18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen vier Hände, die ineinander greifen.
ergänzende Informationen

Sozialgericht Berlin Urteil27.04.2011

Gravierende Mängel: Sozialgericht Berlin kippt Apothe­ke­n­ab­schlag 2009Vom Gesetzgeber vorge­schriebener Bewer­tungs­maßstab für Anpassung des Apothe­ke­n­ab­schlags durch Schiedsspruch verletzt

Da der Schiedsspruch vom 21. Dezember 2009 zur Festsetzung des Apothe­ke­n­ab­schlags 2009 gravierende Mängel enthält, wird er aufgehoben. Dies entschied das Sozialgericht Berlin und verurteilte die beklagte Schiedsstelle für Arznei­mit­tel­ver­sorgung und Arznei­mit­te­l­a­brechnung zur Neuentscheidung.

Bei ihrer vorherigen Entscheidung hatte die Schiedsstelle nach Auffassung des Gerichts die Grenzen ihres Beurtei­lungs­spielraums verletzt. Insbesondere hat sie sich nicht mit dem Umstand befasst, dass den gestiegenen Personal- und Sachkosten der Apotheken ein deutlich gestiegener Umsatz gegenüberstand.

Erfolg für den Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen

In der ersten Instanz endete der 640 Millionen-Streit um den Apothekenabschlag 2009 mit einem Erfolg für den Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Spitzenverband). Nachdem sich die Krankenkassen und der dem Gerichts­ver­fahren beigeladene Deutsche Apothe­ker­verband (DAV) in ihren Verhandlungen nicht hatten einigen können, war der von den Apotheken an die Kassen zu entrichtende Abschlag für 2009 von der Schiedsstelle auf 1,75 Euro pro Packung festgesetzt worden. Der für 2008 vom Gesetzgeber festgelegte Abschlag hatte demgegenüber 2,30 Euro betragen. Die Krankenkassen hatten daraufhin Einnah­me­verluste von rund 320 Millionen Euro jährlich geltend gemacht und am 21. Januar 2010 gegen die Schiedsstelle Klage erhoben. Durch die Entrichtung eines packungs­be­zogenen Abschlags sollen die Apotheken nach dem Willen des Gesetzgebers ihren Anteil zur Kosten­ein­sparung im der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung leisten.

Ausschließliche Berück­sich­tigung gestiegener Personal- und Sachkosten der Apotheken stellt gravierenden Fehler der Schiedsstelle dar

Nach Auffassung des Gerichts hält der Schiedsspruch einer rechtlichen Prüfung nicht stand: Der Schiedsspruch verletzt den vom Gesetzgeber für die Anpassung des Apothe­ke­n­ab­schlags vorgegebenen Bewer­tungs­maßstab, wonach es entscheidend darauf ankommt, dass die Summe der Vergütungen für die Leistungen aller Apotheken bei der Abgabe von verschrei­bungs­pflichtigen Medikamenten leistungs­gerecht ist. Es ist ein gravierender Fehler der Schiedsstelle gewesen, nur die gestiegenen Personal- und Sachkosten der Apotheken zu berücksichtigen, nicht aber auch die Steigerung der Einnahmen durch vermehrte Packungs­verkäufe.

Anstieg des Umsatzes verkaufter Packungen blieb bei Schiedsspruch unberück­sichtigt

Die Schiedsstelle ist davon ausgegangen, dass den Apotheken aufgrund eines Perso­na­l­zu­wachses von 2,38 % (3.154 Mitarbeiter) zwischen April 2007 und Dezember 2008 zusätzliche Kosten entstanden sind. Diesen Personalzuwachs hat die Schiedsstelle allein auf einen erhöhten Beratungsbedarf in den Apotheken zurückgeführt. Sie hat dabei – so das Gericht - in fehlerhafter Weise nicht berücksichtigt, dass im gleichen Zeitraum auch der Umsatz verkaufter Packungen um 5,69 % gestiegen ist. Es ist vor diesem Hintergrund nicht schlüssig, den Perso­nal­mehr­bedarf nicht auch in Beziehung zum erhöhten Verkaufsaufwand zu setzen.

Gesamt­kos­ten­stei­ge­rungen waren vollständig von Erlös­stei­ge­rungen gedeckt

Die von der Schiedsstelle angenommenen Gesamt­kos­ten­stei­ge­rungen sind im Übrigen nach Auffassung des Gerichts vollständig von den Erlös­stei­ge­rungen gedeckt gewesen. Der Umsatz verkaufter verschrei­bungs­pflichtiger Ferti­g­a­rz­nei­mittel wirkt sich dabei wegen des so genannten Apothe­ken­zu­schlags unmittelbar auf den eigentlichen Erlös der Apotheken aus. Den gesetzlich vorge­schriebenen Apothe­ken­zu­schlag erhalten die Apotheken zur Deckung ihrer Sach- und Personalkosten und zur Erzielung von Gewinn für die Abgabe jeder Packung eines verschrei­bungs­pflichtigen Ferti­g­a­rz­nei­mittels. Der Zuschlag setzt sich aus einer dynamischen Komponente von 3 % des Einkaufspreises und einem fixen Betrag von 8,10 Euro zusammen.

Absenkung des Abschlags nur in deutlich geringerem Umfang gerechtfertigt

Angesichts der im Verhältnis zur Umsatz­stei­gerung relativ geringen Kosten­stei­gerung hat es sich der Schiedsstelle aufdrängen müssen, dass eine Absenkung des Abschlags um 24 % gegenüber 2008 den gesetzlichen Rahmen verlässt. Mit Blick auf die Erhöhung des Umsatzes wäre eine Absenkung des Abschlags nur in deutlich geringeren Umfang gerechtfertigt gewesen.

Schiedsstelle an Erwägungen zur Absenkung des Abschlags nicht gehindert

Bei der erforderlichen Neuentscheidung muss die Schiedsstelle insbesondere die notwendige umfassende Bewertung der Leistungs­ge­rech­tigkeit im Blick behalten. Sie ist dabei – so das Gericht - nicht daran gehindert, eine Absenkung des Abschlags zu erwägen, denn angesichts des erhöhten Umsatzes würde der vom Gesetzgeber mit dem Apothe­ke­n­ab­schlag bezweckte Einspareffekt auch mit einem reduzierten Abschlagsbetrag erreicht werden. Die bisher von der Schiedsstelle angewandte Berech­nungs­methode ist angesichts deutlicher Umsatzzuwächse allerdings ohne zusätzliche umfassende Bewertung des Verhältnisses von Umsatzerlösen und Gewinnen nicht geeignet, den Abschlag für 2009 im Verhältnis zu 2008 zu reduzieren.

Schiedsstelle in Bezug auf Apothe­ke­n­ab­schlag 2010 bisher noch nicht angerufen worden

Abgewiesen hat das Gericht den zweiten Teil der Klage, mit dem die Krankenkassen gerichtlich feststellen lassen wollten, dass der Schiedsspruch nur das Jahr 2009 betreffe und bei der Anpassung für 2010 wieder vom gesetzlichen Wert für 2008 auszugehen sei. Für diese Feststel­lungsklage fehlt nach Meinung des Gerichts das Rechts­schutz­be­dürfnis: Hinsichtlich des Apothe­ke­n­ab­schlags 2010 ist die Schiedsstelle bisher noch gar nicht angerufen worden. Die Festlegung des Apothe­ke­n­ab­schlags 2010 fällt damit noch in die alleinige Verhand­lungs­hoheit des GKV-Spitzenverbands und des DAV. Das Gericht ist nicht befugt, einzelne Verhand­lungs­elemente vorab festzulegen.

Quelle: Sozialgericht Berlin/ra-online

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil11576

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI