18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 20710

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Urteil19.02.2015Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht11 U 91/14
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • DAR 2015, 266Zeitschrift: Deutsches Autorecht (DAR), Jahrgang: 2015, Seite: 266
  • DAR 2015, 529Zeitschrift: Deutsches Autorecht (DAR), Jahrgang: 2015, Seite: 529
  • NZV 2015, 449Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV), Jahrgang: 2015, Seite: 449
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Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil19.02.2015

Motocross-Anlage muss bei freiem Training nicht mit Streckenposten gesichert seinMöglichkeit eines Sturzes und Kollisionen mit nachfolgenden Motocross-Fahrern liegt grundsätzlich im Rahmen der von vornherein zu erwartenden Risiken

Der Betreiber einer Motocross-Anlage muss bei einem freien Training die Piste nicht mit Streckenposten sichern. Dies entschied das Schleswig-Holsteinische Oberlan­des­gericht und wies damit hat die Klage eines Motocross-Sportlers zurück, der sich bei einem freien Training schwer verletzt hatte und Schadensersatz und Schmerzensgeld verlangte.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der beklagte Verein betreibt eine Motocross-Bahn im Kreis Nordfriesland. Der damals neun Jahre alte Kläger befuhr im Rahmen eines freien Kindertrainings mit seiner Kinder-Motocross-Maschine die Bahn. An dem Tag (Herbst 2010) konnte das Gelände auch von Nicht­ver­eins­mit­gliedern gegen die Zahlung eines Entgelts benutzt werden. Der Kläger war in Begleitung seines Vaters. Nach dem Überspringen einer Kuppe stürzte der Kläger bei der Landung mit seiner Maschine. Der nachfolgende Fahrer, ebenfalls ein Kind, konnte nicht ausweichen, weil die Unfallstelle für ihn nicht einsehbar war. Er überfuhr den Kläger und verletzte diesen schwer an Kopf und Hals. Von dem Betreiber der Motocross-Anlage verlangte das verletzte Kind Schadensersatz und Schmerzensgeld unter anderem mit der Begründung, dass die Benutzung der Bahn durch Streckenposten hätte abgesichert werden müssen.

OLG verneint Verletzung der Verkehrs­si­che­rungs­pflicht seitens des Betreibers der Motorcross-Anlage

Das Schleswig-Holsteinische Oberlan­des­gericht entschied, dass der Betreiber der Motocross-Anlage nicht verpflichtet ist, Schadensersatz und Schmerzensgeld zu zahlen. Er habe keine Verkehrs­si­che­rungs­pflichten verletzt, denn er brauche nicht allen denkbaren Gefahren vorzubeugen. Seine Verkehrssicherungspflicht erfordere lediglich den Schutz vor Gefahren, die über das übliche Risiko bei der Nutzung der Anlage hinausgehen und vom Benutzer - oder bei Kindern von deren Eltern - nicht vorhersehbar und nicht ohne weiteres erkennbar seien. Die Möglichkeit von Stürzen während einer Trainingsfahrt und von Kollisionen mit nachfolgenden Motocross-Fahrern liege grundsätzlich im Rahmen der von vornherein zu erwartenden Risiken der gemeinsamen Nutzung einer Motocross-Anlage. Die Richter verwiesen darauf, dass eine Motocross-Bahn eine unebene, nicht befestigte Strecke im Gelände sei, deren Beschaffenheit je nach Witte­rungs­ver­hält­nissen ganz andere Anforderungen an das fahrerische Können und die Beherrschung des Motorrades stelle als etwa die Teilnahme am Straßenverkehr. Bereits geringfügige Fahrfehler könnten zu Unfällen und Stürzen führen, durch die andere Fahrer und auch der Betroffene gefährdet werden könnten. Diese Umstände waren dem klagenden Kind und auch dessen Vater bekannt, die beide seit mehreren Jahren im Motocross-Sport aktiv waren.

Zeitversetztes Befahren der Bahn nicht notwendig

Der beklagte Verein sei auch nicht verpflichtet gewesen, die Kinder einzeln und zeitversetzt auf der Bahn fahren zu lassen. Diese Maßnahme würde den Charakter des Motocross-Fahrens einschneidend verändern. Den Teilnehmern gehe es auch im Rahmen eines Trainings gerade darum, sich mit anderen zu messen, andere zu überholen, mithin im Training eine Rennsituation zu simulieren und so das Fahren in Konkurrenz mit anderen auszuüben.

Einhaltung der notwendigen Ordnung muss durch Anwesenheit eines Platzwartes sichergestellt sein

Zwar dürfe die Benutzung einer Motocross-Bahn nach Auffassung der Richter nicht regellos oder vollständig unbewacht sein. Doch reiche insoweit das Vorhandensein eines entsprechenden Reglements für die Anlage (Platzordnung). Die Einhaltung der notwendigen Ordnung auf der Motocross-Bahn müsse durch die Anwesenheit eines Platzwartes sichergestellt werden, was vorliegend der Fall war.

Pflicht zur Einrichtung von Flaggen- und Streckenposten gilt nur für Wettbe­wer­bs­ver­an­stal­tungen

Nach den Ausführungen des vom Gericht bestellten Sachver­ständigen sei es bei einem freien Training nicht verkehrsüblich, dass mehrere Streckenposten mögliche Gefahrenstellen einer Motocross-Piste überwachen. Das Reglement für Motocross des Deutschen Motor­sport­bundes, das ausdrücklich die Einrichtung einer ausreichenden Zahl von Flaggen- bzw. Streckenposten vorsieht, gelte lediglich für Wettbe­wer­bs­ver­an­stal­tungen.

Gefahren des Motocross-Sports für alle Beteiligten bekannt

Letztlich sei zu konstatieren, dass der Motocross-Sport eine für alle Beteiligten erkennbar gefährliche Sportart ist, urteilte das Oberlan­des­gericht. Die Gefahren ließen sich in zuverlässiger Weise nur durch solche Maßnahmen verringern, die entweder so kostenträchtig seien, dass ein freies Training von Motocross-Vereinen nicht mehr angeboten werden könnte, oder aber den Charakter des Motocross-Fahrens so stark verändern würden, dass die Attraktivität dieses Sports für Kinder und Jugendliche verlorenginge. Das Angebot von Vereinen würde dann keine Akzeptanz mehr finden mit der Folge, dass Kinder und Jugendliche in die freie Landschaft auswichen, wo es keine sachverständig abgenommenen Rennbahnen und keine Überwachung gibt. Vor diesem Hintergrund sei es hinzunehmen, dass die Beteiligten die mit einem freien Training auf einer eigens für den Motocross-Rennsport hergerichteten Rennpiste einhergehenden erkennbaren Gefahren auf sich nehmen.

Quelle: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht/ra-online

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