18.10.2024
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Verwaltungsgericht Arnsberg Urteil30.08.2007

Erfolglose Klage gegen Glockenläuten: Als Akt freier Religi­o­ns­ausübung ist sakrales Läuten vom Schutz durch das Grundgesetz erfasstKirchliches Glockenläuten darf die Immissions­grenzwerte geringfügig überschreiten

Bei der Beurteilung, ob eine Geräuschquelle als Lärmbelastung anzusehen ist, werden Richtwerte nach dem Bundes­immissions­schutzgesetz herangezogen. Bei der Bewertung von Glockenläuten eines Kirchturms muss jedoch ein großzügigerer Maßstab angelegt werden, da der Schutz der Religi­o­ns­ausübung Vorrang genießt. Dies geht aus einem Urteil des Verwal­tungs­ge­richts Ansbach hervor.

Im vorliegenden Fall klagten die Eigentümer eines Hauses gegen das Glockenläuten einer in unmittelbarer Nachbarschaft befindlichen Kirche. Die Bewohner behaupteten, sie könnten sich während des Glockenläutens im Wohnhaus nur aufhalten, wenn sie dabei die Fenster und Türen geschlossen hielten. Ein Aufenthalt auf der Terrasse, die sich in 30 Metern Entfernung zum Glockenturm befinde, oder im Garten zur Entspannung, sei aufgrund des sakralen Geläuts mit einer Dauer von sechs Minuten nicht möglich. Mittlerweile würden sich bereits ärztlich bestätigte gesundheitliche Beein­träch­tigung in Form von Schlafstörungen, Kopfschmerzen und Tinnitus gezeigt haben. Die Grund­s­tücks­ei­gentümer klagten schließlich auf Einstellung des Glockenläutens bis zu dem Zeitpunkt, an dem geeignete Schall­schutz­maß­nahmen getroffen würden.

Sakrales Geläut stellt für die Kläger keine unzumutbare Beein­träch­tigung dar

Das Verwal­tungs­gericht Ansbach erklärte die Klage für zulässig. Für den von den Klägern geltend gemachten Anspruch sei der Verwal­tungs­rechtsweg gegeben. Nach Rechtsprechung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts handele es sich bei einer Klage gegen das liturgische Glockengeläut um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. BVerwG, Urteil vom 07. Oktober 1983, BVerwGE 68, 62; VG Würzburg, Urteil vom 28. September 2004 - W 4 K 03.1654 - juris). In der Sache sei die Klage jedoch nicht begründet. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Einstellung des sakralen Geläuts. Es sei nicht ersichtlich, dass das Läuten für die Kläger eine unzumutbare Beein­träch­tigung darstelle. Der Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Immissionen ergebe sich grundsätzlich aus § 22 Abs. 1 des Bunde­s­im­mis­si­ons­schutz­ge­setzes (BlmSchG). Danach seien schädliche Umwelt­ein­wir­kungen, die nach Art, Ausmaß und Dauer geeignet sind, erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen, zu verhindern oder auf ein Mindestmaß zu beschränken, soweit dies nach dem Stand der Technik möglich sei.

Glockenläuten ist eine zumutbare und allgemein akzeptierte Äußerung kirchlichen Lebens

Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Geräuschen orientierten sich die Immis­si­ons­richtwerte zunächst nach der Schutz­wür­digkeit des Gebietes. Die Charak­te­ri­sierung des Gebietes im vorliegenden Fall als Wohngebiet ergebe eine erlaubte Lärmbelastung durch einzelne Geräuschquellen in Höhe von 55 dB (A). Kurzzeitige Geräuschspitzen dürften diesen Wert jedoch um 30 dB (A) überschreiten. Somit liege das streit­ge­gen­ständliche Glockenläuten nur knapp über dem erlaubten Richtwert. Für die Beurteilung sakralen Geläuts ergebe sich jedoch ein anderer Maßstab, der sich aus der Privilegierung der kirchlichen Lebensäußerung aufgrund des verfas­sungs­rechtlich garantierten Selbst­be­stim­mungs­rechts der Kirchen und dem vom Schutz des Art. 4 Abs. 2 GG erfassten Akt freier Religionsausübung ergebe. Liturgisches Glockenläuten sei keine schädliche Lärmimmission, sondern eine zumutbare, sozialadäquate und allgemein akzeptierte Äußerung kirchlichen Lebens (BVerwG, Beschluss v. 02. September 1996, in: UPR 1997, 39) Die Privilegierung des liturgischen Geläuts führe demnach im vorliegenden Fall dazu, dass geringfügige Überschrei­tungen der Grenzwerte hingenommen werden müssten.

Quelle: ra-online, Verwaltungsgericht Arnsberg (vt/st)

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