23.11.2024
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Dokument-Nr. 25629

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Sozialgericht Dresden Urteil11.01.2018

Jobcenter darf Anforderungen bei Vorlage von Unterlagen von Selbständigen nicht überspannenAnnahme von Origi­nal­un­terlagen darf nicht verweigert werden

Das Sozialgericht Dresden hat entschieden, dass das Jobcenter bei der Anforderung von Unterlagen von selbständigen Aufstockern keine zu hohen Hürden setzen darf. Die Annahme von Origi­nal­un­terlagen darf das Jobcenter nicht verweigern. Auch Angaben, die erst im Widerspruchs­verfahren erfolgen, muss das Jobcenter noch berücksichtigen.

Der 44 Jahre alte Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens hatte als Aufstocker Leistungen nach dem SGB II ("Hartz IV") bezogen. Er ist in Dresden selbständig als Bauingenieur tätig. Das prognostizierte Einkommen betrug nur gut 100 Euro im Monat. Daher bewilligte das Jobcenter Dresden vorläufig Leistungen in Höhe von über 700 Euro pro Monat. Ende 2016 forderte das Jobcenter den Kläger auf, für die letzten vier Jahre vollständige Nachweise zu seinen Einkünften vorzulegen. Originalbelege würden nicht mehr entge­gen­ge­nommen. Eine Reaktion des Klägers ging beim Jobcenter nicht ein. Das Jobcenter Dresden setzte daraufhin den Leistungsbetrag für die betroffenen vier Jahre auf  Euro fest und verlangte vom Kläger über 31.000 Euro zurück. Hierbei stützte es sich auf eine am 1. August 2016 in Kraft getretene Verfah­rens­vor­schrift im SGB II. Im Wider­spruchs­ver­fahren teilte der Kläger mit, dass er die Unterlagen eingereicht habe und bot die erneute Übersendung an. Das Jobcenter war der Auffassung, dass die Vorlage der Unterlagen im Wider­spruchs­ver­fahren nicht mehr nachgeholt werden kann.

Jobcenter darf Angaben von Leistungs­emp­fängern im Wider­spruchs­ver­fahren nicht ausschließen

Das Sozialgericht Dresden gab den Klagen statt. Auch die Änderung des SGB II zum 1. August 2016 (siehe Anlage) berechtigt das Jobcenter nicht dazu, Angaben der Leistungsempfänger im Wider­spruchs­ver­fahren auszuschließen. Vielmehr muss das Jobcenter die gesamten Ansprüche auch dann berechnen, wenn die Angaben im Wider­spruchs­ver­fahren gemacht werden. Erklärt sich der Leistungs­emp­fänger hierzu bereit, muss er die Gelegenheit auch eingeräumt bekommen. In diesem Zusammenhang ist die Zurückweisung von Origi­nal­un­terlagen unzulässig. Denn das Sozialverfahren ist für die Leistungs­emp­fänger gebühren- und auslagenfrei. Daher muss er auch keine Kopien auf eigene Kosten anfertigen. Wenn die Sozialbehörde Kopien von Unterlagen benötigt, kann sie Kosten hierfür nicht auf die Leistungs­be­zieher abwälzen.

Sozialgericht lässt Sprungrevision zum Bundes­so­zi­al­gericht zu

Das Gericht hat aus diesen Gründen die Festsetzungs- und Erstat­tungs­be­scheide aufgehoben. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit ließ das Sozialgericht Dresden in allen acht Verfahren die Sprungrevision zum Bundes­so­zi­al­gericht zu. Die entschiedenen Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem neuen Verfahrensrecht seit 1. August 2016 werden in zahlreichen Verfahren aufgeworfen. Mit der Sprungrevision soll eine zügige grundlegende Klärung der Rechtslage ermöglicht werden.

§ 41 a Absatz 3 Zweites Buch Sozial­ge­setzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) in der ab 1. August 2016 gültigen Fassung:

Die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheiden abschließend über den monatlichen Leistungs­an­spruch, sofern die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzu­stel­lenden entspricht oder die leistungs­be­rechtigte Person eine abschließende Entscheidung beantragt. Die leistungs­be­rechtigte Person und die mit ihr in Bedarfs­ge­mein­schaft lebenden Personen sind nach Ablauf des Bewil­li­gungs­zeitraums verpflichtet, die von den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum Erlass einer abschließenden Entscheidung geforderten leistungs­er­heb­lichen Tatsachen nachzuweisen; die §§ 60, 61, 65 und 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Kommen die leistungs­be­rechtigte Person oder die mit ihr in Bedarfs­ge­mein­schaft lebenden Personen ihrer Nachweis- oder Auskunfts­pflicht bis zur abschließenden Entscheidung nicht, nicht vollständig oder trotz angemessener Fristsetzung und schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen nicht fristgemäß nach, setzen die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende den Leistungs­an­spruch für diejenigen Kalendermonate nur in der Höhe abschließend fest, in welcher seine Voraussetzungen ganz oder teilweise nachgewiesen wurden. Für die übrigen Kalendermonate wird festgestellt, dass ein Leistungs­an­spruch nicht bestand.

Quelle: Sozialgericht Dresden/ra-online

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