Sozialgericht Heilbronn Urteil08.03.2013
Unfall beim "Luftschnappen" vor 30 Grad heißer Montagehalle ist als Arbeitsunfall anzuerkennenSG bejaht Vorliegen eines Arbeitsunfalls nach Verletzung beim Eisessen und Luftschappen
Ein Unfall, der sich während des "Luftschnappens" und Eisessens aufgrund starker Hitze vor einer Montagehalle ereignet, ist von der Berufsgenossenschaft als Arbeitsunfall anzuerkennen. Dies entschied das Sozialgericht Heilbronn.
Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der 37jährige Kläger aus Besigheim ist als KfZ-Mechaniker beim großen Automobilkonzern X-AG beschäftigt. Am 16. Juli 2010 war er in dessen Fertigungshalle in Neckarsulm eingesetzt. Sowohl in als auch vor der Halle war es an jenem Tag um die 30 Grad heiß. In der Halle, die über keine Klimaanlage verfügt, wurden auch an diesem Tag immer wieder Neufahrzeuge im Stand bis auf 125km/h "hochgefahren". Die Arbeiter waren aufgrund des Hallenglasdachs teils Sonneneinstrahlung ausgesetzt.
Berufsgenossenschaft lehnt weitere Kostenübernahme und Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab
Während eines mehrminütigen Leerlaufs des Montagebands holte der Kläger am rund 20 Meter von der Halle entfernten Kiosk ein Eis. Dies verzehrte er im Schatten unmittelbar vor einer Hallenaußentür. Kurz darauf stieß ein anderer Mitarbeiter die Tür auf und traf hierdurch den Kläger an der linken Ferse. Er erlitt einen Riss seiner Achillessehne und eine 4cm lange Schnittwunde am Sprunggelenk. Er musste zweimal operiert werden, konnte wegen des Unfalls nicht mehr an seinen Arbeitsplatz zurück und leidet heute noch an den Folgen des Ereignisses. Die beklagte Berufsgenossenschaft übernahm zunächst die Behandlungskosten, lehnte dann aber die weitere Kostenübernahme und die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab: Das Eisessen habe nicht dazu gedient, die Arbeitskraft des Klägers zu erhalten. Denn zum einen hätte sich der Kläger am Arbeitsplatz mit kostenlosen Getränken erfrischen können. Zum anderen habe sich der Unfall lediglich eine knappe Stunde nach der Mittagspause ereignet.
Arbeiter wurden vom Arbeitgeber aufgefordert den Arbeitsplatz während der Pausen zu verlassen
Mit seiner hiergegen gerichteten Klage machte Geschädigte geltend, dass regelmäßig Besuchergruppen durch das Werk geführt würden. Deshalb habe die X-AG gewünscht, während einer Taktpause nicht "rumzustehen", sondern den Arbeitsplatz zu verlassen.
Kläger hätte schwere körperliche Arbeit bis zum Schichtende nicht ohne "Luftschnappen" durchhalten können
Das Sozialgericht Heilbronn hat die Berufsgenossenschaft verpflichtet, den Unfall vor der Halle als Arbeitsunfall anzuerkennen: Zwar habe der Kläger seinerzeit erst eine knappe Stunde zuvor Mittagspause gehabt. Entscheidend sei aber, dass er sich nicht nur von seinem Arbeitsplatz entfernt habe, um sich ein Eis zu holen. Sondern auch deshalb, weil er ohne "Luftschnappen" aufgrund der Hitze in der Halle und der dortigen schlechten Raumluft seine schwere körperliche Arbeit bis zum Schichtende gar nicht durchgehalten hätte.
Hinweis zur Rechtslage:
§ 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII] :
(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz [...] begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. [...]
Die Anerkennung als Arbeitsunfall hat weitreichende Folgen:
So hat die zuständige Berufsgenossenschaft dem Betroffenen unter bestimmten Voraussetzungen u.a. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (z.B. eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme oder eine Umschulung) zu erbringen, Verletzten-/Übergangsgeld oder eine Verletztenrente zu zahlen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 26.06.2013
Quelle: Sozialgericht Heilbronn/ra-online