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18.01.2025  
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Staatsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss22.08.2013

Verfassungs­beschwerde gegen Rundfunk­beitrags­staats­vertrag derzeit unzulässigMögliche Verfassungs­widrigkeit des Staatsvertrags wegen des Fehlens einer speziellen Ausnah­me­re­gelung ist zunächst von den Verwaltungs­gerichten zu klären

Der Staats­ge­richtshof Baden-Württemberg hat die Verfassungs­beschwerde einer privaten Beschwer­de­führerin gegen den neuen geräte­u­n­ab­hängigen einheitlichen Rundfunkbeitrag als unzulässig zurückgewiesen. Die Beschwer­de­führerin muss zunächst den Rechtsweg vor den Verwaltungs­gerichten beschreiten. Dort ist zu prüfen, ob die von der Beschwer­de­führerin aufgeworfenen verfassungs­rechtlichen Zweifel am einheitlichen Rundfunkbeitrag für Radio und Fernsehen zu einer teilweisen Befreiung von den Beiträgen führen können.

Die Beschwer­de­führerin des zugrunde liegenden Streitfalls wendet sich dagegen, dass sie – obwohl sie seit Jahrzehnten grundsätzlich nur das Hörfunk-, und nicht auch das Fernsehangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Anspruch nimmt – seit dem 1. Januar 2013 auf der Grundlage des Rundfunk­bei­trags­staats­ver­trages zu einem einheitlichen Rundfunkbeitrag von 17,98 Euro pro Monat herangezogen wird.

Vor Einreichen einer Verfas­sungs­be­schwerde gegen ein Gesetz muss sich Fachgerichte mit dem Anliegen befassen

Der Staats­ge­richtshof Baden-Württemberg entschied nun, dass der Verfassungsbeschwerde, soweit sich die Beschwer­de­führerin gegen den Beitragsanteil für Fernsehen wendet, der Grundsatz der Subsidiarität der Verfas­sungs­be­schwerde entgegenstehe. Auch wenn es unmittelbar gegen Parla­ments­gesetze wie das Umset­zungs­gesetz des Landes Baden Württemberg, mit dem der Fünfzehnte Rundfun­k­än­de­rungs­staats­vertrag und der darin enthaltene Rundfunk­bei­trags­staats­vertrag in Landesrecht überführt wurden, keinen fachge­richt­lichen Rechtsschutz gibt, folge aus dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfas­sungs­be­schwerde, dass sich vor einer Verfas­sungs­be­schwerde des Beschwer­de­führers gegen ein Gesetz die Fachgerichte mit seinem Anliegen befassen müssen. Damit solle neben einer Entlastung des Staats­ge­richtshofs erreicht werden, dass der Staats­ge­richtshof nicht auf ungesicherter Tatsachen und Rechtsgrundlage weitreichende Entscheidungen treffe. Von dieser Voraussetzung zur Erschöpfung des fachge­richt­lichen Rechtswegs könne ausnahmsweise abgesehen werden, wenn die Verfas­sungs­be­schwerde von allgemeiner Bedeutung sei oder wenn dem Beschwer­de­führer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde. Darüber hinaus sei die Beschreitung eines fachge­richt­lichen Rechtswegs dann nicht geboten, wenn dies für den Beschwer­de­führer aus sonstigen Gründen unzumutbar sei, insbesondere wenn sie offensichtlich aussichtlos erscheine.

Befreiung von der Beitragspflicht in besonderen Härtefällen auf gesonderten Antrag möglich

Ausgehend von diesen Maßstäben müsse die Beschwer­de­führerin zunächst den Rechtsweg vor den Fachgerichten beschreiten. Von diesem Erfordernis könne hier nicht ausnahmsweise abgesehen werden. Nach § 4 Abs. 6 Satz 1 des Rundfunk­bei­trags­staats­ver­trages habe die Landes­rund­funk­anstalt in besonderen Härtefällen auf gesonderten Antrag von der Beitragspflicht zu befreien. Es sei nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auf dieser Grundlage ein entsprechender Antrag der Beschwer­de­führerin auf Ermäßigung ihres Beitrags um den Anteil für Fernsehen Erfolg haben könnte.

Von der Beschwer­de­führerin aus verfas­sungs­recht­lichen Gründen verlangte Beitrags­er­mä­ßigung möglicherweise ausgeschlossen

Anders als nach dem zum 1. Januar 2013 aufgehobenen Rundfunk­ge­büh­ren­staats­vertrag hänge die Zahlungspflicht nun jedoch nicht mehr von dem zum Empfang bereit­ge­haltenen Rundfun­k­emp­fangsgerät ab, sondern im privaten Bereich von der Inhaberschaft einer Wohnung. Dabei sehe der Staatsvertrag im privaten Bereich einen einheitlichen Rundfunkbeitrag vor, um die bisherigen gerätebezogenen Nachforschungen weitgehend überflüssig zu machen und die technische Konvergenz der heute in der Regel verwendeten Empfangsmedien zu berücksichtigen. Nach der Geset­zes­be­gründung könne die Beitragspflicht nicht durch den Einwand abgewendet werden, in der konkreten Wohnung erfolge keine Rundfunknutzung bzw. es existierten keine technischen Empfangs­ein­rich­tungen, weil davon auszugehen sei, dass grundsätzlich in ganz Deutschland technisch der Empfang von Rundfunk ermöglicht werden könne. Daher ist die von der Beschwer­de­führerin aus verfas­sungs­recht­lichen Gründen verlangte Ermäßigung auf der Grundlage des Rundfunk­bei­trags­staats­ver­trages möglicherweise ausgeschlossen.

Rundfunkbeitrag stellt "Vorzugslast" und keine Steuer dar

Zu beachten sei jedoch, dass es sich auch nach der neuen Rechtslage bei dem "Rundfunkbeitrag" – wie bei der alten "Rundfunkgebühr" – nicht um eine Steuer, sondern um eine so genannte "Vorzugslast" handeln soll. Die Vorzugslast knüpfe an eine Gegenleistung, eine individuell zurechenbare Leistung an. Diese solle hier die Möglichkeit der Nutzung von Rundfunk sein, die bei der Inhaberschaft einer Wohnung vermutet werde. Legitimierender Grund für eine "Vorzugslast" sei unter anderem der Ausgleich von Vorteilen und Nachteilen. "Vorzugslasten" müssen unter anderem dem Äquiva­lenz­prinzip genügen. Dieses sei eine Ausprägung des Grundsatzes der Verhält­nis­mä­ßigkeit und besage, dass Vorzuglasten – wie Gebühren und Beiträge – in keinem Missverhältnis zu der von der öffentlichen Gewalt gebotenen Leistung stehen dürfen. Demgegenüber unterscheide weder das Grundgesetz noch die Landes­ver­fassung begrifflich zwischen einer „Gebühr“ und einem „Beitrag“. Verfas­sungs­rechtlich sei lediglich eine Abgrenzung zur Steuer notwendig, weil diese gerade keine Gegenleistung für eine besondere Leistung des Staates darstelle.

Wohnungs­in­ha­ber­schaft lässt auf bestehende Möglichkeit der Rundfunknutzung schließen

Die Inhaberschaft einer Wohnung stelle als solche jedoch noch nicht den Vorteil dar, den der Rundfunkbeitrag abschöpfen will. Vielmehr werde aufgrund der Wohnungs­in­ha­ber­schaft vermutet, dass die Möglichkeit der Rundfunknutzung bestehe. Eine von der tatsächlichen Nutzbarkeit abhängige Entgeltabgabe fordere jedoch einen widerlegbaren Wahrschein­lich­keits­maßstab, bei dem ein nach den tatsächlichen Verhältnissen nicht Nutzungsfähiger oder ein Nichtempfänger des Angebots die gesetzliche Vermutung widerlegen, sich insoweit von der Beitragspflicht befreien kann. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht habe bezüglich der alten gerätebezogenen Rundfunk­ge­bühren entschieden, dass es gerechtfertigt sei, wenn die Gebührenpflicht ohne Rücksicht auf die Nutzungs­ge­wohn­heiten der Empfänger allein an den Teilneh­m­er­status geknüpft werde, der durch die Bereithaltung eines Empfangsgerätes begründet wird. Der Leistungsbezug wurde damals durch das Bereithalten eines Rundfun­k­emp­fangs­gerätes begründet. Dieser Tatbestand stehe jedoch in einer engeren Verbindung mit der Nutzungs­mög­lichkeit von Rundfunk als die bloße Inhaberschaft einer Wohnung.

Ob vor diesem Hintergrund verfas­sungs­rechtlich zulässig auch demjenigen die Widerlegung der Nutzungs­ver­mutung versagt werden könne, der einen erheblichen Teil des Rundfunk­an­gebots – nämlich das Fernsehen – generell bewusst nicht nutzt und dies nachweisen könne, sei in der verfas­sungs­recht­lichen Literatur umstritten.

Verwal­tungs­ge­richte müssen Anforderungen an Nachweis der Nichtnutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks klären

Diese offene Frage, für die nicht nur verfas­sungs­rechtliche, sondern auch einfach­rechtliche Erwägungen maßgeblich sind, sowie die sich im Falle der Zulässigkeit der Widerlegung der Nutzungs­ver­mutung weiter stellende Frage, ob die bestehende Härte­fa­ll­klausel des § 4 Abs. 6 des Rundfunk­bei­trags­staats­ver­trages hierfür im Wege der Auslegung herangezogen werden könne oder ob der Staatsvertrag wegen des Fehlens einer speziellen Ausnah­me­re­gelung verfas­sungs­widrig sei, sei zunächst von den Verwal­tungs­ge­richten zu klären. Diese seien in besonderer Weise zur Auslegung des einfachen Rechts, wozu auch der Rundfunk­bei­trags­staats­vertrag gehört, berufen. Zudem könne dort gegebenenfalls besser geklärt werden, welche Anforderungen an den Nachweis der Nichtnutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu stellen sind.

Erfüllen der Voraussetzungen für einen Härtefall kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden

Erwägungen, mit denen bei der Erhebung von Gebühren und Beiträgen aus Gründen der Verwal­tungs­ver­ein­fachung eine Typisierung und Pauschalierung und damit eine Ungleich­be­handlung gerechtfertigt werden könne, stehen dem Einwand eines Beitrags­schuldners, er nehme am Rundfunk nicht teil, jedenfalls nicht grundsätzlich entgegen. Eine Typisierung und Pauscha­li­sierung sei unter Berück­sich­tigung des Grundsatzes der Verhält­nis­mä­ßigkeit nur zulässig, wenn die dadurch hervorgerufenen Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, sie lediglich eine kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv wäre. Es sei nicht von vornherein ausgeschlossen, dass Rundfunk­ver­weigerer diese Voraussetzungen für einen Härtefall erfüllen.

Quelle: Staatsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online

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