Sozialgericht Heilbronn Urteil08.07.2014
Krankenkasse muss Hilfsmittel für behindertes 2-jähriges Kind zum Besuch des Schulkindergartens zahlenAufnahme in den Kindergarten für frühzeitige sonderpädagogische Förderung notwendig
Das Sozialgericht Heilbronn hat eine Krankenkasse dazu verpflichtet, einem zweijährigen behinderten Kind die Kosten für Hilfsmittel zu erstatten, die dem Kind wegen der Förderbedürftigkeit den Besuch des Schulkindergartens ermöglichen.
Im zugrunde liegenden Fall erlitt ein zweijähriges Kind bei seiner Geburt im Juni 2007 einen Hirnschaden. Es ist nicht in der Lage, frei zu sitzen, zu stehen oder zu gehen. Seine Krankenkasse stellte ihm deshalb u.a. ein Zimmerfahrgestell mit individuell angepasster Sitzschale zur Verfügung. Im Dezember 2009 genehmigte das Schulamt wegen der Förderbedürftigkeit des Kindes dessen Besuch im Kindergarten einer Körperbehindertenschule.
Krankenkasse verweigert Kostenübernahme für zweites Zimmerfahrgestell
So wurde der Junge bereits mit knapp zweieinhalb Jahren in den Schulkindergarten aufgenommen. Allerdings konnte das vorhandene und von ihm weiterhin benötigte Zimmerfahrgerüst wegen seiner Größe (ebenso wenig wie die dazugehörige Sitzschale) nicht täglich vom Fahrdienst in den Kindergarten transportiert werden. Die Eltern des Jungen - die seinerzeit nur von BaföG und Elterngeld lebten - beantragten daher bei der Krankenkasse ein zweites Zimmerfahrgestell. Die Krankenkasse sah sich hierfür nicht zuständig und leitete den Antrag an das Sozialamt des Landkreises weiter. Der Landkreis bezahlte das weitere Zimmerfahrgestell mit Sitzschale für den Kindergartenbesuch und verlangte von der Krankenkasse die Kosten in Höhe von 5.500 Euro erstattet, weil er davon ausging, dass eigentlich diese hätte zahlen müssen. Die Krankenkasse weigerte sich aber unter Berufung auf Urteile des Bundessozialgerichts (u.a. vom 3.11.2011; Az.: B 3 KR 13/10 R), weil das Kind den Schulkindergarten im fraglichen Zeitraum bereits vor Vollendung des 3. Lebensjahres besucht habe; erst danach könne aber auf die Schulfähigkeit hingewirkt werden.
Krankenkasse hätte Zimmerfahrgerüst zur Verfügung stellen müssen
Die hiergegen gerichtete Klage des Landkreises hatte vor dem Sozialgericht Heilbronn Erfolg. Die Krankenkasse hätte dem Jungen das Zimmerfahrgerüst für den Schulkindergarten zur Verfügung stellen müssen und den Antrag der Eltern nicht an das Sozialamt weiterleitet dürfen. Denn das Kind sei behinderungsbedingt bereits mit zweieinhalb Jahren in den Schulkindergarten aufgenommen worden, um eine möglichst frühzeitige sonderpädagogische Förderung und den anschließenden (Sonder-) Schulbesuch zu ermöglichen. Ohne zweites Zimmerfahrgerüst nebst Sitzschale hätte der Junge den Schulkindergarten aber nicht besuchen können.
Hinweis zur Rechtslage:
§ 33 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V]:
Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen [...] sind.
§ 14 Abs. 4 S. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IX]:
Wird [...] durch einen Rehabilitationsträger [...] festgestellt, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist, erstattet dieser dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 14.07.2014
Quelle: Sozialgericht Heilbronn/ra-online