24.11.2024
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Sozialgericht Berlin Beschluss19.09.2013

Kranken­haus­navigator der AOK darf vorerst im Netz bleibenGericht verneint Eilrechtschutz gegen das auf Auswertung von Versi­cher­tendaten beruhende Krankenhaus­bewertungs­portal

Die AOK bleibt bis auf weiteres berechtigt, im Internet mittels des so genannten Kranken­haus­navigators über die Behand­lungs­qualität von Krankenhäusern zu informieren. Die Frage, inwieweit sie hierzu befugt ist, ist zwar offen, doch zu komplex, um im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden zu werden. Einem Krankenhaus, das selbst drei Jahre gewartet hat, bis es sich gegen die Veröf­fent­lichung des Quali­täts­ver­gleichs wehrt, ist es daher zumutbar, eine gründliche Prüfung der Streitfrage in einem gerichtlichen Haupt­sa­che­ver­fahren abzuwarten. Dies geht aus einer Entscheidung des Sozialgerichts Berlin hervor.

Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die AOK betreibt seit 2010 im Internet einen "Kranken­haus­na­vigator" (www.aok-gesundheitsnavi.de), in dem für ausgewählte Leistungs­be­reiche (Beispiel: Einsetzen eines künstlichen Hüftgelenkes) die Qualität von Krankenhäusern bewertet wird. Grundlage ist eine von der AOK selbst veranlasste wissen­schaftliche Auswertung von Abrechnungs- und Versi­cher­ten­stammdaten ("Quali­täts­si­cherung mit Routinedaten" - QSR). Berücksichtigt werden sowohl Daten aus der Phase der akuten Kranken­h­aus­be­handlung als auch Patientendaten aus dem Jahr davor und danach. Das Ergebnis soll Ärzten und Patienten bei der Auswahl einer Klinik helfen.

Antragsteller befürchtet Nachteile im Wettbewerb

Am 13. August 2013 ersuchte der Antragsteller, ein Krankenhaus aus Nordrhein-Westfalen, das Sozialgericht Berlin um einstweiligen Rechtsschutz gegenüber dem in Berlin ansässigen AOK-Bundesverband (Antragsgegner). Der Antragsteller, dessen Arbeit je nach Bereich mit Noten von "unter­durch­schnittlich" bis "überdurch­schnittlich" bewertet worden war, beantragte vor allem, dem Antragsgegner unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro zu untersagen, die aus der "Quali­täts­si­cherung mit Routinedaten" gewonnenen Daten und Bewertungen in seinem Kranken­haus­na­vigator zu veröffentlichen. Er befürchtet, aufgrund der Angaben Nachteile im Wettbewerb zu haben. Die verbreiteten Informationen seien inhaltlich unzutreffend. Sie beruhten auf einem undurch­sichtigen Verfahren, das wissen­schaft­lichen Anforderungen nicht genüge. Der Antragsgegner überschreite zudem seine Befugnisse, wenn er - gleichsam in einem Parallelsystem - einen Quali­täts­ver­gleich außerhalb des gesetzlich geregelten Quali­täts­si­che­rungs­systems (vgl. § 137 Abs. 3 SGB V) durchführe.

Bewertungen sind laut AOK Ergebnis eines wissen­schaftlich fundierten Verfahrens

Der Antragsgegner hält es demgegenüber für seine gesetzliche Aufgabe, die ihm zur Verfügung stehenden Daten zum Zweck der Beratung und Information zu nutzen. Die Bewertungen seien Ergebnis eines wissen­schaftlich fundierten Verfahrens. Deren Veröf­fent­lichung stärke die Patien­te­n­au­tonomie und belebe den Wettbewerb.

Befugnis zur Veröf­fent­lichung des Quali­täts­ver­gleichs kann im einstweiligen Rechts­schutz­ver­fahren nicht mit gebotenen Gründlichkeit geprüft werden

Das Sozialgericht Berlin lehnte den Antrag im Rahmen einer Folgenabwägung ab. Ob der Antragsgegner zur Veröf­fent­lichung des Quali­täts­ver­gleichs befugt sei oder nicht, sei eine schwierige Frage, die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht mit der gebotenen Gründlichkeit geprüft werden könne und deshalb einem gerichtlichen Haupt­sa­che­ver­fahren vorbehalten bleibe. Zu bedenken sei, dass die Verbreitung von Bewertungen im Kranken­haus­na­vigator einen Eingriff in die grundrechtlich geschützte unter­neh­me­rische Betäti­gungs­freiheit darstellen könne, denn sie beeinflusse durchaus die Marktchancen des Antragstellers und berühre den Ruf des Krankenhauses. Allerdings sei der Antragsgegner hierzu womöglich ermächtigt, denn ihm sei in § 137 Abs. 3 Satz 4 SGB V unter anderem die Aufgabe zugewiesen, über Quali­täts­merkmale von Krankenhäusern zu informieren. Unklar sei jedoch, ob er dies nur auf Grundlage des gesetzlich geregelten Quali­täts­be­richts tun dürfe oder ob er hierfür auch andere Erkennt­nis­quellen nutzen könne.

Besondere Dringlichkeit der Sache nicht erkennbar

Angesichts der offenen Erfolgs­aus­sichten eines Haupt­sa­che­ver­fahrens sei eine Folgenabwägung geboten, die zu Lasten des Antragstellers ausfalle. Dieser habe mit der Anrufung des Gerichts seit Veröf­fent­lichung der ersten Bewertungen drei Jahre gewartet. Aus den Akten sei auch nicht ersichtlich, dass er sich um eine vorgerichtliche Klärung mit dem Antragsgegner, zum Beispiel ein Gespräch, bemüht habe. Das Gericht habe schon deshalb keine besondere Dringlichkeit der Sache erkennen können. Der Antragsteller habe zudem nicht dargelegt, dass er durch die bisherigen Bewertungen in seiner Existenz bedroht sei. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass durch die vorrangig begehrte vollständige Entfernung des Quali­täts­ver­gleichs auch die Interessen anderer Krankenhäuser berührt würden. Diese hätten unter Umständen aufgrund günstiger Bewertungen ein erhebliches Interesse an deren weiteren Veröf­fent­lichung. Unterstellt, dass die Bewertungen zutreffend seien, würden schließlich auch die Versicherten ein anerken­nens­wertes Interesse haben, mittels der verbreiteten Informationen von unter­durch­schnitt­lichen Leistungen verschont zu bleiben.

Quelle: Sozialgericht Berlin/ra-online

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