Dokument-Nr. 21869
Permalink https://urteile.news/
Sozialgericht Mainz Urteil22.09.2015
Afghanischer Flüchtling hat für die Dauer seiner Ausbildung Anspruch auf KindergeldBei Unkenntnis über Aufenthaltsort der Eltern kann Kind ausnahmsweise selbst Kindergeld erhalten
Das Sozialgericht Mainz hat entschieden, dass ein 22-jähriger afghanischer Flüchtling für die Dauer seiner Ausbildung als KFZ-Mechatroniker Anspruch auf Zahlung von Kindergeld hat.
Der 1993 geborene Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens floh nach dem Tod seines Vaters mit seiner Mutter und seinen Geschwistern vor den Taliban aus Afghanistan in den Iran. Dort hat die Mutter des Klägers seither keinen festen Wohnsitz. Der Kläger selbst reiste 2011 in die Bundesrepublik ein. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, jedoch wurde ihm wegen Abschiebehindernissen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt und er konnte eine Ausbildung beginnen.
Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit lehnt Antrag auf Kindergeld ab
Einen Antrag des Klägers auf Kindergeld lehnte die Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit ab. Sie argumentierte, dass lediglich Vollwaisen oder Kinder, die nicht wüssten wo sich die Eltern aufhalten, Kindergeld erhalten können. Der Kläger sei aber Halbwaise und kenne den Aufenthalt seiner Mutter im Iran. Der Kläger entgegnete, dass er nicht wisse, wo sich seine Mutter im Iran genau aufhalte, er habe lediglich unregelmäßigen telefonischen Kontakt. Nachdem auch ein Widerspruch erfolglos blieb, wandte er sich an das Sozialgericht Mainz.
Sozialgericht bejaht Kindergeldanspruch
Das Sozialgericht Mainz gab dem Kläger Recht. Zwar sei das Kindergeld eine Leistung für Eltern. Nach dem Bundeskindergeldgesetz könne ausnahmsweise u.a. ein unter 25-Jähriger Auszubildender, der in Deutschland lebe und der Vollwaise sei oder den Aufenthalt seiner Eltern nicht kenne, selbst das Kindergeld erhalten. Bei einem Nichtdeutschen kämen weitere Voraussetzungen hinzu, die der Kläger erfülle. In der Streitfrage, ob der Kläger den Aufenthalt seiner Mutter kenne oder nicht, da ein gewisser Kontakt zur Mutter gegeben sei, folgte das Gericht dem Kläger. Unkenntnis vom Aufenthalt der Eltern habe derjenige, der nicht jederzeit wisse, wo sich die Eltern gerade aufhalten und in der Folge sozial wie eine Vollwaise dastehe. Der Gesetzgeber habe die betreffende gesetzliche Regelung ausdrücklich dafür geschaffen, alleinstehenden Kindern, die von ihren Eltern oder anderen keine Hilfe zu erwarten haben, Kindergeld an Eltern statt zu gewähren. Der Kläger könne nicht jederzeit wissen, wo sich seine obdachlose Mutter im Iran aufhalte. Diese wiederum könne ihm keinerlei Unterstützung zukommen lassen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 18.11.2015
Quelle: Sozialgericht Mainz/ra-online
Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil21869
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.