21.11.2024
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Sozialgericht Stuttgart Urteil21.02.2018

Abschluss und Ernstlichkeit eines Darle­hens­ver­trages unter Verwandten und engen Freunden muss klar nachweisbar seinBei fehlendem schriftlichen Darle­hens­vertrag und fehlender Rück­zahlungs­vereinbarung ist von Unter­halts­ge­währung auszugehen

Das Sozialgericht Stuttgart hat entschieden, dass an den Nachweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit eines Darle­hens­ver­trages unter Verwandten und engen Freunden strenge Anforderungen zu stellen sind. Fehlen sowohl ein schriftlicher Darle­hens­vertrag als auch eine in irgendeiner Weise konkretisierte Rück­zahlungs­vereinbarung muss von einer Unter­halts­ge­währung und nicht von einem Darlehen ausgegangen werden.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls befand sich in Ausbildung und bezog zunächst von der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebens­un­ter­haltes nach dem Zweiten Buch Sozial­ge­setzbuch (SGB II). Für die Zeit ab dem 1. Dezember 2012 lehnte die Beklagte die Zahlung weiterer Leistungen nach dem SGB II ab. Der Kläger sei zumindest nicht hilfebedürftig, da er regelmäßige Zahlungen von seiner Mutter erhalte. Diese bezahle nicht nur die Miete für sein 1- Zimmer- Apartment in Stuttgart, sondern überweise ihm regelmäßig Geld, mit dem dieser seinen Lebensunterhalt bestreiten könne. Entsprechende Weiter­be­wil­li­gungs­anträge lehnte die Beklagte ebenfalls ab.

Zahlungen der Mutter sind als Einkommen zu berücksichtigen

Die hiergegen gerichtete Klage (Leistungs­zeitraum insgesamt vom 1. Oktober 2012 bis 31. März 2015) blieb vor dem Sozialgericht Stuttgart ohne Erfolg. Die Zahlungen der Mutter seien als Einkommen zu berücksichtigen. Diese seien so hoch gewesen, dass der Kläger im streit­ge­gen­ständ­lichen Zeitraum nicht hilfebedürftig gewesen sei. Entgegen des Vortrags des Klägers habe es sich bei den Zahlungen der Mutter, die vom Gericht im Termin zur mündlichen Verhandlung als Zeugin gehört worden war, auch nicht um Darle­hens­leis­tungen gehandelt, sondern sie seien als einkom­mens­gleicher Unter­halts­un­ter­stützung zu qualifizieren.

Nachweis über wirksam abgeschlossenen Darle­hens­vertrag nicht erbracht

Entscheidend für die Abgrenzung zwischen einkom­mens­gleicher Unter­halts­un­ter­stützung oder Schenkung einerseits und Darlehen andererseits sei, ob zwischen dem Kläger und seiner Mutter, ein Darle­hens­vertrag entsprechend § 488 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zivilrechtlich wirksam abgeschlossen worden ist. Um der Gefahr eines Missbrauchs von Steuermitteln entge­gen­zu­wirken, sei es geboten, an den Nachweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit eines Darle­hens­ver­trages unter Verwandten und engen Freunden strenge Anforderungen zu stellen. Gegen eine wirksame Darle­hens­ver­ein­barung spreche bereits, dass es keinerlei schriftliche Vereinbarung über ein Darlehen gebe. Dies erscheine angesichts einer geflossenen Summe von über 40.000 Euro im streit­ge­gen­ständ­lichen Zeitraum mehr als ungewöhnlich. Darüber hinaus sei auch den Überweisungen selbst kein Hinweis auf ein Darlehen zu übernehmen. Vielmehr sei häufig als Verwen­dungszweck "Lebensunterhalt" angegeben worden.

Zeitpunkt und Form der Rückzahlung nicht vereinbart

Ganz entscheidend gegen eine wirksame Darle­hens­ver­ein­barung spreche weiter, dass keine substantiierte, näher darlegbare Rückzah­lungs­ver­ein­barung getroffen wurde. Man habe nach den Angaben der Zeugin und des Klägers lediglich vereinbart, dass der Kläger die Unter­halts­zah­lungen zurückzahlen solle, wenn ihm dies finanziell möglich sei. Wann dies genau sein solle und in welcher Form dann eine Rückzahlung erfolgen solle, sei gerade nicht vereinbart worden. Hierbei sei auch zu beachten gewesen, dass die geleisteten Zahlungen den tatsächlichen Bedarf des Klägers nach dem SGB II deutlich überschritten hätten, so dass selbst im Falle der (nachträglichen) Leistungs­ge­währung durch die Beklagte die Schulden nicht vollständig beglichen werden könnten. Bislang habe der Kläger auch noch keinerlei Rückzahlungen vorgenommen. Es sei auch keine Regelungen getroffen worden, was passieren solle, wenn dem Kläger die Rückzahlung nicht möglich sein sollte. Eine (gerichtliche) Geltendmachung und Vollstreckung der behaupteten Rückzah­lungs­ansprüche erscheine aufgrund dieser unbestimmten Vereinbarungen mehr als fraglich. Darüber hinaus habe die Zeugin die Zahlungen an ihren Sohn in ihrer eigenen Steuererklärung als "Unter­halts­leis­tungen" angegeben. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, ob die Mutter des Klägers famili­en­rechtlich zur Leistung von Unterhalt verpflichtet gewesen sei.

Quelle: Sozialgericht Stuttgart/ra-online

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