21.11.2024
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Dokument-Nr. 18711

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Sozialgericht Aachen Urteil19.08.2014

Keine weitere Vergütung der Apotheker für im Jahre 2009 abgegebene Arzneimittel§ 130 Abs. 3 SGB V nur bei Regel­vergütungs­abrechnungen zwischen Apothekern und Krankenkassen

Die Klagen mehrerer Apotheker gegen gesetzliche Krankenkassen auf Nachzahlung einer weiteren Vergütung für im Jahre 2009 abgegebene Arzneimittel sind erfolglos und wurden abgewiesen. Dies hat das Sozialgericht entschieden.

In den zu entscheidenden Verfahren sind die Kläger selbstständige Apotheker. Über von ihnen beauftragte Rechenzentren stellten sie den drei beklagten Krankenkassen die im Jahre 2009 an deren Versicherte abgegebene Ferti­g­a­rz­nei­mittel in Rechnung. Das Gesetz sieht in § 130 Abs. 3 Satz SGB V vor, dass die Krankenkassen von den Apotheken einen Apothekenabschlag (sog. "Apothekenrabatt") erhalten, wenn sie die Rechnungen der Apotheken binnen 10 Tagen nach Eingang begleichen. Die Krankenkassen bezahlten die Rechnungen seinerzeit innerhalb der 10-Tages-Frist und behielten deshalb den damals geltenden Rabatt in Höhe von 2,30 Euro je verschrei­bungs­pflichtigem Arzneimittel ein. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die seinerzeit für 2009 abgerechnete Vergütung entsprechend der damals geltenden Apothe­ken­ra­batt­re­gelung gezahlt worden ist.

Leistungs­ge­rechte Anpassung des Abschlags für verschrei­bungs­pflichtige Ferti­g­a­rz­nei­mittel

Allerdings hatte der Gesetzgeber den Apothekern und Krankenkassen aufgegeben, den Abschlag für verschrei­bungs­pflichtige Ferti­g­a­rz­nei­mittel von 2,30 Euro je Arzneimittel "mit Wirkung für das Kalenderjahr 2009 von den Vertrags­partnern in der Vereinbarung nach § 129 Abs. 2 so anzupassen, dass die Summe der Vergütungen der Apotheken für die Abgabe verschrei­bungs­pflichtiger Arzneimittel leistungs­gerecht ist unter Berück­sich­tigung von Art und Umfang der Leistungen und der Kosten der Apotheken bei wirtschaft­licher Betriebsführung".

Apothe­ke­n­ab­schlag auf 1,75 € festgesetzt

Bereits im September 2008 hatten der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) und der Deutsche Apothe­ker­verband (DAV) Verhandlungen über die Anpassung des Apothe­ke­n­ab­schlags für 2009 aufgenommen. Nachdem eine im Oktober 2008 erzielte Einigung der Verhand­lungs­kom­mis­sionen von den Gremien des GKV-Spitzen­ver­bandes abgelehnt worden war, beantragte der DAV die Einleitung eines Schieds­ver­fahrens. Am 21.12.2009 entschied die nach § 129 Abs. 8 SGB V gebildete gemeinsame Schiedsstelle: "Der Apothe­ke­n­ab­schlag nach § 130 Abs. 1 SGB V wird mit Wirkung für das Kalenderjahr 2009 auf 1,75 EURO festgesetzt." Gegen diese Schieds­stel­len­ent­scheidung erhob der GKV-Spitzenverband Klage vor dem Sozialgericht Berlin (S 13 KR 135/10); diese Klage wurde später aufgrund einer am 20.06.2013 zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem DAV getroffenen Vereinbarung zurückgenommen. In einem parallel anhängigen Eilverfahren ordnete das Landes­so­zi­al­gericht Berlin-Brandenburg durch Beschluss vom 05.05.2010 (L 1 KR 51/10 B ER) die sofortige Vollziehung der Entscheidung der Schiedsstelle an.

Krankenkassen begleichen Nachforderungen nicht innerhalb von 10 Tagen

Daraufhin stellten die Rechenzentren der Apotheker noch im Mai 2010 den Krankenkassen in Sammel­rech­nungen für die im Jahre 2009 abgegebenen Arznei­mit­tel­pa­ckungen die Differenz von 2,30 Euro einbehaltenem Apothe­ke­n­ab­schlag (alt) und 1,75 Euro festgesetztem Apothe­ke­n­ab­schlag (neu), also ,55 Euro je abgegebener Packung in Rechnung. Die Krankenkassen beglichen die Nachforderung. Weil die Zahlungen aber nicht innerhalb von 10 Tagen nach Eingang der Sammel­rech­nungen erfolgten, waren die Apotheker der Auffassung, dass nunmehr überhaupt kein Apothekenrabatt für die in 2009 abgegebenen Arzneimittel angefallen sei.

Apotheker fordern wegen verspäteter Zahlung 126.194,25 €

Im Dezember 2013 erhoben deshalb Hunderte von Apothekern Klage auf Nachzahlung auch der 1,75 Euro je Packung, die als Rabatt für 2009 festgesetzt und einbehalten worden waren. Die Nachforderung allein in den acht verhandelten Fällen beläuft sich für 72.111 Packungen auf 126.194,25 Euro.

Nachberechnung des Vergü­tungs­an­spruchs stellt keinen Sonderfall dar

Das Gericht hat die Klagen am 19.08.2014 abgewiesen und die Urteile im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Kläger haben seinerzeit durch Vorlage ordnungsgemäßer Rechnungen im Sinne von § 130 SGB V ihre Vergü­tungs­ansprüche geltend gemacht; diese Rechnungen sind von den Krankenkassen seinerzeit auch innerhalb der Zehntagesfrist - nach dem damals geltenden Recht vollständig - beglichen worden. Erst aufgrund der Schieds­stel­len­ent­scheidung vom 21.12.2009 und der Anordnung von deren sofortiger Vollziehung stand ab 05.05.2010 vorläufig und - infolge der zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem DAV getroffenen Vereinbarung - ab 20.06.2013 endgültig fest, dass der Vergü­tungs­an­spruch bei der erstmaligen Abrechnung in Höhe von ,55 Euro je Packung noch nicht erfüllt worden war. Logische Konsequenz der Schieds­stel­len­ent­scheidung, den Apothekenrabatt rückwirkend für 2009 auf 1,75 Euro je Packung festzusetzen, war, dass der Apothekenrabatt von den Apothekern überhaupt nicht - weder in Höhe von 2,30 Euro noch in Höhe von 1,75 Euro - hätte gewährt werden müssen, weil die Krankenkassen seinerzeit die Rechnungen des RZ nun doch nicht vollständig innerhalb der 10-Tages-Frist des § 130 Abs. 3 Satz 1 SGB V beglichen hatten. Es hätte dazu auch keiner Nachtrags­rech­nungen der Apotheker bedurft. Ein solches Ergebnis hätte aber die Schieds­stel­len­ent­scheidung nicht nur ins Leere laufen gelassen, sondern ad absurdum geführt. Dieses Ergebnis ist auch weder vom Gesetzgeber, noch von den Apothekern und Krankenkassen bzw. ihren Inter­es­sen­ver­tre­tungen noch von der Schiedsstellen mit ihrer Entscheidung gewollt und beabsichtigt. Bei den Forde­rungs­auf­stel­lungen der Rechenzentren handelte es sich - so die Aachener Richter - nicht um eine Vergü­tungs­rechnung im Sinne von § 130 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Sie können auch nicht in Verbindung mit den ursprünglichen Rechnungen und den darin enthaltenen Daten als eine die 10-Tages-Frist des § 130 Abs. 3 Satz 1 SGB V erneut auslösende Rechnung im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden. Die Nachberechnung des Vergü­tungs­an­spruchs der Apotheken für das Abrechnungsjahr 2009 aufgrund der Schieds­stel­len­ent­scheidung stellt einen vom Gesetz weder geregelten noch intendierten Sonderfall der Vergü­tungs­a­b­rechnung dar. § 130 Abs. 3 SGB V findet mit seiner massiven Folge - dem Fortfall des gesamten Rabatts - nur Anwendung auf die standa­r­di­sierten Regel­ver­gü­tungs­a­b­rech­nungen zwischen den Apotheken und den Krankenkassen. Würde jedwede Abrech­nungs­kor­rektur der Anwendung des § 130 Abs. 3 SGB V unterfallen, bestünde eine unausgewogene Risiko­ver­teilung. Die Krankenkassen hatten deshalb die Nachforderung nicht binnen zehn Tagen nach Eingang der Sammelrechnung zu begleichen. Daher ist auch der bei der Erstabrechnung der für 2009 abgegebenen Ferti­g­a­rz­nei­mittel damals zu Recht vorgenommene Apothe­ke­n­ab­schlag nicht nachträglich für das gesamte Jahr vollständig entfallen. Vielmehr sind mit der Nachzahlung der ,55 Euro für jede der Packungen, die die Apotheker im Jahr 2009 für Versicherte der Krankenkassen abgegeben haben, ihre Vergü­tungs­ansprüchen vollständig erfüllt.

Quelle: Sozialgericht Aachen/ ra-online

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