Urteil27.04.2020

Gleichstellungs­beauftragte hat Anspruch auf Teilnahme an Leistungs­klausur und Beteilung im Stellen­be­setzungs­verfahrenBundes­mi­nis­terium hat Rechte seiner Gleichstellungs­beauftragten verletzt

Das Bundes­mi­nis­terium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat die Betei­li­gungs­rechte seiner Gleichstellungs­beauftragten in zwei Fällen verletzt. Das hat das Verwal­tungs­gericht in zwei Klageverfahren entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin ist die Gleich­stel­lungs­be­auf­tragte im BMFSFJ. Mit einer von ihr 2017 beim Verwal­tungs­gericht erhobenen Klage rügt sie, nicht zur Leitungsklausur des BMFSFJ im Jahr 2016 eingeladen worden zu sein. Sie sieht sich dadurch in ihrem Beteiligungsrecht verletzt. Mit einer weiteren, 2018 erhobenen Klage wendet sie sich als Gleich­stel­lungs­be­auf­tragte ferner gegen ihre unterlassene Beteiligung im Stellenbesetzungsverfahren der Leitung der beim BMFSFJ angebundenen Antidis­kri­mi­nie­rungs­stelle des Bundes, für die sich auch die Klägerin als Beamtin selbst beworben hatte. Das BMFSFJ hatte die Klägerin zuvor vom Stellen­be­set­zungs­ver­fahren mit der Begründung ausgeschlossen, sie könne nach 17 Jahren Tätigkeit als Gleich­stel­lungs­be­auf­tragte nicht mehr als Beamtin beurteilt werden, die Klägerin als Gleich­stel­lungs­be­auf­tragte vor dieser Entscheidung aber nicht beteiligt.

VG: Unterlassene Einladung zur Leistungs­klausur stellt Verletzung der Betei­li­gungs­rechte dar

Das Verwal­tungs­ge­richts Berlin hat beiden Klagen stattgegeben. Die unterlassene Einladung der Gleich­stel­lungs­be­auf­tragten zur jährlichen Leitungsklausur der Führungskräfte des BMFSFJ verletze ihre Betei­li­gungs­rechte. Nach dem Zweck des Bundes­gleich­stel­lungs­ge­setzes sei die Gleich­stel­lungs­be­auf­tragte grundsätzlich auch an Dienst­be­spre­chungen der Führungsebene ihrer Dienststelle zu beteiligen. Dies gelte jedenfalls für solche Besprechungen, für die im Vorfeld nicht ausgeschlossen werden könne, dass sie Entschei­dungs­prozesse in personellen, organi­sa­to­rischen oder sozialen Angelegenheiten wesentlich steuerten. Werde ein Thema, das die inneren Angelegenheiten des Ministeriums betreffe, für so wichtig erachtet, dass es auf der jährlichen Leitungsklausur vorgestellt werde, komme in Betracht, dass von dieser Leitungsklausur steuernde Impulse ausgingen. Die nachträgliche Information sei nicht ausreichend, weil damit die gesetzliche Maßgabe, die Gleich­stel­lungs­be­auf­tragte zum frühest­mög­lichen Zeitpunkt zu beteiligen, nicht mehr erreicht werde. Der teilweise politische Charakter der Leitungsklausur schließe die Einladung ebenfalls nicht aus, sondern beschränke ggf. lediglich ihr Recht auf Teilnahme an einzelnen Tages­ord­nungs­punkten.

Klägerin hätte auch im Stellen­be­set­zungs­ver­fahren beteiligt werden müssen

Auch die unterbliebene Beteiligung der Gleich­stel­lungs­be­auf­tragten im Stellen­be­set­zungs­ver­fahren der Leitung der Antidis­kri­mi­nie­rungs­stelle des Bundes verletze die Rechte der Gleich­stel­lungs­be­auf­tragten. Das vom BMFSFJ durchgeführte Auswahl­ver­fahren sei eine betei­li­gungs­pflichtige personelle Angelegenheit im Sinne des Bundes­gleich­stel­lungs­ge­setzes. An solchen Angelegenheiten sei die Gleich­stel­lungs­be­auf­tragte frühzeitig zu beteiligen, d.h. zu einem Zeitpunkt, zu dem die Angelegenheit noch gestal­tungsfähig sei. Eine nachträgliche Beteiligung der Gleich­stel­lungs­be­auf­tragten werde dem Zweck des Bundes­gleich­stel­lungs­ge­setzes nicht gerecht: Dieses versuche, gleich­stel­lungs­po­li­tische Belange im Behördenhandeln nicht durch Entschei­dungs­be­fugnisse, sondern durch Verfah­rens­rechte der Gleich­stel­lungs­be­auf­tragten zu sichern. Auch die zwischen der Klägerin (als Organ) und der Bewerberin bestehende Perso­ne­n­i­dentität habe das Ministerium nicht von der Verpflichtung enthoben, das gleich­stel­lungs­rechtliche Verfahren durchzuführen. Die Klägerin - und nicht etwa ihre Stell­ver­treterin - sei zu beteiligen gewesen, auch wenn sie als Bewerberin von der Perso­na­l­an­ge­le­genheit selbst betroffen gewesen sei. Das Bundes­gleich­stel­lungs­gesetz treffe keine Regelungen über den Ausschluss oder die Befangenheit der Gleich­stel­lungs­be­auf­tragten bei Betroffenheit in eigener Sache, sondern belasse die Lösung etwaiger Inter­es­sen­s­kon­flikte im Bereich abstrakter Organi­sa­ti­o­ns­re­ge­lungen. Dies sei nicht zu beanstanden, weil die Gleich­stel­lungs­be­auf­tragte nur das Recht auf Mitwirkung, Beteiligung oder Unterrichtung habe, nicht aber über Mitent­scheidungs- oder Zustim­mungs­rechte verfüge, und damit Richter in eigener Sache nicht sein könne.

Quelle: Verwaltungsgericht Berlin, ra-online (pm/ab)

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