14.11.2024
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Verwaltungsgericht Aachen Urteil14.01.2009

VG Aachen: Versamm­lungs­behörde darf nicht per se Parolen mit recht­s­ex­tre­mis­tischen Inhalten untersagen, solange die Äußerungen nicht antisemitisch oder rassistisch sindMehrere Auflagen zu einer NPD-Demonstration waren rechtswidrig

Mehrere Auflagen zu einer Demonstration der NPD am 08. Februar 2008 in der Dürener Innenstadt waren rechtswidrig. Das hat das Verwal­tungs­gericht Aachen festgestellt und gab damit einer Klage des NPD-Kreisverbandes Düren statt.

Zu der NPD-Demonstration am 08. Februar 2008 unter dem Motto "Gegen die Krimi­na­li­sierung von nationalen Bürgern" in der Dürener Innenstadt erteilte der Landrat des Kreises Düren verschiedene Auflagen. Sie betrafen u.a. das Marschieren in Blöcken, Zügen und Rei-hen, das Abspielen oder Singen von Marschliedern, das Tragen von Emblemen oder Tätowierungen, die in Verbindung mit dem Natio­nal­so­zi­a­lismus stehen oder in der breiten Öffentlichkeit einen solchen Eindruck erwecken könnten, das sichtbare Tragen von Beklei­dungs­stücken mit bestimmten Buchstaben- oder Zahlenfolgen, die Verwendung von Fahnen und Transparenten, die Verwendung bestimmter Parolen wie "Deutschland den Deutschen" oder "Ausländer raus" sowie den Gebrauch natio­nal­so­zi­a­lis­tischen Propa­gan­da­jargons. Nach Ansicht der 6. Kammer waren diese Auflagen bzw. Teile davon rechtswidrig.

Auflagen nur bei einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung

Das Versamm­lungs­gesetz fordere für die Erteilung von Auflagen eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung. Hierfür müssten nach der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts konkrete und nachvoll­ziehbare tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Seine Einschätzung, dass die NPD-Demonstration als rechter Aufmarsch wahrgenommen und der zu befürchtende Einschüch­te­rungs­effekt bei Andersdenkenden mit der erforderlichen hohen Wahrschein­lichkeit eintreten werde, habe der Beklagte aber nur auf bloße Behauptungen und Vermutungen gestützt. So fehlten etwa belastbare Tatsachen dafür, dass das Marschieren in Blöcken, Zügen und Reihen, das Mitführen von Fackeln und Fahnen, das Schlagen von Trommeln, das Verwenden von Aufschriften mit Bezug zum Natio­nal­so­zi­a­lismus und insbesondere das Skandieren auslän­der­feind­licher Parolen sich zu einem Gesamtbild verdichte, das einen Einschüch­te­rungs­effekt sowie ein Klima der Gewalt­de­mon­s­tration und potenzieller Gewalt­be­reit­schaft erzeuge. Auch habe sich der Beklagte nicht mit Gegenindizien, insbesondere der geringen Zahl der Versamm­lungs­teil­nehmer und ihrer Abschirmung durch zahlenmäßig überlegene Polizeikräfte nicht ausein­an­der­gesetzt. Ob die angenommene Gefahr durch mildere Auflagen - etwa eine Begrenzung der eingesetzten Hilfsmittel -, hätte ausgeräumt werden können, habe der Beklagte ebenfalls nicht geprüft.

Recht­s­ex­tre­mis­tische Parolen sind nicht per se verboten

Auch das Verbot bestimmter Parolen unter dem Aspekt der Verletzung der Menschenwürde genüge nicht den vom Bundes­ver­fas­sungs­gericht vorgegebenen Anforderungen. Meinung­s­äu­ße­rungen seien in der pluralistischen Demokratie grundsätzlich frei, wenn sie nicht - etwa als antisemitische oder rassistische Äußerungen - unter Strafe gestellt seien. Seien die hier verbotenen Parolen nicht strafbar, wovon auch der Beklagte ausgehe, so könnten sie nicht allein wegen ihrer recht­s­ex­tre­mis­tischen Inhalte verboten werden. Das laute Skandieren der Parolen rechtfertige auch nicht die Annahme, wegen dieser Art und Weise der Kundgabe einer Meinung werde die öffentliche Ordnung so sehr gestört, dass die Meinung­s­äu­ßerung verboten werden dürfe. Der Beklagte habe auch insoweit versäumt, nachvollziehbar und gestützt auf Tatsachen darzulegen, dass durch die Art und Weise des Auftretens der Versamm­lungs­teil­nehmer zum Beispiel ein Klima der Gewalt­de­mon­s­tration und potentieller Gewalt­be­reit­schaft entstehen würde.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VG Aachen vom 03.02.2009

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