21.11.2024
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Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss16.07.2015

Unlesbar geschriebenes Testament ist ungültigLesbarkeit der Niederschrift ist zwingende Formvor­aus­setzung für Wirksamkeit des Testaments

Ein eigenhändig geschriebenes Testament muss lesbar sein, um wirksam die Erbfolge zu regeln. Dies entschied das Schleswig-Holsteinische Oberlan­des­gericht und erklärte damit ein Schreiben einer alten Dame, welches sich auch mithilfe einer Schrift­sach­verständigen nicht vollständig entziffern ließ, für ein nicht wirksames Testament.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 2012 verstarb die alte Dame. Ihr Ehemann war ein Jahr zuvor verstorben. Die Eheleute hatten lediglich in einem Testament ihre Bestattung geregelt, nicht aber die Erbfolge. Im Verfahren vor dem Nachlassgericht (Amtsgericht) ging es um die Erteilung des Erbscheins, der der Tochter der Verstorbenen als Alleinerbin aufgrund gesetzlicher Erbfolge erteilt wurde. Die weitere Beteiligte am Nachlass­ver­fahren hatte als Pflegekraft beruflich und privat Kontakt zu der Verstorbenen. Sie reichte bei Gericht ein Schreiben ein, das die Erblasserin zwei Monate vor ihrem Tod gefertigt haben sollte. Sie gab an, dass sie dieses Schreiben von einer anderen Pflegekraft der Verstorbenen erhalten habe und dass in dem Schreiben stehe, dass ihr die Verstorbene alles vermache. Das Nachlassgericht sah dieses Schreiben nicht als ein wirksames Testament an. Gegen die Erteilung des Erbscheins an die Tochter der Verstorbenen legte die weitere Beteiligte Beschwerde zum Oberlan­des­gericht ein.

Eingereichtes Schriftstück genügt nicht Anforderungen an Form eines wirksamen Testaments

Das Schleswig-Holsteinische Oberlan­des­gericht führte zur Begründung der Entscheidung aus, dass der Tochter der Verstorbenen der Erbschein als Alleinerbin zu erteilen sei, weil diese ihre Mutter aufgrund gesetzlicher Erbfolge beerbt habe. Die weitere Beteiligte des Verfahrens könne sich nicht darauf berufen, aufgrund Testaments als Erbin eingesetzt zu sein. Das eingereichte Schriftstück genüge nicht den Anforderungen an die Form eines wirksamen Testaments. Ein Testament könne durch eigenhändige und unterschriebene Erklärung errichtet werden, so das Gericht. Die Eigenhändigkeit der Errichtung setze voraus, dass der erklärte Wille in vollem Umfang aus dem Geschriebenen hervorgeht. Zwingende Formvor­aus­setzung ist damit die Lesbarkeit der Niederschrift. Das Gericht – Spezialsenat für Nachlas­s­an­ge­le­gen­heiten – sei trotz langjähriger Erfahrung mit der Entzifferung schwer lesbarer letztwilliger Verfügungen nicht in der Lage gewesen, das Schriftstück soweit zu entziffern, dass es einen eindeutigen Inhalt erhält. Das Gericht gehe mit dem Nachlassgericht davon aus, dass die ersten drei Worte "ich A." und die letzten Worte "D. geb. ...", gefolgt von der Unterschrift und dem Datum lauten. Diese Worte weisen die Erblasserin als Erklärende aus und lassen einen Bezug der Erklärung zu der weiteren Beteiligten, die namentlich und mit ihrem Geburtsdatum genannt wird, erkennen. In der Mitte des Textes verblieben jedoch einige nicht zweifelsfrei lesbare Worte. Die Ungewissheit über den Inhalt des Geschriebenen lasse sich nicht unter Zuhilfenahme der vom Nachlassgericht herangezogenen Schrift­sach­ver­ständigen beseitigen. Die Sachverständige habe zwar das erste der umstrittenen Worte als "vermache" identifiziert, nicht jedoch die weiteren Wörter, sodass unklar bleibe, was vermacht werden sollte.

Mögliche Testie­r­un­fä­higkeit der Erblasserin aufgrund des bereits formungültigen Testaments unerheblich

Da das vorgelegte Schriftstück aufgrund seiner Unleserlichkeit bereits kein formgültiges Testament darstellt, war vom Gericht nicht weiter zu untersuchen, ob die Erblasserin wegen Demenz oder Leseunfähigkeit testierunfähig gewesen ist und ob das Schriftstück überhaupt von ihr stammte. Auch konnte das Gericht offen lassen, ob die verstorbenen Eheleute in einem Heim im Sinne des Heimgesetzes untergebracht waren, was zur Folge hätte, dass das Verbot in § 14 Absatz 5 Heimgesetz Anwendung finden würde, wonach den Mitarbeitern eines Heims die Entgegennahme geldwerter Leistungen von Heimbewohnern untersagt ist.

Quelle: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht/ra-online

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